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Stories » Detail

Fortuna

von Sasori


Fortuna erschien mir in einer dreckigen, ehemals weißen Tunika. Sie saß an einen kleinen eleganten Tischchen, aß ein fettiges gegrilltes Hühnchen, und schmatzte wie der Weltmeister. Dies schien ihr so viel Vergnügen zu bereiten dass die dabei entstandenen Fettflecken auf der Tunika sie nicht in Geringsten störten. Ihre Haare waren ebenfalls fettig und die Backen wie nach einem Bienenstich infolge einer allergischen Reaktion angeschwollen. Wären da nicht die Haare, spitze Nase und zerlaufende Schminke hätte ich tatsächlich Zweifel gehabt, ob es sich nicht zufällig um ein anderes Körperteil handeln könnte, welches sich allerdings am entgegengesetzten Ende des Rückens befindet. Zudem schenkte mit dieses unsympatische Weib Null Achtung. Also stand ich die ersten paar Minuten da und wartete höflich darauf, angesprochen zuwerden - bis irgendwann auch meine Toleranzgrenze überschritten war, ich mich ihr näherte und mürrisch fragte:
- Was gibts da zu schmatzen?
Das Weib schaute mich aus dem Augenwinkel an und schmatzte seelenruhig weiter, was mich zur Rage brachte. Da mir sonst keine Beachtung geschenkt wurde beschloss ich, einfach weiter fortzufahren.
- Kannst du nicht mal aufhören zu futtern? Ich hab mit dir ein Hühnchen zu rupfen! Das Weib seufzte und legte die Keule endlich zur Seite.Dann lehnte sie sich zurück und meinte trocken:
- Sie sind zu spät, junge Dame. Das Hühnchen wurde gerupft, gegrillt und wäre in naher Zukunft entsprechend  verwertet, hätten Sie mich nicht davon abgehalten. - entzückt von der eigenen Schlagfertigkeit legte sie ihren Kopf nach hinten und brach in ohrenbetäubenden Keuchen aus, welches wohl als Lachen zu interprätieren war. - Nun, was genau ist denn Ihr Anliegen? - fragte sie schließlich, als der Lachanfall vorüber war. Genervt nahm ich den nächststehenden Stuhl und rückte diesen an den Tisch heran. Ohne den Blick von der arroganten Zicke loszulassen, setzte ich mich langsam hin. Nach einer kleinen Gedenkpause, nachdem die richtigen Worte zusammengesucht waren, fing ich schließlich an.
- Nun ja, Fortuna... Ich habe hier und da ein paar Anmerkungen, die mein klägliches Dasein betreffen...
- Kläglich? Soso... - Fortuna täuschte leichtes Interesse vor und hob ironisch eine Augenbraue. Unbeirrt hiervon, fuhr ich mit meinem Vortrag fort.
- Im Großen und Ganzen sieht das ja nicht so schlecht aus. Studium läuft ganz gut, die Bude ist eingerichtet... - Fortuna gähnte mir penetrant entgegen, also beschloss ich zum Punkt zu kommen. - Nur fehlt die richtige Frau an meiner Seite...
- Und was habe ich damit zu tun? Oder möchtest du mir auf diese Art und Weise deine Zuneigung zeigen? Und wieder lachte das Weib los. Sehr witzig. Iss mal Salat oder so!
- Etwas mehr Zuneigung Ihrerseits wäre nicht schlecht, junge Dame! - zischte ich sie an, woraufhin sie mich beleidigt anschaute. Dann richtete sie sich auf und wischte ihre fettigen Finger an der Tunika ab. Sie schaute mich eindringlich an und man merkte, dass ihre Laune nicht gerade die beste war. Unbeeindruckt sprach ich weiter: Ich hab immer Pech mit den blöden Weibern. Ist das nicht irgendwie deine Aufgabe dass die richtige Frau mal aufkreuzt? So langsam habe ich wirklich kein Bock mehr!
Fortuna seufzte, griff nach einem kleinen Knochen und begann, darauf herumzukauen. Genervt verdrehte sie die Augen und fragte schließlich:
- Und was, wenn ich fragen darf, passt der Dame nicht an ihrer bisherigen Frauenauswahl?
- So einiges!
- Alles nacheinander... Die zierliche rothaarige?
- Stinklangweilig, keine Widerworte und mangelhafte Intimhygiäne.
- Die intelligente Archäologin?
- Entpuppte sich als Barbie mit ernsthaftem Zeitproblem.
- Die Molekularbiologin?
- Ist jetzt ein Molekularbiologe.
- Und der Rest?
- Hat sich aus dem Staub gemacht.
