von nightingale_
Diese Geschichte habt ihr einer Person zu verdanken, die mich anschrieb mit den Worten "Hey, jetzt schreib doch mal was Schönes!" (- Ich hoffe, sie genügt deinen Ansprüchen ;)). Deswegen widme ich diese Geschichte auch ganz speziell dieser Person, sowie, an zweiter Stelle, natürlich euch.
Die Blumen bewegten sich leicht im Gras des kleinen Sees, an den wir uns nach einem langen Spaziergang zurückgezogen hatten. Schwach glänzte die Sonne zwischen den Baumkronen um uns herum auf, rechts und links um uns, in einigen Metern Abstand, mannshohe Hügel, deren lebendiges Grün im dämmrigen Licht der untergehenden Sonne funkelte. Der Wind strich seicht durch das Wasser und spülte es zu unseren Füßen heran. Die Schuhe standen ausgezogen ein Stück weit von uns entfernt unter einem Baum, dessen Krone schier in den Himmel wuchs.
Dieser Ort wirkte unwirklich. Links neben uns der riesige Baum, dessen Wurzeln sich ein Stück weit ins Wasser spannten, so dick, dass man darauf laufen konnte. Direkt daneben, eine alte Holzhütte, die irgendeinem Urgroßvater vor Jahren gehört haben musste, der sich wohl gedacht hatte, sich in seinem Leben noch einmal etwas gönnen zu wollen... Inzwischen war sie morsch und beinahe verfallen, das Fenster staubig beschlagen und auf dem Dach wuchsen ganzen Mooskompanien.
Sheila neben mir setzte sich auf und blinzelte mich abenteuerlustig an. "Wetten ich kann auf den Wurzeln da weiter ins Wasser hinein laufen als du?"
"Ach, Sheila." Ich seufzte. "Wir haben doch gerade erst wirklich genug Bewegung hinter uns."
"Aber..." Im nächsten Moment sprang ich auf und hetzte zum Baum, kletterte auf seine Wurzeln und hielt mich am Baumstamm fest, während meine Freundin verdutzt zurück blieb.
"Ich hätte es wissen müssen", murmelte sie und lachte, mehr über sich selbst als über die ganze Situation und kam so langsam zu mir herangetrottet, dass man meinen müsste, sie hätte sich über die erneute Bewegung beklagt.
Langsam krempelte sie sich die Enden ihrer Jeans hoch und begutachtete das Wasser, versuchte scheinbar, die Tiefe abzuschätzen.
"Hast du jetzt etwa doch Angst bekommen?", neckte ich sie und schenkte ihr ein liebevolles Lächeln. Ich wusste, das würde sie nicht auf sich sitzen lassen.
"Denkst du!", rief sie und sprang mir entgegen, um mich von den Wurzeln zu stoßen. Ich wich zurück, ruderte kurz mit den Armen, als ich tatsächlich fast das Gleichgewicht verlor und fing mich dann wieder.
"Hallo?!", versuchte ich mich zu beschweren. "Ich habe nur diese Kleidung mit!"
"Das hättest du dir eben vorher überlegen müssen." Sie setzte mir nach, sprang zu mir auf meine Wurzel und fiel dabei fast selbst ins Wasser.
Spöttisch zog ich eine Augenbraue hoch. "Kleine Sünden straft der liebe Gott sofort."
"Na warte!" Sie schnellte vor und erwischte mich gerade noch am Arm, ehe ich vollständig zurückweichen konnte. Für einen Moment lang drohten wir beide zu fallen.
"Spinnst du? Was, wenn wir gegen die anderen Wurzeln knallen?!"
"Was, wenn nicht?"
Sie sprang vor, weiter auf den See hinaus, ließ moch scheinbar unbeachtet stehen, was ich mir nicht ohne Weiteres gefallen ließ. Vorsichtig setzte ich einen Fuß auf die nun dünner auslaufenden Wurzeln.
Sheila war schon im ganzen Geäst vorne angekommen und neigte sich am Ende nieder zum Wasser, tauchte eine Hand leicht hinein und hielt inne. Drehte sich zu mir um.
