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Felix felicis

von alguien


Warnung: Das ist keine Lesben-Softporno-Lovestory, davon gibt's hier genug, aber es ist nach einer wahren Begebenheit.

Meine Füße trommelten auf das nasse Kopfsteinpflaster ein, als ich atemlos durch die Nacht hetzte. Rannte, soweit das Adrenalin reichte. Blieb stehen und hechelte flach der eingeschränkten Brustkorbausdehnung wegen gegen die Atemnot an. Und versuchte die letzten Augenblicke zu vergessen, die brennend in meinem Schädel widerzuhallen schienen. Dröhnend. Unauslöschlich. Unentrinnbar.
Aber der Reihe nach. Eigentlich bin ich ein ganz normales Studierendes- so heißt das doch jetzt, oder? Zumindest seit sie alle Studentenwerke in Studierendenwerke umbenannt hatten. Und, wie ich mit gewisser Selbstironie festgestellt hatte, meine Situation auch ganz passend beschrieb. Schließlich tat ich ja momentan nichts anderes außer Essen, Lernen, Schlafen und der gelegentlich unvermeidbare, mit immer mit bisweilen peinlichen Begegnungen verbundene Klobesuch. Die eine Tür verschlossen, aus der anderen rausgeschmissen oder nur mit Argusaugen oder bestenfalls verwunderten Blicken geduldet. Nun, ich schweife ab. Ein Samstagmorgen um sieben. Ich bin echt kein Morgenmensch und meine normale Kommunikation um diese Uhrzeit beschränkt sich auf gutturale Grunzlaute und Kopfbewegungen, besonders bei weniger als fünf Stunden Schlaf. Inmitten der Müllcontainer vor dem Wohnheim ein strahlendes Lächeln und Fragen über den Waschraum. Umständlich gebe ich Auskunft, werde allmählich wacher. Smalltalk. Irgendwann setzen wir uns in Bewegung, stellen fest, das wir beide den nahegelegenen Supermarkt ansteuern, um schnell noch ein paar Kleinigkeiten zu besorgen, bevor es an die Uni geht. Während ein Teil meines Gehirns dem Gespräch folgte, war der andere weniger mit den Ärgernissen des Schienenersatzverkehrs oder halsabschneiderischen Fahrradhändlern beschäftigt, sondern nahm unauffällig die eher kurvige Natur der Gesprächsparternerin in Augenschein. Fast schon automatisch versuchte ich in meinem versehentlich zwei Nummern zu groß gekauften Pink Floyd Shirt zu versinken- offenbar erfolgreich, denn als sie sich vor dem Pfandrückgabeautomaten mit einem strahlenden "Man sieht sich immer zweimal im Leben"verabschiedete, klang es nicht wie pure Abergläubigkeit. Eher...fast schon interessiert. Nicht dass ich da Experte wäre, aber irgendwie..hmmm.. Unnötig zu sagen, dass in den nächsten Stunden meine nun ja, etwas unterfütterte Fantasie beim Gedanken an die Archäologin mein Gehirn auf Stammhirnniveau reduzierte. Ich verpasste meinem Spiegelbild in der dunklen Fensterscheibe eine Kopfnuss und schalt mich einen hormongesteuerten Narren und hoffnungslosen Romantiker.
Die Tage zogen sich in die Länge, Examina kamen und gingen, irgendwie verging die Zeit dann doch gnädigerweise in ihrer Gleichförmigkeit und ich gewann die Kontrolle über meinen Kopf wieder, hatte die kurvige Archäologin erfolgreich ausgeblendet.
