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Stories » Detail

Gefangene Venus

von blackandwhite


<B><center>"Gefangene Venus"
oder
"Umwege"

</b>(Der Traum einer Nacht - durchgeschrieben um loszuwerden!)


<I>Liebe ist die teuflische Kralle,
dich unbemerkt zu vernichten!

- Stefan Schütz, aus „Medusa“ -</I></center>


I

Es ist ein lauer erdrückender Spätsommermorgen. Das Piepen der Uhr verkündet den Beginn der zehnten Stunde.
Danny saß am Fenster. Eigentlich hasst sie Zugfahrten - die Menschenmassen in den Großraumabteilen, die wild durcheinander sprechen; junge Männer, die viel zu laut auf ihrem Walkman Musik hören; das ständige Läuten von Handys und die alten Menschen, die über die lange Fahrt hinweg eingeschlafen sind und leise, monoton vor sich hin schnarchen.
Auf der anderen Seite liebt sie das Gefühl, zwischen zwei Phänomenen zu stehen. - Trotz dieser allgemeinen Unruhe um sich herum, fühlt sie tief in sich drinnen eine Ruhe, wie man sie nur selten erfährt. Sie wühlt auf und beruhigt zugleich.
Alles um Danny erschien ihr, als säße sie unbehelligt in einem kleinen alten Kino, ganz alleine, und schaut sich einen Film an. Es ist ein belebendes Gefühl, allem für die kurze Zeit einer Zugfahrt von A nach B zu entfliehen.Ein Gedanke schleicht sich kurz in ihre innere Gelassenheit. - Es ist schon erstaunlich, wie das Leben um einen herum existiert und sich in jedem Tier und jeder Pflanze widerspiegelt und man so im Alltag gefangen ist, daß man den Blick für diese Schönheit verliert. Sie fühlt sich plötzlich als ein unbedeutendes Glied eines wesentlich wichtigerem Ganzen.
Unverhofft greift eine große schwere Hand auf ihre Schulter und eine tiefe Stimme bittet energisch um ihre Fahrkarte. Erst jetzt merkte Danny, daß sie über ihre Gedanken eingeschlafen sein muss. Sie kramt in ihrer Tasche nach dem Fahrschein. Ein heilloses Chaos offenbart sich den Blicken des Schaffners. - „Verdammt, wo ist nur diese Karte?“ - schimpft sie leise vor sich hin. Vorbei ist es mit der Ruhe, die sie eben noch so genossen hatte.
Sie konnte den Schein einfach nicht finden. Über die Tasche hinweg sah sie nach dem Schaffner mit den großen Händen, die sie immer noch in Erstaunen versetzten.
Er sah nicht gerade so aus, als würde er gnädig mit ihr umgehen. Aber warum auch? Ihn nerven die Menschenmassen in den überfüllten Zugabteilen sicher genauso wie Danny.Leider hatte sie vor der Abfahrt vergessen, Geld zu holen. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als an der nächsten Station auszusteigen.
Eigentlich wollte sie in die hochgelobte große Stadt, um sie in einigen Jahren als Wissenschaftlerin schleunigst wieder zu verlassen. Sie weiß schon jetzt, daß sie sich alleine in einer fremden Stadt unwohl fühlen wird. Aber sie hegte auch die Hoffnung, daß sie hier die Chance hat, ihr Leben endlich nach ihren Vorstellungen zu gestalten, ohne Beeinflussung von sich ständig selbstüberschätzenden, sie pädagogisierenden ‚Freunden’.

II

Nun steht sie hier, an dem nur mit Mühe zu erkennenden Bahnhof in einer kleinen ihr unbekannten Stadt. Der Ort bildet ein buntes Wirrwarr aus alten fast verfallenen Häusern und liebevoll mit Akribie gepflegten kleinen und größeren Villen.
Sie überlegt kurz. Dann schmeißt sie die Tasche über ihre Schulter. - Bis zum Studienbeginn sind es noch ein paar Tage, also warum nicht gleich mit dem neuen Leben anfangen. Es wird sie keiner vermissen und es gibt auch niemanden, der sie erwartet.
Danny beschloss, einige Tage in dieser Stadt zu bleiben, die eine seltsam magische Anziehungskraft zu haben schien.Sie trat auf die Straße, welche schmal, lang und mit Kopfsteinen gepflastert war. - ‚Es wird ein langer, beschwerlicher Weg bis zu meinen Zielen.’ - dachte sie bei sich. Auf der anderen Straßenseite stand ein leicht weggeknickter Wegweiser, auf dem in vergilbten Buchstaben noch schwach die Worte ‚Zum Strand’ zu lesen waren. - ‚Ja, eine sehr gute Idee’. Sie schlenderte die Straße, die wohl die größte des Ortes zu sein schien, entlang. Ab und an fällt ihr Blick, der sonst starr auf das Pflaster gerichtet war, auf die Fassaden der unterschiedlichsten Häuser. Sie registriert sie, ohne sie wirklich wahrzunehmen. Es beschlich Danny ein unheimliches Gefühl. Sie hat den Eindruck, als lebte hier kein Mensch, als wäre die Stadt gerade von einer Seuche befallen worden, die alle dahinraffte.
Sie erreichte den Strand. Er bildete eine Art kleines Kap. Sie lief dem Wasser entgegen. Wild und ungestüm tollte sie herum, im Bewusstsein einer neu gewonnenen Freiheit. Plötzlich blieb sie stehen. Auch hier war niemand zu sehen. ‚Egal!’ - Sie hatte das Gefühl, daß hier der richtige Ort ist, um ihre Gedanken und Gefühle zu ordnen.Sie sah auf das Wasser, welches aus zwei verschiedenen Richtungen zu kommen schien und sich auf der Kapspitze traf. Es war ein Ort, an dem sich zwei gewaltige Kräfte zu einer einzigen energiegeladenen Masse vereinigten. Als Danny hier so am Strand saß und in die Weite des Meeres sah, ließ sie sich kurzzeitig in ein Nichts fallen. Alles erschien ihr so weit, wie das unbekannte Ufer auf der anderen Seite des Ozeans, und so klar, wie das Wasser, welches in seichten Wellen monoton dahinwandert und dessen Weg im Voraus schon klar aufgezeigt ist.
Es überkam sie das Gefühl von einer Freiheit, die bedingungslos ist. Auf der anderen Seite beschlich sie die Gewissheit, wenn sie es zu lange genießen würde, frisst sich die Sehnsucht stärker und stärker in ihr Fühlen und Denken hinein und greift sie an, wie der Virus einer Krankheit, für die es keine Medizin gibt. Es entstehen Träume, in deren Folge sie leicht die Grenzen zwischen Realität und Wünschen vermischen könnte.
Sie fühlt sich von der Natur überrannt und befreit sich aus ihrem klammernden Griff.