- Und der andere Rest, der es mit Ihnen nicht in die Kiste geschafft hat?
- Der ist gruselig. Schickst du etwa diese bekloppten Partnervorschläge? Hab ich aus Versehen irgendwo bei den Suchkriterien irgendwas mit "intelligenz- und bildungsresistent, nervig und allergisch gegen Sport" angekreuzt?
Fortuna seufzte und räusperte sich daraufhin. Dann lehnte sie sich gegen den Tisch und stützte ihr Kopf mit den Händen.
- Ihr Menschen seid verdammt nervige Geschöpfe. Ihr seid narzistisch genug, um Verlangen nach eurem eigenen Spiegelbild zu empfinden, und doch habt ihr genug Selbstzweifel, um genau dieses nicht leiden zu können. Dieses Spiel mit der Liebe ist eine Gradwanderung. Ich kann mich nicht hinstellen und der Dame den leckersten Apfel im Garten anbieten - und wenn ich dies tun würde, wäre es der Dame höchstwahrscheinlich eher nach Birne. Stattdessen bin ich seit 1000 Jahren am Pusseln. Versuch doch, aus einem Pussel, welches das Wort "Scheiße" darstellt, das Wort "Glück" herauszuzaubern. Soll ich dir was verraten? Das geht nun mal nicht ohne ein paar Bruchstellen zu erzeugen!
Ich stockte. Verdammt, die Frau hat Recht. Trotzdem gab ich nicht auf. Ich kam mir vor wie bei einer Verhandlung, und da ich nichts zu verlieren hatte, ergab sich automatisch eine win-win-situation.
- Aber - ganz ehrlich - übertreibst du es nicht ein bisschen? Ich würde mich schon über eine geringere Anzahl der Bruchstellen freuen...
- Ber dir, nehme ich mal an? - wieder zog sie die Augenbraue hoch.
- Ganz grundsätzlich - ja. Aber eher bei beiden. - ich dachte kurz nach - Kompromisse sollten ja bekanntlich beiderseits getroffen werden, darf ich also annehmen dass es mit diesen Bruchstellen sich analog verhällt?
- Richtig kombiniert, Menschlein. Nun werde ich dir etwas zeigen. - sie schnipste mit den Fingern und plötzlich erbrach sich eine Lavine aus Trillionen Pusselteile über uns. Ich schlug mir die Hände über dem Kopf zusammen und schloss die Augen. Als ich sie wieder aufmachte saß ich immer noch auf dem Stuhl, allerdings reichte das Meer aus Pusselteilen mir bis zur Brust. Fortuna saß in Schneidersitz mir gegenüber, natürlich nicht vergraben, sondern ganz gepflegt auf der Oberfläche. Lächelnd reichte sie mir ein Puzzelstück.
- Was soll ich damit? - fragte ich sie verwundert - Ich steh nicht auf Puzzeln!
- Stell dir vor, ich auch nicht! - lachte Fortuna - aber so ist nun mal der Job. Mal monoton, mal ziemlich langweilig. Sie, junge Dame (ah, jetzt sind wir also wieder beim siezen!), haben jetzt die ehrenvolle Aufgabe ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Hier - sie drückte mir das Puzzelstück in die Hand - das bist du. Und DAS - eindrucksvoll hob sie ihre Arme - ist die bescheidene Auswahl, die Ihnen zur Verfügung stellt. Ich schlage also vor, Sie machen sich auf die Suche. Erfüllen Sie Ihre eigenen Kriterien und um Zeus's Willen, brechen Sie sich dabei kein Bein ab. Viel Spaß!
Nach dieser Rede erwartete ich eigentlich, dass die Dame sich die Hände über dem Kopf klatschen und sich eindrucksvoll im Rauch auflösen würde. Stattdessen machte sie einen elleganten Schritt zur Seite und machte es sich auf einem Haufen Puzzleteile gemütlich. Wieso war da überhaupt ein Haufen? Vermutlich weil der Tisch drunter war. Allerdings nutzte alles nichts, ich grub mich umständlich aus und machte mich auf die Suche. Zuerst sah ich das Puzzleteilchen an, welches ich in der Hand hatte. Zumindest war das kein Eckstück, vorausgesetzt dass es hier überhaupt Eckstücke gibt. Kanten auf jeder Seite, paar Rundungen hier und dort - ha ha, wie im realen Leben. Fortuna nickte nur stumm, als sie meine Herangehensweise betrachtete. Dann suchte ich. In der Umgebung gab es alles mögliche, nur nicht das Richtige. Ich machte mehrere Schritte zur Seite. Fand weitere Kanten mit unpassenden Muster, immer und immer wieder. Bis ich aufhörte nach Form zu suchen und mehr auf die Schattierung achtete. Ich sammelte eine Handvoll Teilchen, die in etwa den entsprechenden Farbton hatten. Manche lagen gut sichtbar auf der Oberfläche, andere fanden sich rein zufällig indem ich hier und da etwas tiefer grub. Als ich genug sammelte versuchte ich, die Teilchen aneinander anzupassen. Doch entweder musste man zu viele Kanten brechen oder es entstanden Löcher. Je nach dem, welche Seiten ich aneinander legte, entstanden verschiedene Muster. Bis ich irgendwann nachdenklich meine:
-Das hier könnte passen...
Fortuna näherte sich und schaute es sich an. Es war kein perfekter Match. Einerseits ein paar Kanten, die sich überlappen. Kleine Löcher, hier und dort. Sie legte die Teilchen immer wieder anders zusammen und schaute sich genau an, wie die Kanten sich zueinander verhielten. Irgendwann nickte sie zustimmend und gab mir die zwei Teile wieder zurück.
- Und nun? - fragte ich schließlich.
- Nun weißt du, was zu tun ist. - eindringlich schautete mich die Göttin an. Plötzlich veranderte sich ihr Blick. Es stach etwas unglaublich weises und altes hervor, was gleichzeitig schon sehr lange müde war. Sie streckte sich und wuchs, bis sie mich um mehrere Köpfe überragte. Ihre Masse veränderte die Form. Aus den Schweinebacken wurde ein edles, leicht kantiges Gesicht und ihre Figur stimmte nun mit meinem Bild von griechischen Göttinen überein. Mit überraschend leiser Stimme fuhr sie fort - Zuerst sehe dich selber an. Lerne dich kennen, erkenne nicht nur deine Schwächen und Stärken, sondern auch Makken und Eigenheiten. Wenn du dies nicht erkennst wirst du auch niemals wissen, wonach es sich lohnt, Ausschau zu halten. Halte dich nicht an einer Stelle auf. Schau, mit welchen Menschen du dich wohl fühlst und lerne sie auf verschiedenen Ebenen kennen. Manche trifft man so, andere hingegen ganz unerwartet. Doch suche nicht nach der perfekten Passform. Sie würde dich bald langweilen. Die perfekte Passform ist wie eine Eckkante. Man kann zwei aneinanderbringen. Allerdings zeigt diese Form von beschränkten Denkvermögen. Es funktioniert zwischen zwei Menschen wie eine Art Schmierseife, indem es zwar für einen reibungslosen Kontakt sorgt, an sich allerdings keine Aussage hat. Und irgendwann passt es einfach.
- Und was ist deine Rolle? - fragte ich verwirrt - Bist du nicht der Schicksal?
- Ich bin der Schicksal von so vielen. Man kann sich entweder hinten in der Schlange anstellen, oder sein Schicksal selber in die Hand nehmen. Vielleicht mache ich dann den letzten Schliff. Und wenn man sich nicht ausruht, sieht der eigene Schicksal auch wesentlich anspruchsvoller aus. - Bei diesen Worten fuhr sie sich ellegant mit den Fingern durch die Haare. Fettig waren sie wie durch ein Wunder auch nicht mehr. Plötzlich schien sich ihre Gestalt nach und nach im Nebel aufzulösen. Verzweifelt schrie ich sie an:
- Und was soll ICH jetzt machen? Suchen? Sich finden lassen?
Die Gestalt war fast nicht mehr zu sehen. Ich vernam nur noch ein Flüstern: "Lerne dich kennen, gehe deinen Weg und halte die Augen dabei offen. Die Welt ist unendlich groß wenn du dich auf sie einläßt. Schreite einfach voran. Kein Stillstand...."



copyright © by Sasori. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


Fortuna?
ja, ja, wenn es nach puzzelteilen regnen würde, so würde manch einer sogar wahnsinnig werden. denn wer kann den schon in und aus sich heraus wühlen, suchen und finden?

Aber hey, nur eine gedankliche anregung.
stell dir vor, du hast nen puzzel aus tausenden von spiegelscherben. *fg*
das ist doch was. du musst dich dabei anschauen und nicht jeder kann sich sehen.

ich gehe lieber nach dem viva-la-vida-konzept. denn der rest erledigt sich von selbst. ob gewollt oder ungewollt. und und und...
Lidersuite - 10.11.2012 18:04
:)
jarwen - 10.11.2012 12:19
Wow
Angilein - 08.11.2012 16:28

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