Bis Wochen später, wieder Schienenersatzverkehr. Und eine strahlende Begrüßung an der Bushaltestelle. Smalltalk bis an den Bahnhof. Nach dem Aussteigen ein paar Sekunden linkisches Schweigen bis sie mein Facebook möchte. Und Pinocchio schlägt zu. Einmal kein Freak sein, einmal normal. Einmal nicht sehen, wie ein nettes Lächeln in verwirrte Hilflosigkeit oder Ekel umschlägt, wenn sie versuchen, Name und im Ersteindruck widersprüchliche Erscheinung in Einklang zu bringen. Leider nur im Ersteindruck- oder im Dunkeln, in einer Bar auf 10m Entfernung oder in den Augen von sehr notgeilen schwulen Typen. Schon wieder schweife ich ab. An jenem Morgen, wieder einem Samstag, rette ich mich mit einem grinsenden Verweis auf Big Brother (als ob mich Datenschutz jemals groß gejuckt hätte) vor der verräterischen Preisgabe meines Facebook-Accounts. Sie lässt nicht locker, strahlt weiter und und stellt jene verhängnisvolle Frage: "Wie heißt du eigentlich?"
Sekundenbruchteile verstreichen, während ich ihr Gesicht nach einem Hinweis auf eine Vermutung scanne. Und dann pokere ich. Strecke die Hand aus. "Felix".
Lächelnd schüttelte sie sie, ,"M."
Bingo.
Irgendwann liefen wir uns wieder über den Weg. Diesmal bin ich mutiger, habe Gefallen am Pokern gefunden. Wir verabreden uns fürs Kino. Dann was trinken. Dunkelheit und Alkohol machen nicht gerade hellsichtig und ich werde immer wagemutiger. Wir landen irgendwo mit wummernder Musik, die jeden Gedanken im Kopf im Aufkeimen erstickt. Mit letzter Rationalität frage ich sie im Telegrammstil brüllend, ob sie einen Freund habe. Nein. Wir tanzen. Wummernde Musik und Stroboskopgewitter zerhacken jeden Bedenken in Fetzen. Ihre Lippen an meinen. Ihre Kurven unter meinen Händen. Irgendwie landen wir in ihrem Apartment, auf dem pritschenartigen Wohnheimsbett und mit dem letzten bißchen Selbsterhaltungsinstinkt versuche ich, Kontrolle über die Situation zu behalten. Ein paar Stunden später ist Felix felicis mit festgeklebten Grinsen auf dem Heimweg.
Die Tage vergehen, wir sehen uns nicht, da ich ihr aus Angst, mich zu verraten, nicht einmal meine Nummer hinterlassen hatte. Wieder im Bus, diesmal mit Bekannten, auf dem Weg zu einer Homoparty. Es ist das erste Mal, das ich jemandem aus meinem "echten" Leben wortlos etwas eingestehe. Frage einfach Toby, ob ich mit ihm und seinem Freund und einem gemeinsamen Kumpel mit kann. Wir treffen uns im Bus und dass sie bereits ein bißchen vorgeglüht hatten, merke ich an der überschwänglichen Begrüßung von Tobys sonst so reserviertem Freund. Ok...naja, wird bestimmt lustig. Ein paar Haltestellen weiter: Tür auf. Und herein kommt sie. Ein Gefühl des Sturzfluges, als sie strahlend Felix begrüßt. Einen Felix, den die Bekannten anstarren, als sähen sie ihn zu ersten Mal- was sie in gewisser Weise auch tun. Und Tobys Freund, der mit der verhängnisvollen Naivität eines Betrunkenen freudestrahlend nicht nur unser Ziel verrät- ein verwirrter Ausdruck tritt in ihr Gesicht...wieder verstreichen Sekundenbruchteile und stirnrunzelnd fragt sie mich ungläubig "Bist du schwul?", woraufhin Tobys Freund vor angeduselter Erheiterung schier platzend die zerstörerische Wahrheit hinausposaunt.
Im Aufstehen sehe ich noch, wie sich das Gesicht verzerrt, Ungläubigkeit Erkenntnis und dann Abscheu Platz macht.
"Du...Du...bist..ein..eine..e ine Lesbe???!!!"
Dann öffnet sich endlich die Bustür und ich hechte zwischen den sich schließenden Türen in die Dunkelheit.



copyright © by alguien. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.





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