III

Sie ging forschen Schrittes zurück in die Stadt. Kurz vor dem Bahnhof erreichte sie eine Kreuzung. Mittlerweile stand die Sonne schon hoch im Zenit. Danny beschloss, den Seitenweg einzuschlagen. - Kleine Gassen verbergen oft die unglaublichsten Überraschungen.
In der Gasse standen kleine Häuschen mit Unmengen an Blumen in ihren Gärten. Irgendwie erinnerte sie dieser Anblick an glückliche Jahre im sicheren Schoß der Familie. Alles war so harmonisch und doch schien irgend etwas nicht zu stimmen. Sie war jedoch nicht in der Lage, dieses Gefühl näher zu definieren.
Sie kam erneut an eine Weggabelung. Auf der gegenüberliegenden Seite konnte sie ein großes Grundstück erkennen, welches von etwa zwei Meter hohen Büschen umgeben war. Danny spürte plötzlich einen Druck auf ihrer Kehle und dem Herzen. Sie musste auf diesen Besitz zugehen, nur so würde sie den Druck wieder los werden. Woher diese Erkenntnis kam, konnte sie nicht sagen.
Danny gehört eigentlich nicht zu den Menschen, die an nicht erklärbare Energien glaubte. Für sie musste alles eindeutig nachvollziehbar sein. In ihren Augen war die ständig zunehmende Sucht nach unerklärlichen Mächten nur ein Mittel, um aus der existierenden Orientierungslosigkeit der Massen in dieser Zeit zu fliehen. Für sie war dieser Ausweg jedoch zu einfach und nicht produktiv. Danny dachte kurz, daß es unmöglich ist, daß dieses Grundstück solch einen Einfluss auf sie haben kann, aber dann trieb sie zusätzlich ihre weibliche Neugier und ihre Intuition doch über die Straße.
Sie stand vor einem großen gusseisernen Tor, welches verschlossen schien. Danny fasste die breite, leicht angerostete Türklinke an, um es zu öffnen. Sie brauchte ihre ganze Kraft, um die Klinke hinunter zu drücken. Als sie dann jedoch das Tor aufstoßen wollte, öffnete es sich wie von Geisterhand.
Hinter den Büschen stieg das Gelände steil an. Es bildete eine riesige Wiesenfläche, durch die ein langer, zugewachsener Fahrweg auf die Hügelspitze zulief. Dort standen einige starke Eichen, die Danny nach ihrer Mächtigkeit auf mehrere hundert Jahre schätzte. Sie erschienen ihr wie dunkle Wächter. Aber was bewachten sie?Danny verharrte kurz in auf der Stelle und sah sich um. Erst jetzt bemerkte sie, daß um sie herum alles in eine dichte Nebelwand gehüllt war. Sie konnte sich nicht erklären, wo dieser Nebel herkam, denn kurz vorher trieb die Sonne ihr noch Schweißperlen auf die Stirn. Sie begann leicht zu frösteln. Ihr Blick ging zurück, aber das Tor war verschwunden. Nur noch Nebel umschloss sie.
Durch diesen Nebel zeigten ihr sich einige schemenhafte Umrisse. Sie ging langsam und vorsichtig in ihre Richtung. Dann konnte sie die Umrisse als Silhouette eines großen Gutshauses deuten. Je näher sie der Spitze der Anhöhe und somit auch dem Haus mit seinen Eichen kam, desto mehr lichtete sich der Nebel wieder.
Hinter dem Gutshaus verlief die Wiesenfläche weiter. Sie schlängelte sich bergab und zog sich endlos in den Horizont hinein. Es wirkte auf Danny, als hörte dieses Grundstück nie mehr auf, den auch links und rechts war kein Ende zu sehen. Es erstaunte sie, da sie von der Gasse aus gleich neben den Büschen mehrere Villen gesehen hatte. Hinter dieser Pflanzenwand jedoch gab es nichts weiter als Wiesen, das alte, große Haus und die Unendlichkeit.

