von Niccolo
Eine Flasche Bier stand vor mir auf dem Plastiktisch, den eine grüne Plastik-Tischdecke verzierte. Die Sonne, die heiß von einem blauen Hochsommerhimmel herabschien funkelte in der Flasche und warf Lichtreflexe auf mein Gesicht. Kondenswasser lief die Seiten der Flasche hinunter in einer Spiegelung des Schweißes, der auf meiner Stirn glitzerte. Verdammtes Wetter. Mein Kleid klebte an meiner Haut, wer war auch auf die dämliche Idee gekommen, dass die Brautjungfern dunkelblaue Kleider tragen sollten? Und dann auch noch bodenlang.
Ich starrte auf die Bierflasche vor mir auf dem Tisch, es war nicht einmal meine. Nein, in meinem Glas war Erdbeerbowle. Das einzige was mich an der Bierflasche interessierte, war die Frau, die sich in ihr spiegelte.
Sie bewegte sich hinter mir auf der Tanzfläche zu der fröhlichen Musik, die den ganzen Garten erfüllte und aus einem kleinen Pavillion drang. Sie lächelte, sie lächelte den ganzen Tag schon, schließlich war heute ihr großer Tag, den sie so lange geplant hatte, der endlich in Erfüllung ging und alles war so wie sie es sich immer ausgemalt hatte.
Ich wusste, dass es so war wie sie es sich immer gewünscht hatte. Zu gut wusste ich wie sie es sich gewünscht hatte, wie oft hatten wir darüber geredet?
Die Zeremonie in der kleinen Kirche, in der sie schon Konfirmiert worden war. Die Blumengebinde mit weißen und vereinzelten dunkelroten Rosen. Die Brautjungfern in ihren blauen, schillernden Kleidern, bunte Farbkleckse, die von blauen Bändern zwischen den Blumen widergespiegelt wurden. Die Gäste bestehend aus Familie und vielen, vielen Freunden, langjährige Weggefährten und Weggefährtinnen, und die längsten und wichtigsten standen als Brautjungfern bereit.
Ich griff nach meinem Glas mit Erdbeerbowle und trank es mit einem Zug aus.
All ihre Vorstellungen und Träume und Wünsche, die auch ich eimal gehabt hatte. Ich war sicher gegangen, dass auch jeder von ihnen heute in Erfüllung gehen würde. Das war das einzige, was ich noch in der Lage gewesen war für sie zu tun.
Ich starrte wieder in die Flasche. Man konnte es in der Spiegelung nicht erkennen, aber ihre Haare waren schwarz, ein glänzendes, verführerisches Schwarz. Heute für diesen Tag war es zu einer aufwändigen Hochsteckfrisur zusammen gefasst, ließ jedoch einige verspielte Strähnen noch immer um ihren schlanken Hals fallen.
Das Lied endete und bevor ein neues anspielen konnte lösten sich einige der Tänzer aus der Menge auf der Tanzfläche. Ein Traum aus weiß rauschte an mir vorbei und ließ sich auf den Stuhl eine Ecke weiter an meinem Tisch sinken.
"Hast du Jaydon gesehen?", fragte sie und ich hob meinen Blick, ließ ihn einen Moment auf ihrem Gesicht ruhen, mit ihren leicht geröteten Wangen, die sie nicht länger nur ihrem Make-up zu verdanken hatte. Er blieb an ihren roten Lippen hängen und wagten nicht zu ihren Augen empor zu wandern.
"Nein, ich weiß nicht wo dein Mann ist", antwortete ich ihr wahrheitsgemäß.
"Naja", sie zuckte mit den Schultern. "Er wird sicher nichts dagegen haben wenn ich mich an seinem Bier bediene." Sie griff sich die Bierflasche und löschte ihren Durst damit.
Als sie die Flasche wieder absetzte warf sie einen Seitenblick zu mir.
"Aber was ist mir dir? Du sitzt hier schon die ganze Zeit alleine herum. Warum suchst du dir nicht einen netten Typen und tanzt mit ihm? Du weißt doch was man sagt, Hochzeiten sind der optimale Ort um neue Bekanntschaften zu machen."
"Du weißt, dass ich mir nichts aus Männern mache", sagte ich gleichmütig.
"Dann such dir eben eine Frau", erwiderte sie daraufhin augenzwinkernd.
Ich lächelte sie daraufhin an, sagte jedoch nichts dazu. Ich brauchte es auch nicht, denn wenige Momente später, sprang sie von ihrem Stuhl auf.
"Jay", rief sie und lief auf ihren Mann zu, der gerade wieder zum Treiben im Garten stieß und hängte sich an seinen Arm. Ich wandte mich ab und seufzte.