"Sieh doch nur!", flüsterte sie beinahe andächtig. "Sieh nur, wie klar das Wasser ist... und guck mal hier..." Vorsichtig schritt ich zu ihr heran, und wollte ihr über die Schulter blicken, als sie aufschnellte und mich direkt ins kalte Wasser warf.
Ich keuchte auf, als die eisigen Temperaturen des beginnenden Herbstes in Form des Wassers über mich kamen, verschluckte mich am Wasser, hustete, paddelte, schlug mit den Armen um mich.
"Sag mal, spinnst du?!", rief ich gegen die sich ausbreitende Kälte an und schickte ihr einen frostigen Blick, der nicht einmal annähernd den Temperaturen entsprach, den ich mich gerade ausgesetzt fühlte. Im gleichen Moment spürte ich Boden unter meinen Füßen und ließ das orientierungslose Strampeln sein. Gerade einmal hüfthoch reichte das Wasser hier.
Trotzdem kam ich nicht drum herum, Sheila noch einmal einen frostigen Blick zuzuwerfen. Doch sie lachte nur und glitt elegant an den Wurzeln in das Wasser hinab und kam langsam auf mich zugeschritten. Ihre Mimik verzog sich kein bisschen, ihr schienen weder das Wasser noch die Kälte etwas anzuhaben.
"Du kleines Miststück", warf ich ihr scherzhaft entgegen, "Du kleines...", und wollte sie ebenfalls komplett ins Wasser untertauchen, als sie mich umarmte, ihre Lippen meinen ganz nahe. Ich erstarrte. Sie schenkte mir einen langen, abwartend liebevollen Blick, musterte mich bestimmt. Mein Herz fing an, unregelmäßig zu arbeiten und beinahe hätte ich sie vor lauter Irritation weggeschoben, als ihre Lippen die meinen fanden...
Ich löste mich einen Moment, schnappte hektisch nach Luft, ihre warmen goldbraunen Augen noch immer auf mich gerichtet... herzlich... einladend...
Ich blinzelte sie durch das Wasser, das noch immer meine Haare hinab lief, an. Versuchte, irgendetwas in ihrem Gesicht zu erkennen. Es irgendwie begreiflich zu machen. Aber es war nicht begreiflich zu machen. Nichts davon.
Wieder küsste sie mich, brachte das gleiche unsichere Gefühl in mir herauf. Wie Schmtterlinge, die sich auf meinem Bauch abgesetzt hatten und nun alle gleichzeitig losfliegen wollten, ihre Flügelschläge meine Haut streifend. Meine Hände fingen an zu kribbeln, um mich selbst herum drehte sich alles, als sie mich weiter, inniger, herzlicher, küsste. Ihr Arm legte sich wie selbstverständlich um meine Hüfte, ihre andere Hand strich über meine Wange, meine Schulter hinab und legte sich auf meinen Rücken, presste meinen Körper noch enger an ihren.
Ihre langen braunen Haare glänzten im Licht der hier noch hinfallenden Sonne, um uns herum ein Meer aus Gold. Und wir mittendrin.
Ihre Lippen trennten sich von meinen, warm lächelte sie mir zu. Sie nahm die Blume, die sie sich am Ufer in ihr Haar gesteckt hatte, heraus und steckte sie mir an, lächelte wieder. Musterte mich liebevoll.
"Es wundert mich", flüsterte sie leise, "dass nicht mehr Blumen auf dir blühen als es nun diese Eine tut..." Wieder dieses warme, vertraute Lächeln. "Aber vielleicht tun sie es nicht, weil sie sich deiner Schönheit nicht als würdig erachten..." Küsste mich. "Und wenn ich es mir so überlege, dann gibt es auch keine Blume, deren Schönheit und Sanftmut auch nur annähernd dich wiederspiegeln könnte..."
Und damit nahm sie die Blume, strich sie meinen Hals entlang, bevor sie sie ins Wasser fallen ließ. "Und auch sicher keine, die so schön duftet..."
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nightingale_. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.