IV

Danny betrat das Portal des Hauses, nachdem sie eine ausladende Treppe hinaufgegangen war.
Der Raum war achteckig und mit seltsamen Ornamenten verziert. Teufelsähnliche Figuren blickten auf sie herab. Die Deckenhöhe entsprach der gesamten Haushöhe. Direkt vor ihr erstreckten sich links und rechts zwei riesige Treppen, die jeweils in die Seiten des Gebäudes führten. Fünf Stockwerke zählte das Haus. Auf jeder einzelnen Etage gingen wiederum viele verzweigte kleine Treppen in die entlegensten Ecken dieses Bauwerkes, was als Dach ein verwinkeltes System von Türmen neben dem Hauptportal hatte.Auf Danny kam eine Gestalt zu. Ein leichter Kälteschauer durchfuhr ihren Körper. Alles wirkte auf sie vertraut und doch hatte sie nie etwas ähnliches gesehen oder erlebt. Ohne ein Wort zu verlieren, deutete ihr die Gestalt, ihr zu folgen.
Danny betrachtete sich ihren Führer. Es war ein Mann mittleren Alters, der in eine braune Kutte gehüllt war. Sein Kopf wurde von einer großen Kapuze fast gänzlich verdeckt. Oder war es eine Frau? Dieses Wesen schien keinem Geschlecht wirklich zu entsprechen.
Sie wurde über die ausladende Treppe, mit ihren viel zu hohen Marmorstufen, unters Dach geführt. Die Gestalt wies ihr den Weg, über einen kurzen, schmalen und niedrigen Flur hin zu einer Kammer und deutete ihr, daß sie hier nächtigen könnte.
Sie betrat den Raum. Er war niedrig und sehr spartanisch eingerichtet. Danny dachte kurz -‚warum nicht!’ - und sank auf dem Bett nieder. Eine plötzliche Erschöpfung hatte Besitz von ihr ergriffen. Im Einschlafen verlor sie noch einen Gedanken an die seltsamen Umstände ihres Hier seins und die etwas furchteinflößende Gestalt. In ihrer Rückblende hatte sie auf einmal das Gefühl, als wäre dieses Individuum nicht real gewesen. Das Nachdenken strengte sie sehr an und ihr Kopf wurde immer schwerer, gleich einer Waage, auf die man ein Gewicht nach dem anderen lädt.Sie versank in einen traumlosen Schlaf.

V

Erschöpft und mit Kopfschmerzen wachte sie am nächsten Morgen auf. Die Sonne kitzelte ihre Nasenspitze. Das Zimmer war von einem warmen Licht, das durch die staubigen Fenster schien, erfüllt.
Danny blieb eine Weile liegen und beobachtete, wie die Staubpartikel im Licht der Sonne auf und abstiegen. Sie liebte es, sich in solche kleinen Details ihrer Umgebung zu vertiefen. Die Bewegung in allem zu spüren, gab ihr ein sicheres Gefühl.
Langsam und mit Mühe quälte sie sich aus dem Bett. - ‚Einfach nur liegen bleiben können, ach wäre das schön!’ - Mit diesem Gedanken stand sie bereits in einer kleinen Zimmerecke vor dem Spiegel. Danny sah sich an und fragte sich, wie sie hier nur hergeraten konnte, denn nach und nach kamen ihr die seltsamen Umstände ihres Hier seins wieder in den Sinn. Unter dem Spiegel standen einige Waschutensilien und eine Schüssel, die ihr gestern gar nicht aufgefallen waren. Nach einem Stoß eiskaltem Wasser, welches in kleinen Tropfen von ihrer braun gebrannten Haut abperlte, fühlte sie sich endlich wieder etwas menschlicher.
Nach einem schnellen Kleiderwechsel öffnete sie die Zimmertür. Auf der gegenüberliegenden Seite des Flures stand eine Tür zu einem großen hellen Zimmer auf. Im Gegensatz zu ihrer Kammer erschien das Zimmer sauber und wie in einen Lichtkegel gehüllt. Sie blieb im Schatten ihres Raumes stehen und sah vorsichtig neugierig in den anderen Raum, der so gar nicht zu diesem Haus und seiner Umgebung passen wollte.
Auf einmal wurde der Lichtkegel von einem Schatten geteilt. Danny stockte der Atem. Der Schatten zeigte die Silhouette von zwei schlanken nicht enden wollenden Beinen, einer Hüfte und Taille, wie sie wohlgeformter nicht sein konnten,; zweier leichter Hügel, die Wärme und Zärtlichkeit verlangten und einem Kopf, dessen Gesicht von langem wallenden Haar fast verdeckt wurde. Diese Komposition des Lebens ließ in Danny eine heiße Lust aufsteigen. Sie wollte diese Schönheit aus der Nähe sehen, die sich von den Sonnenstrahlen küssen ließ. Sie trat aus ihrer Kammer heraus.
Plötzlich wich sie erschrocken zurück. Wie aus dem Nichts stand die Gestalt vom gestrigen Tag vor ihr und deutete ihr, sie möge ihr aus dem Haus auf die endlosen Wiesen folgen.
Danny folgte ihr, wie durch einen Zwang getrieben. Sie warf noch einen heimlichen Blick zurück zu dem Zimmer, wo sie eben ein Wunder gesehen hatte. Doch nun war die Tür geschlossen und Danny wurde mit ihren Träumen und geheimsten Wünschen allein gelassen.

