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In den Abgrund gestoßen

von LoveKills


In den Abgrund gestoßen

7. September 2006


Es war ein Tag im Sommer. Ich hatte, wie immer, nichts Besseres zu tun, als vor dem PC zu sitzen und zu chatten. Und genau an diesem Sommertag begann das ganze Schlammassel, an das ich jetzt noch sehr oft denken muss, allerdings nicht mehr mit der Folge, haltlos in Tränen aus zu brechen.
Bekannt ist, dass man in einem Chatroom alle möglichen Menschen, aus jeder möglichen Stadt kennen lernt. So auch bei mir.
Ich hatte mich damals mit jemandem aus diesem Chat gestritten. Ein junger Mann, damals um die 22 Jahre alt, hatte mir geholfen. Wir kamen ins Gespräch. Haben über alles nur Mögliche geredet. Was genau diese Themen waren, ich kann mich kaum noch daran erinnern. Und dennoch hat es gut getan, mit jemandem darüber reden zu können. Ich hatte damals einfach eine schwere Zeit. Mobbing in der Schule, meine Eltern, die mich nicht verstanden haben, weil ich nicht wollte, dass sie mich verstehen, alles abhängig von drei Mädels der Schule damals, die nichts besseres zu tun gehabt haben, als mich zu beschimpfen. ´Satanisten Schlampe´, ´Satanistin´ und solche Dinge. Da hat es gut getan, sich einfach mit jemandem aussprechen zu können, der früher in fast derselben Situation gewesen war.
Ich, naiv wie ich mit meinen süßen 14 war, habe natürlich steif und fest behauptet und mir eingeredet, dass mir dieser jung Mann gut tut. Weit gefehlt. Allerdings habe ich das erst zu einem weitaus späteren Zeitpunkt erfahren, als es eigentlich schon fast zu spät war.
Aber alles der Reihe nach.
Der Kontakt zu Leroy, auch genannt Asthi, war hergestellt.
Briefe, so oft es nur ging. Seiten lang. Der längste meiner Briefe ging über 6 A4 Seiten, doppelzeilig geschrieben. Und ebenso lange Schreiben kamen zurück. Mit sehr persönlichen Dingen. Aber das meiste habe ich über das Telefon erfahren. Ja, selbst davor haben wir uns nicht gescheut.
Das erste Telefonat, daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. Es war bei einem Radrennen in München. Unserem aller ersten 24-h-race vor vier Jahren. Mein Handy hat geklingelt. Ich ging ran, hatte nicht auf die Nummer geachtet. Da war er dran. Diese Stimme wird mir niemals aus dem Kopf gehen. So jünglich, als würde ich mit einem kleinen Jungen sprechen und dennoch mit einer Intensität in den Worten, die mich eingelullt haben. Fröhlich und dennoch mit einem gewissen Touch an Melancholie.
Er hatte mich gefragt, ob ich ihn angerufen hätte. Nein, hatte ich ihm geantwortet. Mittlerweile denke ich, dass es vielleicht nur ein Vorwand war, noch weiter zu mir vor zu dringen. Mich weiter von innen heraus zu zerstören. Doch damals war von solchen Zweifeln gar nicht erst die Rede. Für mich war es heile Welt, habe alles irgendwie durch eine rosarote Brille gesehen.
Nach diesem kurzen Gespräch bin ich nach Hause gegangen. Auf dem Weg haben wir SMS geschrieben und keine 15 Minuten später hing ich am Telefon, hab mit Leroy telefoniert. Zwei Stunden. Ich war nicht einmal aufgeregt, habe es für eine Selbstverständlichkeit gehalten. Die Telefonate führten wir oft. Meist war ich es, die angerufen hat. Zwei Stunden, alle zwei Tage und die Telefonrechnung sah dementsprechend aus. Über 170€ und der Anschiss war natürlich vorprogrammiert, aber ich wollte mir nichts sagen lassen. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, hätte ich es tun sollen.
