von traum_zeit
Plötzlich bemerkte Alex, wie eine einzelne Träne auf Bettinas Wange glitzerte.Besorgt fragte sie, was denn los sei, doch Bettina schüttelte nur stumm den Kopf.
„Du würdest es doch nicht verstehen! So wie es keiner versteht!“
Während sie das sagte hatte sich Alex einen Stuhl genommen und neben Bettina gesetzt.
Vorsichtig legte sie ihr einen Arm um die Schulter und sagte leise: „Versuchs doch mal. Oft kann ich mehr verstehen, als die Leute glauben.“
Dabei blickte sie Bettina direkt in die Augen und musste feststellen, dass sie sogar dann wunderschön waren, wenn Tränen aus ihnen flossen.
Doch für Alex war klar, dass diese Augen zum Strahlen und nicht zum Weinen gemacht waren.
Zaghaft lehne Bettina ihren Kopf gegen Alex’ Schulter und begann leise zu weinen.Immer mehr Tränen rannen ihre Wangen entlang auf ihre Lippen, von wo sie auf Alex Schulter tropften.
Alex ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie am liebsten jede einzelne Träne aus Bettinas Gesicht geküsst hätte.
Schließlich wischte sie sie vorsichtig mit ihren Daumen weg und strich Bettina liebevoll übers Haar.
Bettina durchbrach die Stille, als sie fast im Flüsterton erzählte: „Ich war bis vor kurzem glücklich mit meiner Freundin, doch als bei ihre unheilbarer Krebs diagnostiziert wurde, nahm sie sich selbst das Leben. Für mich brach die Welt zusammen, denn sie war meine große Liebe. Sie war einfach alles für mich. Und plötzlich stehe ich ohne sie da. Sie hat mich einfach allein gelassen. Ich dachte, ich würde es nicht mehr schaffen. Ich war total verzweifelt und wusste nicht mehr weiter. Ich weiß nicht, aber ich glaube, wenn ich die volle Unterstützung meiner Freunde nicht gehabt hätte, wäre ich zu ihr gegangen.
So aber habe ich beschlossen, alles hinter mir zu lassen und hier ein neues Leben anzufangen.
Hier wo mich keiner kennt und wo ich ohne Vorurteile leben kann.
Damals behaupteten viele, ich sei schuld an ihrem Tod. Heute weiß ich auch nicht mehr warum, aber manchmal habe ich es ihnen sogar geglaubt.
Trotzdem holt mich die Erinnerung manchmal noch ein und glaub mir, es tut verdammt weh.“
Dabei rannen wieder Tränen über ihr Gesicht.
Alex konnte nicht glauben, was sie hörte.
Einerseits machte sie die Geschichte traurig, aber andererseits war sie auch überglücklich zu hören, dass ihre Nachbarin auch lesbisch war.
„Entschuldige, dass ich dir hier die Ohren vollgejammert habe. Nur irgendwie…ach ich weiß auch nicht warum hab ich die gleich vertraut und…Ich glaube, es ist besser wenn ich jetzt gehe“
Als Bettina aufstand, griff Alex nach ihrem Arm und hielt sie fest: „Hey, du musst dich doch nicht entschuldigen!! Ich höre gerne zu und ich kann dich besser verstehen als du glaubst.
Meine Freundin hat mich auch verlassen und ich dachte, ich komm ohne sie nicht mehr weiter!“ widersprach Alex.
Bettina starrte sie mit großen Augen an, brachte jedoch keinen Ton hervor. Sie umarmte Alex nur kurz und verließ rasch das Haus.
Lange nachdem sie gegangen war, dachte Alex noch immer über sie nach.
Ganz deutlich sah sie ihre Augen, ihr Lächeln und ihre Tränen vor sich.
Ihre Gedanken kreisten nur noch um Bettina. War sie wirklich am Weg, sich in diese Frau zu verlieben? Aber sie kannte sie doch erst seit 2 Stunden!