VI

Über eine riesige Terrasse führte sie der Weg vor das Gutshaus. Eine Treppe, die denen im Haus ähnelte, verlief hinunter zu den weitläufigen grün leuchtenden Wiesenflächen, die sie schon am Vortag in Erstaunen versetzt hatten.
Danny blieb auf der untersten Stufe stehen. Sie genoss, wie die Sonne ihren Körper liebkoste und sanft ihre Nase kitzelte. Die frische Luft eines neu erwachten Tages sog sich in ihre Atemwege und befreite sie von aller inneren Last.
Aber den Anblick dieser wunderschönen Schattenfrau konnte nichts aus ihrem Gedächtnis löschen.
Erst jetzt bemerkte Danny, daß um sie herum ein reges Treiben herrschte. Die Menschen, die sie gestern noch vergeblich gesucht hatte, knieten verteilt auf der Wiesenfläche und schnitten mit akribischer Sorgfalt das Gras.
Auch ihr wurde eine kleine Sichel gereicht. Ihre erste Verwirrung ließ sie noch einen kurzen Augenblick verharren. Sie hatte das Gefühl, daß trotz dieser oberflächlichen Harmonie etwas ganz und gar nicht stimmte.
Ja, es fehlten die Geräusche!
Kein Vogel sang sein Morgenlied. Kein Windchen rauschte leise durch die Gräser und spielte sein wohlklingendes Lied; und auch die Menschen verloren keine Worte bei ihrer Arbeit. Sie sahen nicht einmal zu ihr auf, als sie sich durch das kniehohe Gras bewegte.
- ‚Träumte sie noch?’ -
Vorsichtig fuhr sie die scharfe, in der Sonne silbrig glänzende Klinge der Sichel entlang. Ihr tiefrotes Blut rann aus einem ihrer Finger. Sie spürte den stechenden Schmerz. -‚Nein, sie war hellwach.’ - Danny berührte mit ihren Lippen die Wunde und saugte das Blut auf. Dieser Geschmack nach Eisen gab ihr das Gefühl, daß sie Lebensenergie tankte.
Sie betrachtete sich die Gestalten, die hier so lautlos arbeiteten. Einige kamen ihr seltsam bekannt vor, aber sie konnte sie nicht deutlich einordnen. Alte, junge Männer, Frauen und Kinder arbeiteten hier gemeinsam. Alles war aufeinander eingespielt und wurde mit einem Perfektionismus erledigt, den sie nie zuvor gekannt hat. - ‚Wie am Fließband läuft das hier.’ - Aber wo ist das Glied in der Kette, welches ihr vorhin so die Sinne beraubt hatte? Oder war sie nur eine Imagination, welche aus ihrer Verwirrung ersponnen wurde?
Dannys Blicke schwebten suchend über die Fläche, als ein leichter innerer Ruck sie fast in die Knie zwang. Zwischen all diesen Menschen, die ihr mittlerweile irgendwie nicht real erschienen, saß ‚Sie’...
Es war, als umgab sie auch jetzt noch dieser schützende Lichtkegel, in den sie auch schon im Zimmer gehüllt war. Dannys Blick sog sich an diesem Wunder der Schöpfung fest. Die Schattensilhouette hatte nicht gelogen!
Diese Weiblichkeit; diese Zärtlichkeit, mit der sie jeden einzelnen Grashalm abzuschneiden und sich dabei für die Schmerzen die er erleiden muss entschuldigen zu schien; dieses gelockte, lange, schwarze Haar und dieses weit geschnittene, leicht fallende, weiße Kleid, welches sich straff um ihre vollen Brüste spannte...
Danny überkam sofort wieder dieses laue Gefühl. Sie musste bei dieser Frau sein. Sie musste sie aus der Nähe sehen. Sie wollte sie einfach berühren, spüren, ihren Duft in sich aufsaugen - sie lieben!
Vorsichtig und mit starker innerer Anspannung kniete sie sich neben die Erfüllung all ihrer Träume. Ihre beiden Gesichter arbeiteten eng nebeneinander. Danny schaute starr auf das Gras. Für einen Augenblick hat sie der Mut verlassen, diese Frau anzusehen. Doch ihre innere Sehnsucht überwand die Angst und langsam, zögernd hob sie den Kopf. Ihre Blicke glitten über das Kleid, daß trotz der Weite die klassische Gestalt einer Göttin erahnen ließ, aufwärts. Allmählich spürte sie ihren Herzschlag schon in der Kehle und selbst wenn sie die Kraft gehabt hätte, etwas zu sagen, wäre es ihr nicht gelungen.
Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn, als sie das tiefe Dekolleté des Kleides mit ihren Blicken erreichte und sah, wie sich der Brustkorb ruhig und kräftig hob und senkte, wobei das Kleid fast zu reißen drohte. Aber es geschah nicht! Auch dieses war so perfekt, wie alles um sie herum.
Danny errötete über ihre Vorstellungen und Wünsche. Daher trennte sie sich von ihrer Starrheit und studierte das leicht gebräunte Gesicht ihrer Angebeteten. Diese schwarzen Haare, die ihr die Sicht nahmen und die sie ab und an mit ihren schlanken aber kräftigen Fingern nach hinten warf, lagen jetzt über ihrer linken Gesichtshälfte und schienen mit der zarten Haut ein Rendezvous zu haben. Ihre Augen waren gleich zweier schwarzer Kohlen, die gütige Wärme geben konnten, aber auch leicht für größere Explosionen entflammbar sind. Und diese Lippen...’Es ist eine Sünde, sie ungeküsst zu lassen.’ - dachte Danny bei sich. Solchen Perfektionismus in menschlichen Zügen hatte sie nur einmal zuvor gesehen, als sie sich die Büste der Nofretete betrachtete. Aber das Objekt ihrer steigenden Begierde blickte nicht von der Arbeit auf.
Die ganze Atmosphäre schien sehr gespannt. Danny konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß eine Kraft oder Macht alles überwachte und einen Druck oder Zwang ausübte, ohne jemals direkt in Erscheinung zu treten. Sie war in jedem einzelnen hier tief verwurzelt.
Doch plötzlich spürte sie, daß der Atem neben ihr schneller wurde. Sie sah auf und erschrak., als sie diese Augen, die sie so gefesselt hatten, auf sie gerichtet sah.Hatte sie mit ihren intensiven Gefühlen den Bann gebrochen? Eine endlos lange Sekunde sahen sie sich einfach nur an. Dann traf sie ein schüchternes Lächeln.
Danny war von einem unbändigen Verlangen erfaßt. Sie wollte - ja sie musste sogar - dieses weibliche Wesen lieben, sie berühren und in sich aufsaugen. Es war fast wie ein festgelegtes Gesetz.
Mit einer ruhigen, fast hauchenden Stimme, über die sie bei ihrer Anspannung und Hoffnung selbst erstaunt war, hörte sie sich aus der Ferne sagen: „Ich will dich!“Sie sagte es zärtlich, aber doch fordernd. Die ‚Göttin in Weiß’ sah sie erschrocken an. Dann zuckte ein leichtes Lächeln über ihr Gesicht und sie wand sich schnell wieder ihrer Arbeit zu.
Danny wurde von einem Gefühl der Sicherheit und Gewissheit erfaßt, welches sie beruhigte. Mit diesem Gefühl im Herzen begann auch sie wieder das Gras zu schneiden.
Es war ihr völlig egal, daß sie eigentlich gar nicht wusste, was sie da tat und vor allem wofür oder für wen.

