von Licorne
<center>Der erste Stich ist ein Name...</center>
Eine Bezeichnung, ein Laut, ein ausgesprochenes Dasein von unbekanntem Wert. Eine Verbindung, die aus sich selbst heraus entsteht – eine Assoziation, gekoppelt mit einem Bild. Eine Prägung, womöglich die Bestimmung für den Verlauf eines Daseins in nur wenigen Tönen vereint
<center>Der erste Stich ist ein Name, der zweite eine Droge...</center>
Die Trockenheit, die sich in meiner durstigen Kehle sammelt und die schweren Augenlider, die niemals für den Schlaf bestimmt wurden. Die unerklärte Präzision meiner Gedanken, jedoch nicht zielgerichtet mit der plötzlichen Antwort auf die Frage, die niemand stellt. Die Schwere in meinem Körper, die mich gleich einer bleiernen Masse umgibt. Nur die Gedanken sind frei und sie rinnen und atmen mit jeder einzelnen Zelle meines Körpers. Ich rieche die Farben der Nacht und sehe den Duft einer Kerze während die Gedanken in meinem Kopf sich rasend vermehren, als ob sie die einst verlorenen Einsichten gebären würden. Wie will ich nur meinen Körper zu ihnen tragen. Es ist, als versuche man einen Sonnenstrahl zu verfolgen. Sie machen keinen Halt vor den Düften und Bildern, nicht einmal vor meiner Hilflosigkeit ihnen zu folgen. Sie sind frei, doch können sie es nur sein, indem sie mich in Ketten legen
<center>Der erste Stich ist ein Name, der zweite ist die Droge und der dritte ist ein Schwert...</center>
Das Schwert einst schwer in meiner Hand. Es gleicht einer religiösen Feierlichkeit, die bis zur Vollendung andauert. Und als die Klinge ihre Hülle verlässt, durchzuckt es mich gleich einem Blitz. Es ist die jungfräuliche Geburt der Seele und ab jetzt weiß ich, dass ich nie einen einzigen wirren Gedanken an den Tod verlieren darf. Meine schweren Knie zwingen mich zu Boden, damit ich danken kann für die Gabe die Gnade zu verleihen, die ich erhalten habe. Die erhitzte Klinge, die keinen Schmerz kennt und das Fleisch, das sie zu trennen vermag. So ergötze ich mich an ihrem Glanz und an ihrer Macht, weil ihre Geburt das Ende bedeutet. Sie fährt entlang meiner Haut, meines Haars und meiner Zunge bis die Initialen an ihrem Ansatz in meinen Pupillen brennen, so dass diese silbern leuchten. Das Schwert ist meine Seele, denn meine Seele bringt den Tod
<center>Das erste Stich ist ein Name, der zweite ist die Droge, der dritte ist das Schwert und der vierte ist die Sünde...</center>
Blitzartig durch bibelfeste Dogmen, inspiriert von meiner Seele, von ihr geleitet. Ein Instinkt, eine erwachende, blinde Kreatur, die das Grauen hervor ruft. Ich spalte die sauer schmeckende Luft und der Hauch aus meinem Mund ist der Schrei. Ich vergehe nicht an den fliegenden Fetzen, denn sie stillen nicht meinen Durst und ich spüre nicht die Ketten meines Herzens, denn die Gedanken sind frei. Nichts ist einfacher, als die Hülle durchzutrennen, die nun einer längst verrotteten Masse gleicht. Ich sehe nicht die rubinroten Kristalle, denn es schleicht nur der Stahl in meinen Augen, doch ich kann sie hören und erfreue mich an ihrer Melodie. Sie singen von meiner ewigen Gnade und führen die Tat zu meinem Thron, auf dem sich einst die Gedanken nieder ließen. Die peitschende Hitze durchströmt mein Gemüt und bringt neue Hiebe auf Umwegen aus meinem Herz hinaus in die Nacht. Längst vergessen das Mitleid, das meine Urseele nicht kannte. Die zerhackte Realität von dem, was sich einst Leben nannte. Doch ruhig das Herz, rasend das Schwert bis fast gar nichts von dieser Masse übrig bleibt und ich genügsam in dem rubinroten Meer versinke, das kein Land und kein Ufer kennt.
<center>Der erste Stich ist ein Name, der zweite ist die Droge, der dritte ist das Schwert, der vierte ist die Sünde und der fünfte ist eine Frau...</center>
Sie betritt langsam den dunklen Raum. Nur die Dunkelheit bedeckt ihre Blöße. Die Frau in Scharlach, die Hitze in meinen Kopf steigen lässt. Ihre Augen sind verbunden, so fest als hätte ich es getan und trotzdem bin ich gefesselt von ihrem Blick, von ihrem Anblick, denn sie hat die weite Sicht, die mein Gemüt nicht messen kann. Ich habe Angst vor dieser Berührung, vor diesem Magnet der Dunkelheit und nur meine Seele atmet mit der Ahnung, dass diese Frau die Sklavin meiner Träume ist. Sie ist ganz nah und es scheint, als hätte man ihrem Mund verboten Laute zu gebären. Sie steht vor meiner knienden Gestalt. Das Rubinrot weicht von meiner Hand, als ich ihre Blöße berühre und mein Fleisch scheint zu schmelzen. Und da ist wieder dieses Geschoss und diese Laute, die scheinbar nicht aus einer menschlichen Kehle dringen. Nach diesem ruckartigen Moment gibt es kein Zurück mehr, denn mein Körper ist in ihrer Macht, gefolgt von meiner lüsternen Weigerung mich aus dieser Trance zu befreien. Obwohl ich ihre Augen nicht sehe, schaut sie mich an und diese Abgrundtiefe verrät mir, dass nicht sie die Sklavin meiner Träume ist, sondern mein Traum ihr Sklave. Wir verschlingen uns und begraben unter unseren Blößen die Nacht, um die schmerzliche Geburt unseres Daseins zu feiern. Sie brennt überall auf meiner Haut, auf meinem Körper, den ich nicht mehr erkenne. Ich ahne von ihrem Ziel und ihre Botschaft erschüttert mich von Neuem. Ich sehe mit ihrer Haut, mit ihrem Fleisch. Ich sehe ein Verbrechen, das ich nicht begangen habe. Das Rubinrot, das an ihren Händen klebt. Ihre vollkommene Hingabe und ihre Berührungen, die mich um den Verstand bringen pflanzen ihre Droge, ihr Schwert und ihre Sünde gleich ihrem Verlangen in meinen Körper. Nur so profitiert sie unaufhaltsam von der Ekstase, die ich ihr schenke und lässt mich den Preis für mein nächtliches Vergehen an ihr bezahlen. Ich sauge sie auf, denn auf dem Höhepunkt ihrer wilden Ausgelassenheit versetzt sie sechs kleine Stiche in mein Herz.
<center>Der erste Stich ist ein Name, der zweite ist die Droge, der dritte ist das Schwert, der vierte die Sünde, der fünfte ist die Frau und der sechste gleich dem ersten ist ein Name. Es ist ihr Name, den sie leise in mein Ohr flüstert
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Licorne. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.