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Engel kehren nicht zurück

von Sommerregen04


Engel kehren nicht zurück

Die Kälte schien jetzt nicht mehr angenehm und befreiend. Der kalte Wind hatte aufgehört meine Hand zu streicheln, er hielt sie umklammert und zog mich fort. Ich wusste nicht wohin, aber ich spürte, dass es mir egal war. Seine Hand war eisig.
Ich sah den Schnee am Wegrand liegen. Kein Glitzern. Er schien grau und trüb, da die Sonne hinter Wolken verborgen war.
Meine Finger begannen zu schmerzen. Ich wollte nach Hause. Ich wollte mich in mein Bett legen und schlafen.
Nein! Ich wollte sterben. Ich wollte auf der Straße zusammenbrechen und nie wieder aufstehen.

Wild schossen mir die Gedanken durch den Kopf, während ich meine Schritte beschleunigte und zu rennen begann.

Zu Hause angekommen, warf ich Jacke und Schal in die Ecke, stellte meine Schuhe in den Flur,
rannte die Treppen hinauf, legte mich ins Bett und zog mir die kalte Decke über den Kopf.
Meine Augen brannten. Mein Kopf schmerzte. Von der Kälte, der Wärme, von meinen Gedanken.
Und vor allem wegen all der Erinnerungen, die dort herumwanderten.

*****

SIE saß im Garten und lachte. Jedes Mal bildeten sich kleine Grübchen um ihren Mund, wenn sie lachte und immer musste ich mitlachen, da ich wusste, dass ich sie zur Weißglut bringen konnte, wenn ich sie damit aufzog. Niemals hatte ich ihr gesagt, wie wunderschön ich ihr Lachen fand.

Engelhaft..

Die schwarzen glänzenden Haare lagen auf ihren Schultern und meistens fiel ihr eine kleine Strähne ins Gesicht, die sie mit ihren zarten Händen beiseite fegte. Sie war wie der Wind. Niemals konnte sie stillsitzen und tat sie es doch einmal, so musste sie sich mit etwas anderem beschäftigen. Manchmal, wenn sie dasaß, summte sie Lieder, oder sie erzählte Geschichten. Sie erzählte aus Büchern, die sie gelesen hatte, sie erzählte von Filmen und ab und zu erzählte sie von Menschen, die sie kannte. Kein einziges Mal hatte sie etwas über sich und ihr Leben erzählt.

Alles was ich wusste, waren ihr Name, dass sie beim Singen den Takt mit ihrem Fuß mitwippte und dass sie lachte wie ein Engel...

Es war verrückt, vollkommen verrückt und gleichzeitig war es perfekt.

*****

Ich starrte an die weiße, kahle Wand. Sie hatte gesagt, sobald wir Farbe gekauft hätten, würde sie das Zimmer aufleben lassen. Ja, ich wusste auch, dass sie gerne malte. Einmal hatte ich ihr beim Zeichnen zugesehen. Sie hatte die Stirn in tiefe Falten gelegt gehabt und war so konzentriert gewesen, dass sie mich erst bemerkt hatte, als ich mich mit Worten bemerkbar machte.

Worte.. Worte hatte es nicht viele gegeben zwischen uns und wenn doch, so waren es meist nur oberflächliche Gedanken gewesen, die wir austauschten. Viel schöner fand ich es mit ihr zu schweigen. Manchmal saßen wir stundenlang beisammen und ich beobachtet ihre großen eisblauen Augen, die entweder nervös auf- und abwanderten oder mich leuchtend anstarrten, wie ein kleines Kind, dass die alljährliche Weihnachtsvorfreude genießt.

Oft hatte sie zu weinen begonnen und wenn ich sie fragte, warum, dann hatte sie geschwiegen. Also hatte ich sie in den Arm genommen und festgehalten, bis sie irgendwann erschöpft eingeschlafen war.

Wenn ich am nächsten Morgen fragte, warum sie geweint hatte, so war sie gegangen, ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren.

Doch sie ging niemals wirklich fort. Ich wusste, dass sie wiederkommen würde. Im letzten Jahre hatte sie fast jede Nacht in meinem Bett verbracht. Im Sommer hatten wir nachts Spaziergänge unternommen.