Wir haben gelacht sogar zusammen geweint. Ich habe mehr von ihm erfahren. Je länger wir uns kannten, je mehr habe ich von ihm erfahren. Vergewaltigungen vom eigenen Vater, Selbstmordversuche, die Liebe zu seinem besten Freund (Micha) und die Leidenschaft zu Vampiren. Ja, selbst dementsprechende Zähne hatte er.
Je öfter wir miteinander sprachen, desto weiter drang er vor. Desto weiter schlich er sich in meine Seele in mein Herz. Ich hab ihn wie einen Bruder angesehen. Habe ihn auf diese bestimmte Art und Weise geliebt. Eine Liebe, die wirklich blind gemacht hat.
Es war etwa ein Jahr später, als ich in Kroatien war. Ich hatte ihn angerufen. Es war um neun Uhr Abends, etwa. Was habe ich erfahren? Dass sein Jüngster an einer Lungenentzündung gestorben sei. Mit neun Monaten. Man konnte sich denken, was das in mir ausgelöst hat. Ich habe geheult wie ein Schlosshund. Wusste weder mir noch ihm zu helfen und meine Tante konnte nichts anderes tun, als mir zu sagen, ich solle ihnen den Urlaub nicht verderben. Super, ein Streit war vorprogrammiert. Mein Block war mein Begleiter und ich habe geschrieben. Einen Text, genau über dieses Thema. Mir ging es besser. Doch nicht sonderlich lange.
Ich war wieder zu Hause. Wann genau es war, als ich diese Nachricht erhalten hatte, ich wusste es nicht mehr. Es war ungefähr vor zweieinhalb Jahren. Die Tage, Wochen und Monate sind oftmals Dinge vorgefallen, die mich weiter, immer weiter irgendwo in den schwarzen Abgrund einer jeden Seele getrieben haben.
Eine dieser Nachrichten kam auch irgendwann in einem Sommer, oder war es doch schon Herbst wo es nur sehr warm war? Ich weis es nicht mehr. Fast schon flehend hatte er in den Hörer gerufen, dass sein Vater in der Nähe wäre. Er Angst hätte, wieder einen Übergriff erleben zu müssen. Ich versuchte ihn zu beruhigen, es gelang mir, doch die nächste Nachricht von seiner besten Freundin, Leni, war nicht weniger erschreckend.
Wieder ein Selbstmordversuch, der gerade eben noch vereitelt werden konnte. Er hatte springen wollen, vom Balkon. Leni konnte ihn damals noch zurückhalten.
Doch das heftigste kam erst noch. Ich war im Fichtelgebirge mit meiner Mutter und einer Bekannten. Ich wusste, dass etwas nicht ganz in Ordnung war. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass er im Krankenhaus gelegen hatte. Sich darüber beschwert hatte, dass man ihm seinen Schmuck genommen und die Fingernägel gestutzt hatte. Wieder wegen eines Suizidversuches? Ich weis es nicht mehr. Ich hatte ihn angerufen, mich normal mit ihm unterhalten und keine paar Monate später bekam ich wieder eine Nachricht. Leni war es diesmal, die mich angerufen hatte.
Leroy läge im Koma. Auf die Frage, wie es gekommen war, antwortete sie mir, dass er sich einen Kopfschuss verpasst hatte. Kuss, der Freund Lenis, war dabei gewesen. Hatte ihn nicht aufhalten könne. Der Grund dieses Schusses? Die Vorfälle hatten sich überschlagen, Jassi, eine damalige Freundin hatte ihn noch weiter fertig gemacht. Immer drauf in die Wunden rein.
Erst da, kamen mir die ersten Zweifel. Und als mir dann nach einer Woche berichtet wurde, er wäre aufgewacht und es wäre alles in Ordnung, war es für mich eigentlich fast klar, obwohl ich es immer noch nicht hatte glauben wollen.
Die Zweifel in meinem Hirn hatten diese Gestalt: Man kann einen Kopfschuss nicht überleben, würde man ihn überleben und ins Koma fallen, würde man nicht aufwachen, sollte man doch aufwachen, würde man schwerwiegende Verletzungen am Hirn haben, also wäre nichts in Ordnung. Wahrscheinlich währe das Sprachzentrum, irgendetwas, vollkommen zerstört gewesen.
