Herzstillstand

von jules007


Herzstillstand
by Jule

Ich sehe mich ein letztes Mal um. Dieser Raum wirkt plötzlich so steril. War er doch sonst von Liebe und Gelächter erfüllt. Doch plötzlich ist es ganz still.
Ich schreite zum Fenster. Blicke auf die überfüllte Straße. Die Straße, auf der ich sie ein letztes Mal gesehen habe. Die Erinnerung kriecht in mir empor. Umschließt mit ihren kalten Fingern meine Kehle.

Es war ein sonniger Tag. Frühling. Und ich war verliebt, wie nie zuvor. Verliebt in Jamie. Unnahbare Rebellin. Herzensbrecherin. Träumerin. Traumfrau.
Wir waren schon eine ganze Weile ein Paar. Elf Monate – mein persönlicher Rekord. Sie hat mir gezeigt, wie es sich anfühlt verliebt zu sein. Glücklich zu sein.

Ich wende mich dem Fenster ab. Eine stumme Träne läuft an meiner Wange herunter. Ich atme tief durch. Versuche gegen die Erinnerungen zu kämpfen. Ein Kampf, indem ich niemals Sieger sein werde. Langsam lasse ich mich auf das Sofa sinken. Ihr Geruch steigt mir in die Nase.

Ich sehe die Bilder wieder vor mir. Hier haben wir gelebt. Unsere erste gemeinsame Wohnung. Alt wollten wir hier werden. Jamie hatte sich sofort in diese Wohnung verliebt. Ich auch. Sofort haben wir uns hier zu Hause gefühlt. Kuschelabende auf diesem Sofa standen täglich an. Intensive Küsse. Oft legte sie ihren Kopf auf meinen Schoß. Blickte mich mit ihren dunkelblauen, warmen Augen an. Schwor mir, dass sie nur mich liebte. Immer hatte sie ein Lächeln auf den Lippen.
Worte brauchten wir meist nicht, um uns zu verständigen. Wir wussten was die Andere dachte. Was sie fühlte.

Ich streiche über die Polster. Nie wieder werde ich ihr so nah sein. Nie. Nie wieder werde ich durch das schwarze, kräftige Haar streichen. Nie wieder den schlanken, durchtrainierten Körper berühren. Nie wieder das herzliche Lachen hören. Nie wieder ihre Lippen spüren.
Mein Herz beginnt zu rasen. Es schmerzt. Schmerzt vor Sehnsucht.
Noch ein letztes mal gleitet mein Blick zum Fenster.

Auf dieser Straße habe ich sie verloren. Sie wollte einkaufen. Sekt. Wir wollten auf ihren neuen Job anstoßen.
Ich stand an diesem Fenster. Habe sie beobachtet. Sie blickte zu mir auf. Winkte mir fröhlich zu. Lächelte. Und dann...dann kam dieser LKW... Ich war plötzlich ganz starr. Wollte ich doch zu ihr. Aber meine Beine bewegten sich nicht.
Erst eine Ewigkeit später konnte ich mich rühren. Ein Krankenwagen war bereits eingetroffen. Viele Menschen standen dort. Begutachteten den riesigen Blutfleck. Alle starrten sie nur.
Ich rannte auf die Sanitäter zu. Wollte meine Jamie sehen. Ihre Hand halten. Bei ihr sein. Doch sie ließen mich nicht zu ihr.
Der Notarzt schritt auf mich zu. Umfasste meine Schulter. Den Ausdruck seiner Augen werde ich nie vergessen. Sie ist von uns gegangen.
Von diesem Moment an weiß ich nichts mehr. Ich bin zusammengebrochen.
Erst im Krankenhaus bin ich wieder zu mir gekommen. Ich betete, dass alles nur ein schlechter Traum war, doch Jamie tauchte nicht auf.

Ich gehe zur Tür. Mein Blickt durchstreift diese Wohnung ein letztes Mal. Ja. Hier war ich glücklich. Hier war mein Leben. Hier war meine Liebe. All das hat sie mit sich genommen...
Ich wische meine Tränen weg. Sauge die salzige Flüssigkeit ein. Alles was bleibt ist der Schmerz. Der Schmerz des Verlustes.
Meine geliebte Jamie...