Wir waren Hand in Hand gelaufen, bis zu einem kleinen See in der Nähe. Dort waren wir am Ufer gesessen und hatten die Sterne beobachtet. Wenn es besonders warm und schwül gewesen war, waren wir baden gegangen. Ich liebte es, ihr zuzusehen, wie sie eins zu werden schien, mit dem dunklen Wasser, das sich um ihren Körper schlang und sie sanft trug, während ihre Bewegungen kleine leise Wellen verursachten.

Dort hatten wir uns das erste Mal geküsst. Anschließend konnte ich nicht mehr sagen, ob wir nur wenige Sekunden gemeinsam und eng umschlungen im See gestanden hatten oder ob es Stunden gewesen waren. Das Kribbeln in meinem Bauch hatte sich nicht legen wollen, auch nicht, als sie auf dem nach Hause Weg allein voraus gelaufen war und ich rennen musste, um sie nicht aus den Augen zu verlieren.

*****

Ich zog die Decke noch ein Stücken weiter über meinen Kopf. Die Gedanken erdrückten mich. Meine Arme, auf die ich meinen Kopf gelegt hatte, waren bereits tränenüberströmt und je mehr ich versuchte, mich zusammenzureißen, desto heftiger schüttelte es mich und desto mehr Tränen fanden ihren Weg über meine Wangen.

*****

Ich erinnerte mich an unseren Streit. Damals war sie draußen, im Regen, vor meinem Fenster gestanden und hatte geweint.

Doch dies war nur ein kleiner Abschnitt, einer jener Momente, die es nicht wert waren, dass man sich an sie erinnerte.

Zwei Tage später hatte sie wieder in meinem Bett gelegen und geschlafen, während ich sie beobachtete und versuchte, den Moment für immer festzuhalten. Genau hier, an dieser Stelle, an der ich jetzt lag, hatte sie gelegen. Ich hatte die Vorhänge nicht zugezogen gehabt, sodass der Mond ihren zusammengerollten Körper beschien. Ihr Atem war gleichmäßig gewesen und von Zeit zu Zeit hatte sie sich auf die andere Seite gedreht.

Die ganze Zeit hatte sie friedlich geschlafen, in ein Laken von Mondfarben gehüllt.

*****

Ich sprang auf. Die Erinnerungen machten mich verrückt.
Sie passten nicht ins Bild. Sie konnten nicht wahr sein.

Nein, das Jetzt konnte nicht wahr sein. Es durfte nicht sein.!

Ich dachte zurück. Vorhin hatte ich durch Zufall einen ihrer Freunde getroffen. Ich hatte ihn gefragt, was mit ihr los sei, da sie sich seit mehreren Tagen nicht gemeldet hatte.

An die darauffolgenden Sätze konnte ich mich nicht mehr erinnern.

Alles war plötzlich leer gewesen. Für wenige Sekunden, die ich als Stunden empfand, war die Welt still geworden.
Seine Stimme hatte sich immer weiter von mir entferntund plötzlich hatte sie zugeschlagen. Die Realität. Das Begreifen.

Weinend war ich zusammengebrochen. Die Welt hatte sich ohne Vorwarnung zu drehen begonnen, viel zu schnell um mithalten zu können. Und sie kannte keine Gnade.

Alles, was ich noch wusste, war, dass ich gefragt hatte, wie es passiert sei.

„Es war Selbstmord“, war seine Antwort gewesen.

*****

Selbstmord.

Das Wort hallte als Echo in meinen Ohren wieder, als würde man es einen lauten leeren Gang hineinschreien.
Selbstmord.. Selbstmord..

Es war Selbstmord!

Erst jetzt wurde mir bewusst, was eigentlich falsch war an diesem Bild.

Dem einzigen Engel, der je in mein Leben getreten war, hatte ich nicht geben können, was er benötigt hätte.

Den Himmel.



copyright © by Sommerregen04. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


danke
NotAnAddict - 24.01.2005 13:39
Hm.
Sommerregen04 - 24.01.2005 12:50
Sprachlos
Toller Aufbau, das Ende hat mich jetzt wirklich sprachlos gemacht. Leicht ohnmächtig sitze ich nun hier und frage mich, was ich nicht zu fragen wage...
NotAnAddict - 24.01.2005 03:37
Gänsehaut!
SunnyDolphi - 22.01.2005 18:40
mh...
freshkiss - 20.01.2005 19:16

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