Wie schaffte sie es bloß, ihr so den Kopf zu verdrehen?
Die Gedanken schwirrten wie wild durch ihren Kopf und ließen ihr keine Ruhe.
Aber eines wusste sie genau. Sie wollte für Bettina da sein, falls sie jemanden zum reden brauchen würde und sie wollte unbedingt wieder mit ihr zusammen sein und sei es nur, um zu reden.
Den übrigen Tag ereignete sich nichts Berauschendes mehr und so schaffte Alex es auch wieder einen halbwegs klaren Kopf zu bekommen.
Nur ihre Mutter fragte am Abend, als sie kurz alleine waren, was los sei.
Sie war die einzige Person, der sie nichts vormachen konnte.
Nachdem Alex aber nicht wusste, ob es Bettina überhaupt recht wäre, hätte sie von ihr erzählt, begnügte sich Alex damit zu sagen, dass sich die neue Nachbarin vorgestellt hatte.
Das es allein das gewesen sein wollte, nahm ihr ihre Mutter zwar nicht ab, aber sie fragte auch nicht weiter nach. Wahrscheinlich spürte sie, dass ihre Tochter keine große Lust hatte darüber zu reden.
Als Alex abends in ihrem Bett lag, starrte sie zur Decke und dachte wieder an Bettina.Wie gern hätte sie ihr doch aus ihrer Trauer und ihrem Schmerz herausgeholfen, doch wusste sie nicht wie. Es machte sie fast wahnsinnig, eine so wundervolle Frau so leiden zu sehen.
Deshalb beschloss sie, Bettina morgen einen Besuch abzustatten, um sie ein bisschen aufzuheitern.
Mit diesem Gedanken schlief sie ein.
Am nächsten morgen, schien schon die Sonne beim Fenster herein und traf Alex genau auf der Nase.
Sie blickte auf die Uhr auf ihrem Nachkästchen und stellte zufrieden fest, dass es schon nach neun war und sie nun Bettina ohne Angst sie zu wecken besuchen konnte.
Zumindest hoffte sie es.
Gesagt getan, schnell war sie fertig, trank noch einen Muntermacher-Kaffee und ging aus dem Haus.
Als sie vor Bettinas Gartentor stand, war sie so nervös wie schon lange nicht mehr und ihr Finger zitterte, als sie ihn nach der Glocke streckte. Zaghaft drückte sie diese und hörte im Inneren des Hauses ein Klingeln.
Nach einiger Zeit wurde die Haustür aufgeschlossen und Bettina kam um die Ecke.
„Morgen! Ich dachte mir mal, ich schau lieber noch bei dir vorbei. Geht’s dir heute ein bisschen besser als gestern. Warst ja ziemlich durch den Wind?!“ erkundigte sich Alex fürsorglich.
„Guten Morgen. Danke für deinen Besuch! Ja, es geht wieder einigermaßen. Magst du einen Sprung reinkommen? Bin zwar schon mit frühstücken fertig, aber wenn du trotzdem willst…komm rein!“ erwiderte Bettina.
Das ließ sich Alex nicht zweimal sagen. Sie folge Bettina ins Haus und nahm auf einem Sessel im Wohnzimmer platz.
„Entschuldige bitte, aber es sind noch nicht alle Möbel da. Hoffe du sitzt auch so einigermaßen bequem. Ich bin nämlich schon froh, dass es hier herinnen endlich wieder bewohnbar aussieht.“, entschuldigte sich ihre Gastgeberin.
„Keine Ursache, es kommt doch auf die Gesellschaft an, ob man sich wohl fühlt und nicht auf irgendwelche blöden Möbel. Und ich fühl mich hier sehr wohl“, erwiderte Alex verschmitzt.
Nach diesem Satz wusste keine der beiden, was sie sagen sollte und im Nachhinein, hätte sich Alex am liebsten in den Hintern gebissen.
Warum musste sie auch immer so vorlaut sein?
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traum_zeit. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.