VII

Durch dieses Zusammenspiel der arbeitenden Menschen war die Wiese am späten Nachmittag abgemäht.
Danny ging auf ihr Zimmer, jedoch nicht ohne nochmals einen Blick auf die Frau zu werfen, die ihr bisher nur in ihren Träumen erschienen war, und jetzt in eine andere Richtung entschwand.
Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Alles kreiste um diese unbekannte Frau.
Am Fenster stehend betrachtete sie die starken Eichen mit ihren mächtigen Kronen. - ‚Wie viele Liebende werden sich wohl in ihrem Schutz schon getroffen haben?’
Diese saftigen grünen Blätter, wie sie noch im Einklang miteinander an ihren Ästen hängen, um ihr zu kurzes Dasein zu genießen, sich leicht im Wind zu wiegen und dankbar jeden Tropfen Wasser aufsaugen, den der Regen ihnen zum Geschenk macht.
In Träumen versunken, sah Danny durch das Blattwerk mit einem Mal diese liebgewonnene weiße Kleid im nun aufflauenden Wind wehen. Ohne lange zu überlegen, lief sie die Treppe hinunter und raus. - Hinaus, hin zu ihrer gefundenen Bestimmung.
Hinter einer Mauer aus kleinen Haselnussbüschen, unter dem Dach der Eichenkronen, stand ‚Sie’.
Steif, mit dem Rücken, der Danny seine Spitzen Schulterblätter offenbarte, zu ihr gewandt, stand sie da und sah durch ein kleines Loch im Blätterdach zum Himmel auf. Sie schien Danny nicht wahrzunehmen.
Danny sah sie vor sich stehen, in ihrer ganzen Schönheit, mit dieser schlanken, kraftvollen, unheimlich femininen Figur, die zu reißender Leidenschaft fähig sein musste.Der Wind rauschte jetzt lautstark durch die Wipfel der Bäume und erfasste auch ihr Kleid. Er machte den Eindruck, als wolle er sie brechen - sie in die Knie zwingen. Dieser Anblick machte Danny rasend. -‚Warum reagiert diese Frau nur nicht auf ihre Anwesenheit? Sie musste sie längst bemerkt haben!’ -
Dann tat sie etwas, wozu sie im alltäglichen Leben bisher nie den Mut hatte. Aber hier war nichts alltäglich!Sie wollte es jetzt wissen und von Begierde erfaßt, ging sie die letzten zwei Schritte an diese Frau heran, die immer noch wie eine Statur dastand. Danny umfasste vorsichtig und zärtlich, aber noch etwas zögernd - unsicher - ihre Taille.
Keine Reaktion!
Hatte Danny jedoch vorher den Eindruck, als dächte die andere über irgend etwas nach, so hatte sie jetzt vielmehr das Gefühl, als fehlte ihr nur der Mut, zu reagieren. Danny glitt mit ihren Händen von hinten hoch über die Brüste der Geliebten. Sie spürte, daß diese sich schnell auf und ab bewegten und eine innere Anspannung verrieten.
Zärtlich, aber kraftvoll fordernd, zog Danny sie an sich heran und lenkte ihren Körper sachte so, daß sie sich in die Augen sehen konnten.
In Dannys Augen musste sie das Feuer der Leidenschaft sehen. Sie jedoch betrachtete Danny mit leblosem Blick. Danny verharrte einen Moment.
Dann presste sie ihren Unterleib an den dieser Frau, die sie unbedingt erobern wollte. Beide sahen sich tief in die Augen, wo nun keine Kälte mehr zu überwinden war. Danny musste sich zwingen, nicht zu stürmisch zu sein. Dieses Knistern in den langsamen tiefen Gesten betäubte sie. Vorsichtig begann sie ihre Lippen über den Hals hin zu ihren Lippen gleiten zu lassen. Sie beneidete die Luft, die dieses Wesen ständig und überall berühren konnte. Als sich ihre Lippen trafen, blieb ein Mund fest verschlossen. Unbeirrt setzte Danny ihre Liebkosungen fort.