Kurz vor den Sommerferien hatte meine Mom, sie wusste jetzt das mit dem Mobbing in der Schule, die Nase voll. Sie hat mich mit zur Kriminalpolizei gezerrt. Ja, zur Kripo, unter dem Vorwand, wegen des Mobbings etwas zu unternehmen. Das hat Herr Breuer sogar gemacht, ja, das Mobbing hatte, einen Tag vor den Sommerferien, sein endgültiges Ende gefunden. Doch was mich etwas irritiert hatte die Fragen des Beamten. Wegen Leroy. Hauptsächlich wegen diesem Menschen.
Ich war eigentlich dagegen, dass sie die ganze Geschichte überprüften. War dem gegenüber skeptisch und habe dem dennoch zugestimmt unter der Bedingung, die Polizei würde nicht vor seiner Türe auftauchen. Ich hatte falsch gelegen, denn sie war dennoch bei ihnen aufgetaucht, wie ich nach einem Gespräch mit Leni erfahren hatte.
Die Kripo hatte Dinge herausgefunden, die ich in meinem Leben niemals geglaubt hätte, hätte man es mir vor diesem einen Ereignis gesagt.
Kein einziges Krankenhaus hatte eine Suizid Einlieferung gehabt. Im Umkreis von Cottbus oder Berlin. Kein einziges Krankenhaus! Denn diese Einrichtungen mussten solche Fälle der Polizei melden, doch das ist nie geschehen.
Dieser Kopfschuss war nie passiert! Eine Lüge, die mir die nächsten zwei Jahre im Magen liegen würde.
Ich war am Boden zerstört. Wütend. Meine Mutter hat mich versucht aufzubauen. Außen hin war es ihr gelungen. Mehr oder weniger, doch innerlich herrschte eine Wut, auf Leroy, auf mich selbst, dass ich ihm vertraut und ihm so viel gegeben hatte.
Ich brach den Kontakt von einem Moment auf den anderen ab. Ich habe noch zwei Briefe bekommen. Ein paar Fotos, von der Hochzeit Leroys mit Ronny. Ich hätte mich für sie gefreut, wären diese Ereignisse nicht noch so frisch gewesen. Meine Mutter hatte sie weggeworfen, mit meinem Einverständnis. Wir lachten darüber. Und dennoch innerlich war alles wieder aufgewühlt.
Ich wurde zwei Jahre lang nicht glücklich mit diesen Geschehnissen. Habe nur zu oft mit Rasierklingen an meinen Armen herumgespielt. Hatte Tabletten in Aussicht. Hätte meinem Leben, nur wegen diesem Menschen, ein Ende gesetzt. Freiwillig. Doch zum Glück kam dann diese junge Frau in mein Leben, die das Ganze umgekrempelt hat. Mich unterstützt und mich aufgebaut hat. Mich beschützt hat. Mir wieder einen Sinn im Leben gegeben hat.

Selbst heute noch gehen mir diese Geschehnisse, die Telefonate und manche Worte nicht mehr aus dem Kopf. Dieser Mann hat mich geprägt. Diese zwei Jahre haben mich geprägt. Innerlich wie äußerlich.
Ich frage mich heute noch, wie Menschen, einen anderen so zerstören können. Wie sie das mit sich selbst überhaupt ausmachen können. Doch anscheinend gibt es solche verrückten Leute auf dieser Welt wirklich und das ist mehr als erschreckend.
Ob es mir etwas gebracht hat, das auf zu schreiben, weis ich nicht. Ich hoffe zumindest, diese Dinge eines Tages zu vergessen. Vielleicht ist das der beste Weg dorthin. Es ist schwer zu sagen.





copyright © by LoveKills. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


ABOOOOOOOOOOO !!!!
Mehr kann ich nicht dazu sagen.Bin irgendwie total geschockt,was dir da widerfahren ist... Hoffe .... Nein ich wünsche dir,dass du das alles bald vergisst und endlich Leben kannst...
lg Tira
ladyPCD - 19.03.2007 17:54

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