von Ana_Ligator
Es ist eine verregnete Nacht und ich stehe in einer Seitenstraße und warte darauf das etwas passiert. Ich stehe da, warte und rauche. Ein Mann kommt auf mich zu. In einem Trenchcoat und einem Hut – beides in beige. Wie in einem billigen Detektivfilm der sechziger Jahre.
Er schaut auf den Boden und gibt mir wortlos einen Umschlag – beigefarben, wie seine Kleider.
Ich kenne meine Aufgabe schon bevor ich den Umschlag öffne. Es ist das selbe wie immer. Es ist nur die Frage, wer es diesmal sein wird, dem ich meinen Unterhalt zu verdanken habe...
Ich bin zu Hause angekommen und stecke mir eine Zigarette an noch bevor ich überhaupt meinen Mantel und die Schuhe ausgezogen habe. Macht der Gewohnheit, so wie alles in meinem Leben routiniert ist. Mein Weg führt mich zuerst in die Küche. Ich lege den Umschlag auf den Tisch und suche mir eine saubere Tasse um einen Kaffee zu trinken. Es ist jetzt zwei Uhr in der Nacht. Ich sitze in der kahlen Küche am Tisch, rauche und trinke Kaffee – vor mir der Umschlag. Es vergehen bestimmt zehn Minuten in denen ich apathisch auf diesen Umschlag schaue und ich weiß, dass sich darin ein Bild und fünftausend nicht nummerierte Geldscheine befinden. Der Auftrag ist einer von vielen, immer das selbe, aber es bedarf viel Vorbereitung. Ich gehe ins Badezimmer. Lege meine Kleider ab und begebe mich unter die Dusche. Das Wasser läuft mir wie ein Sommerregen über den Kopf, die Schultern, meine Brust... In diesen Momenten realisiere ich, dass ich noch am Leben bin, auch wenn es mir manchmal schwer fällt nicht den Verstand zu verlieren. Meine Gedanken kreisen wieder, verfolgen mich. Ich liege im Bett. Nach einigen gescheiterten Versuchen den Kopf frei zu bekommen bin ich dann wohl doch irgendwie eingeschlafen...
Nach kurzer Zeit bin ich wieder erwacht. Gehe wie fremdgesteuert in die Küche direkt auf den Umschlag zu und öffne ihn mit einem Messer. Das Geld lege ich zur Seite. Es interessiert mich im Moment noch nicht. Die Photographie liegt verkehrt herum auf dem Tisch, so dass man eine kurze, mit spitzem Bleistift geschriebene Notiz auf der Rückseite erkennen kann. „Freitag – 22.00 Uhr – Valentin's Stadtcafé“. Das ist alles. Kurz, knapp und präzise, wie immer. Ich zünde mir eine Zigarette an, setze mich und starre an die Wand. Mein ganzer Körper zittert. Anspannung, die sich erst lösen wird, wenn ich weiß, wer es ist. Es geht mir im Grunde nicht darum wer genau dieser Mensch ist, nur darum, dass ich ihn das hoffentlich erste und letzte Mal sehen werde.
Ich drehe es um. Eine Frau ist darauf zu sehen. Sie sieht glücklich aus. Schwarze, lange Haare, grüne, optimistische Augen und ein viel versprechendes Lachen. Im Hintergrund eine malerische Landschaft, wie ich sie aus Dokumentationen über die verborgenen Regionen Frankreichs gesehen habe. Eine helle Sonne strahlt auf sie nieder, als würde sie nur für sie scheinen. Sie trägt passend zu ihren Haaren ein schwarzes Kleid mit kleinen weißen Punkten. Diese Frau ist es also. Ich bin froh, dass ich sie nicht kenne. Mein Blick schweift zu der weißen Küchenuhr. Es ist sechs Uhr morgens. Freitag. Heute wird es passieren. Sechzehn Stunden bleiben mir. Ich bin übermüdet, wie immer... Ich lege den Kopf in den Nacken und starre an die Decke. Weiß, kahl, gefühllos... So wie ich...
(Dieser Text verletzt weder Rechte Dritter noch sind die hier erwähnten Personen real.
Wenn jemand diesen Text verwenden möchte bitte ich darum mich vorher unter Angabe des Grundes davon zu unterrichten.)
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Ana_Ligator. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.