Sie wusste, daß sie kurz davor stand, diesen Bann zu brechen!
Sie bedeckte den ganzen Körper mit Küssen. Als sie zärtlich ihre Ohrläppchen mit ihrer Zunge streichelte, flüsterte sie: „Ich will dich in mir spüren. Ich muss dich lieben - jetzt und hier!“ -
Plötzlich schloss die Angebetete ihre Augen und erwiderte erst zaghaft, dann stürmisch, Dannys Küsse und Berührungen. Als sich ihre Lippen erneut trafen, verschmolzen sie zu einer Einheit und Danny hatte das Gefühl, als liefere sich die andere ihr völlig aus. Sie hielt ihre innere Unruhe weiter zurück und überflutete sie mit zärtlichen, langsamen Küssen, wobei sich beide eng umschlungen in das hohe Gras knieten.
Danny vergrub ihre Hand in den dunklen, weichen Haaren der anderen. Sie genoss den leichten Wind, der die orientalisch duftenden Haare in ihr Gesicht wehen ließ und dieses zärtlich umschlangen.
Danny drückte sie beide sanft in das Gras, was sie wie ein Daunenbett weich vergrub. Liebevoll und vorsichtig knöpfte sie das Kleid auf und zeigte der Natur ihre einmalig schöne Schöpfung. Eine Weile hielt sie inne und betrachtete sich dieses vollendete Meisterwerk. - Sie wollte kein einziges Detail jemals vergessen!
Sie umschlang mit dem einen Arm die Taille der anderen und mit der anderen Hand erforschte sie die Konturen und alle Geheimnisse ihres Körpers. Das weiße Kleid lag wie eine Decke über ihnen. Danny versuchte ihr in die Augen zu schauen, aber nun waren sie verschlossen. Ihren Kopf hatte sie nach hinten gelegt und ließ die Zärtlichkeiten von der Liebenden in sich einfließen und bedankte sich mit leisem kurzem Stöhnen.
Danny fühlte sich im siebenten Himmel und für alle in ihrem bisherigen Leben gemachten negativen Erfahrungen entschädigt.
Beide waren zu einem Ganzen verschmolzen und aus einer kleinen Flamme, die nur leicht geglimmt hatte, wurde ein riesiges Feuer der Leidenschaft und Lust.
Als Danny den sie lockenden Schoß mit ihren so begabten Fingern liebte und ihre Lippen fest auf die ihr geschenkten presste, hielt die Geliebte ihr plötzlich eine ihrer weichen Hände kraftvoll auf den Mund. Sie blickte an dem Körper der Liebenden vorbei. Ihr Gesicht, welches eben noch vor Ekstase leicht gebebt hatte, war wieder starr und ausdruckslos. Schnell und energisch befreite sie sich aus Dannys Umarmung, die anfangs noch versuchte, sie zurück zu halten. Sie stand auf und drehte der sie Liebenden den Rücken zu.
Sie spürte Dannys fragenden Blick auf sich gerichtet.Mit leiser Stimme fing sie an, zu sprechen. Es fiel ihr schwer, ihre Gefühle in Worte zu fassen, zumal diese Kraft, die Danny am Vormittag schon gespürt hatte, wohl wieder Besitz von ihr ergriffen hatte.
Danny erschrak, da ihr erst jetzt bewusst wurde, daß sie bisher nicht ein Wort gesagt hatte.
Die andere gestand ihr stockend, daß sie nie solch intensive Gefühlswallungen kennen gelernt hatte und daß es das erste Mal war, daß sich jemand so um sie bemüht und sie so umsorgt hatte. Doch trotz all dem wäre es unmöglich, diese Liaison weiterzuführen.
Mit verkrampftem Gesicht griff sie schnell nach ihrem Kleid, zog es wieder an und lief zum Haus, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Danny saß noch eine Weile verstört da und konnte nicht begreifen, was ihr diese sanfte Stimme eben klarmachen sollte.