Erneut griff ich nach meinem Bowlenglas und führte es an den Mund, stellte jedoch im nächsten Moment fest, dass es leer war. Ich seufzte wieder, jetzt würde ich mir auch noch ein neues Glas holen müssen. Und auf dem Weg würden mich wahrscheinlich zehn verschiedene Leute in ein Gespräch zu verwickeln versuchen und mir erzählen wie schön doch die Hochzeit geworden ist und mich zu meiner Planung beglückwünschen. Ich konnte darauf verzichten.
"Noch etwas zu trinken?", fragte da eine Stimme neben mir und ein gefülltes Glas tauchte in meinem Blickfeld auf. Überrascht wandte ich den Blick zur Seite.
Ein junge Frau, in etwa mein Alter, vielleicht ein paar Jahre darüber stand neben mir. Hellbraune, mittellange Haare rahmten ihr Gesicht verspielt ein und sie lächelte aufmunternd. Ihre Augen waren tief und von einem malerischen Blau.
"Danke", meinte ich und nahm das Glas entgegen, noch immer ein wenig verwundert.
"Stört es wenn ich mich zu dir setze?", fragte sie und sah mich über ihr eigenes Glas hinweg an.
"Nein, setz dich", gebot mir die Höflichkeit zu sagen, auch wenn ich im Moment nicht übermäßig viel Wert auf Gesellschaft legte.
Sie setzte sich und hielt mir dann ihr Glas zum Anstoßen entgegen.
"Auf eine gelungene Hochzeit?", fragte sie.
"Auf eine gelungene Hochzeit", echote ich mit falscher Begeisterug.
Wir tranken und ich spürte wie sie mich ansah.
"Alles in Ordnung mit dir?", fragte sie, nachdem sie ihr Glas abgesetzt hatte.
"Was?", fragte ich perplex und fügte im nächsten Moment hinzu: "Ja, ich bin nur etwas erschöpft. Die Planung und alles, es ist gestern spät geworden."
"Ah, ich verstehe", sagte sie und nickte leicht.
Wir schwiegen und mein Blick wanderte unwillkürlich zurück zum Hochzeitspaar, das sich gerade mit ein paar ihrer Freunde unterhielt.
"Und wer ist es? Braut oder Bräutigam?", erkundigte sie sich beiläufig und als ich meinen Kopf ruckartig zu ihr wandte, sah ich, dass auch sie zu dem Paar blickte. Ihr Glas hielt sie an den Mund und trank.
Als ich nicht antwortete, wanderte ihr Blick wieder zu mir und sie setzt ihr Glas ab.
"Was meinst du?", fragte ich verwirrt, die Stirn etwas geruzelt.
"Na in wen du verliebt bist", sagte sie nüchtern und sah mich an.
"Was? Wir kommst du denn auf soetwas?", stritt ich ab und spürte gleichzeitig wie ich rot und hektisch wurde.
Sie lächelte, doch es war nicht unangenehm sondern vielmehr beruhigend und mitfühlend.
Noch immer lächelnd zeigte sie auf sich und sagte: "Bräutigam."
Ich starrte sie einige lange Herzschläge an.
"Braut", gab ich schließlich zu.
"Kann ich verstehen", sagte sie noch immer freundlich und warf noch einmal einen Blick zum Brautpaar. "Sie ist hübsch."
"Das ist sie", bestätigte ich simpel.
"Weiß sie es?", erkundigte sie sich anschließend.
"Nein", antwortete ich und einen Moment später: "Und er?"
"Er weiß nicht, dass ich es immernoch tue."
"Ich verstehe", sagte ich und trank ein paar Schlucke meiner Erdbeerbowle.
"So oder so ist es jetzt zu spät für uns."
"Sieht danach aus", bestätigte ich.
"Das Leben ist hart nicht war?"
Ich nickte. "Und ungerecht."
"Und kompliziert", ergänze sie noch lachend.
Ich nickte stumm. Einen Moment saßen wir schweigend da, dann erhob sie noch einmal das Glas und sagte: "Auf das harte, komplizierte und ungerechte Leben".
Ich musste Lächeln und es war echt. Auch ich hob mein Glas und stieß mit ihr an.
"Auf das harte, komplizierte und ungerechte Leben."
Nachdem wir getrunken hatten und unsere Gläser abgestellt, sah sie mich plötzlich mit einem verschmitzten Grinsen an und hielt mir die Hand hin.
"Wie sieht es aus, wollen wir von hier flüchten?"
Ich sah sie an und lachte. Lachend griff ich nach ihrer Hand und ließ mich von ihr fortführen aus dieser fröhlichen Hochzeitsgesellschaft, deren Fröhlichkeit dabei gewesen war mich wahnsinnig zu machen.
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Niccolo. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.