VIII

Am Abend saßen alle in der Küche um einen wirklich riesigen Tisch herum. Danny hatte sich noch nicht von dieser einzigartigen Erfahrung und ihrem jähen Ende erholt. Unbeteiligt an der Mahlzeit dachte sie darüber nach, wie man wohl einen solch großen Tisch gebaut haben mag.Dann schritt auch ihre Angebetete durch die Tür. Sie setzte sich auf den einzigen freien Stuhl neben Danny, würdigte sie aber keines Blickes.
Während des Essens hatte Danny ständig das Gefühl, bewacht und gestraft zu werden, mit den Blicken der anderen. Sie empfand es als quälend, zumal sie dabei keiner direkt anzusehen schien. Sie fühlte sich als Störfaktor in einer bis dahin perfekt, vielleicht zu perfekt, organisierten Welt.
Sie blickte zur Seite, sah das Profil, die Beine, den Körper, das Gesicht, alles, was vorhin noch so unsagbar nahe war und jetzt unerreichbar weit weg schien.Als sie in das Gesicht der Frau sah, traf sie ein vorwurfsvoller Blick. Es war, als könne sie die aufsteigende Sehnsucht in Danny spüren und wollte sie mit aller Macht unterbinden.

IX

Danny wusste, daß ihre Liebe keine Zukunft hatte. - Hier nicht, unter dieser Macht, die alle beeinflusste; und auch draußen nicht, wo der Alltag alles zerstören würde und solch intensive Gefühle einen jeden kaputt spielen - verwundbar machen für die reale Welt.
Sie ging in ihre Kammer und packte ihre Sachen zusammen. Eigentlich mochte sie nicht gehen, denn diese Frau nicht mehr um sich zu haben, weiß sie, tötet ihr Gefühlsleben und macht es für sehr lange Zeit immun gegenüber eventuellen späteren Annäherungen.
Aber hier zu bleiben, war unmöglich, wo die Erfüllung ihrer Träume so fern trotz der Nähe war.
Sie verließ langsamen Schrittes das alte Haus, sah sich noch einmal um, um später nichts zu vergessen. Dann ging sie direkt auf das große gusseiserne Tor zu, wo gestern alles begann. Ihr fiel jeder Schritt schwer, aber sie zwang sich weiter zu laufen.
Auf einmal hatte sie wieder dieses warme, geborgene Gefühl in ihrem Herzen. Sie spürte, daß ihr diese ‚Göttin in Weiß’ folgte. - ‚Nur nicht umdrehen! Einfach weitergehen! Nur weg!’ -
Ein Arm riss sie jäh herum. Zwei liebevoll blickende schwarze Kohlen trafen Danny mitten ins Herz. Die Stimme, die sie vorhin noch erschrocken hatte, bat sie sanft, nicht so leicht aufzugeben und einfach zu gehen.
Sie setzten sich auf die Wiese. Ihre Blicke konnten sich nicht voneinander trennen. Jede berührte die andere in Gedanken nochmals wie am Nachmittag, als sie unter der Eiche lagen und geglaubt hatten, geschützt und geborgen zu sein. Danny fasste nochmals die Hand ihrer Geliebten, die leblos, verzweifelt und traurig vor ihr auf im Gras lag - ein Anblick, der Danny durchs Mark ging und einen seltsam brennenden Schmerz zurück ließ.
Ihr Blick klammerte sich an die umschlungenen Hände.Danny versuchte ruhig zu bleiben, aber als sie anfing zu reden, bebte ihre Stimme. Tränen schossen ihr in die Augen. Sie erklärte dieser Frau, die sie am Morgen zum ersten Mal als Schattensilhouette geliebt hatte, daß es für sie unmöglich wäre, hier zu bleiben und gegen die hier herrschenden Kräfte anzukämpfen. Ungläubig, verständnislos sah die andere sie an.
Woher sollte sie auch wissen, was Danny meinte. Sie lebt hier und wer weiß, wie lange schon. Sie ist den unheimlichen Mächten oder Kräften ausgeliefert und kann nicht mehr sehen, was Danny hier sah und spürte. Die Mächte hatte sie schon einverleibt.
Sie versuchte ihr zu verstehen zu geben, daß sie sich unsterblich in sie verliebt hatte aber es einfach nicht ertragen würde, unter diesen Bedingungen weiter hier zu bleiben. Auch wäre es unmöglich sie einfach mit hinaus zu nehmen. - ‚So wäre es für beide das beste! Danny wurde gehen und versuchen, ein neues, anderes Leben - ohne sie - auf zu bauen.’
‚Welch’ Ironie des Schicksals, denn eigentlich hatte sie gehofft, hier einen ersten Schritt zu machen und nicht einen, der auch gleich wieder der letzte in eine Richtung war!’
Die andere Frau sah Danny immer noch lächelnd an, aber hinter ihrer Fassade konnte sie auch die Traurigkeit und Hilflosigkeit erkennen, die sich wie ein schwarzes Loch ausbreitete.
Danny entzog sich und ihrer Liebe den letzten Anker, der noch alles hielt, indem sie ihre Hände zurückzog und aufstand.

X

Sie lief schnell durch das große Tor hinaus auf die Gasse. Danny wusste, daß die andere blutleer und verstört sitzen geblieben war und ihr nachsah. Sie konnte ihr nicht folgen!Ihr Laufen wurde zu einem Rennen. - ‚Nur weg!’ - Erst als sie auch noch ihre letzten Kräfte verließen, blieb sie stehen.
Sie sah sich um. Wieder diese gepflegten Villen im Wechsel mit Abrisshäusern. Wieder diese Fenster, hinter denen niemand stand. Wieder diese Autos, die parkten, als stehen sie in einem Autohaus zum Verkauf. Wieder diese Baumallee, in der kein Vogel singt.
- ‚Wieder allein! - Nein!’ -
Aufgeben, das hat Danny schon zu oft getan. Diesmal kann und darf sie es nicht tun.
Wenn sie jetzt kapituliert, wird sie es immer wieder tun! Aber sie will leben, genießen, glücklich und erfüllt sein!Sie dreht sich um, lässt die Gasse hinter sich und läuft zurück zum alten Gutshaus. Auf dem Grundstück stieg wieder dieser Nebel auf und hüllte ihre Beine ein, wollte sie bremsen und abhalten voran zu kommen. Aber sie kämpfte. Sie riss die Tür auf und stand wieder im Portal.
Draußen ist die Sonne bereits untergegangen. Der Himmel brannte blutrot.
Sie glaubte Schreie zu hören, die aus allen Richtungen auf sie einstürmten. Eine Gänsehaut bildete sich auf ihren Armen und sie begann zu frösteln.
Sie lief durch mehrere Räume des Hauses, aber niemand war anwesend, nur diese Schreie waren überall - schienen sie zu verfolgen.
- ‚Wo sind sie alle hin?’ - Danny stand vor einer großen hölzernen Flügeltür, als sie dahinter Geräusche hörte, die sich deutlich von den Schreien unterschieden. Sie trat in den Raum.
Es war eine riesige Bibliothek. Der Raum war überdurchschnittlich hoch. Es roch nach altem muffigen Papier. Aber auch hier war niemand zu sehen. ‚Welch’ enormes Wissen hier gesammelt wurde! - Von wem? - Für wen? - Wer solches Wissen hat, kann doch nicht so ungerecht und selbstherrlich sein! Oder gerade?’
Sich noch mit dieser Frage befassend ging sie zügig durch die Bücherreihen. Als sie um eine Ecke bog, stand wie aus dem Nichts gekommen, diese unheimliche Gestalt vor ihr. Nach einem kurzen Schreckmoment besann sie sich wieder ihres Zieles und fragte energisch nach ihrer Freundin.
Die Gestalt schwieg, um dann in ein schallendes Gelächter zu verfallen. Es klang höhnisch und schwoll im ganzen Gebäude zu einem erdbebenartigen Raunen an.
Danny ergriff die Gestalt und schüttelte sie. Plötzlich sank diese in sich zusammen und Danny hielt nur noch eine leere Kutte in der Hand. Sie warf sie weg und verließ schnellen Schrittes, fast wieder rennend, die Bibliothek, verschloss die Tür und ließ sich gegen sie fallen.
Alles war schlagartig still.
Vor Erschöpfung und trauriger Wut über den missglückten Versuch, ihre Liebe wieder zu finden, glitt sie auf den Boden.
Eine Träne rann ihre Wange hinunter, die leicht gerötet war. Danny fing sie mit ihrer Hand auf und betrachtete sie. Im Licht der untergegangenen Sonne schimmerte sie wie Blut.Sie überlegte, was sie jetzt tun könne., als ihr einfiel, daß sie an die einfachste Lösung noch nicht gedacht hatte. Sie stand auf und lief die Treppe zu ihrem kleinen Flur hinauf. Stumm versuchten die teufelsähnlichen Figuren nach ihr zu greifen und sie aufzuhalten.
Sie wand sich an ihnen vorbei und erreichte die oberste Etage.
Die Tür des hellen sauberen Zimmers war verschlossen. Danny öffnete zögernd die Tür und betrat den Raum.
Linker Hand stand eine altrosafarbene Kommode mit einem großen Schminkspiegel darüber. Geradezu stand ein Waschtisch mit einer Schale und einer Kanne Wasser. Sie trat aus dem Türschatten hervor und sah rechts neben sich ein Himmelbett. Es war, wie der Rest des Zimmers, in rosa gehalten und glich dem Stil vergangener Jahrhunderte.Auf dem Bett waren viele weiche Kissen liebevoll angeordnet. Die Decke war leicht zerwühlt, als habe da gerade eben noch jemand gelegen.
Danny ging auf das Bett zu. -‚Es ist leer! Es ist leer!’ -Mit diesem so enttäuschenden Gedanken sank sie nieder. Sie vergrub ihr Gesicht in die Decke, sog den Duft der Weiblichkeit und der Leidenschaft, die sie mit dieser ‚Göttin in Weiß’ erlebt hatte, auf und wurde vor Erschöpfung und Leid ohnmächtig.
- ‚Ich weiß noch nicht einmal ihren Namen!’ - waren ihre letzten Gedanken...



copyright © by blackandwhite. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


danke...
ich möchte mich bei euch bedanken...was war ich wohl nur für ein narr, mich vorher nicht zu trauen, geschriebenes von mir an euch weiter zu geben, gar seit einiger zeit den mut zum schreiben ganz verloren zu haben...irgendwo im grau des alltags und den glücklichen momenten dazwischen vergaß ich dieses gefühl des schreibens...
es ist wieder da, dank euch!
blackandwhite - 15.09.2003 01:41
geangene venus
jassi0211 - 07.09.2003 03:51
unglaublich!!!
aber_hallo - 07.09.2003 03:04
Ich bin sprachlos...
lucky-s - 06.09.2003 22:17
*verneigz*
Tacheless - 25.08.2003 11:53

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