von MyLullaby
Kamikaze (6)
...
Die größten Formalitäten musste meine Mutter schon am Telefon erledigthaben, denn er holte nur einen Generalschlüssel und führte uns über Treppen in ein Zimmer für vier Personendas gerade mal doppelt so groß war wie mein Zimmer Zuhause.
Geschockt betrachtete ich die doppelstöckigen Betten die nicht sehr bequemaussahen und einen leichten, militärischen Flair entstehen ließen.
Selbst meine Mutter sah leicht geschockt aus, doch der Direktor ging nurzu einem großen Schrank, holte von dort Bettwäschen, eine Decke und ein Kissen, welches er mir in die Handdrückte.
"Keine Angst, das ist nur sowas wie ein Abstellraum, ich dachte nurwir könnten der Putzfrau ein bisschen Arbeit ersparen, denn dein Kommen war ja sehr... kurzfristig geplant!"
Ich fing an mich zu fragen wie viel er wirklich wusste.
Nun führte mich der Direktor zu dem Zimmer in dem ich wirklich wohnen sollte,trotz der Erleichterung die mich nach diesem Schock überkam, warf ich meiner Mutter einen strafenden Blickzu, worauf sie nur eisig und starr zurückblickte.
Als sich die Tür des Zimmers öffnete ließ ich schnell einen Blick durchsZimmer streifen und sah, dass es sehr geräumig war und einen gemütlichen Eindruck machte.
Es war mit drei normalen Betten ausgestattet und... meine Mutter unterbrachmeine Beobachtungen als sie sagte das sie wieder losmüsse, denn es warte Arbeit auf sie, sie drücktemir meine Tasche in die Hand und gab mir ein obligatorisches Küsschen, bevor sie hinter der Tür verschwand unddort noch kurz mit dem Direktor über den Transport meiner restlichen Sachen sprach.
Eigentlich war ich ganz froh das sie weg war, denn so konnte ich meineGedanken endlich mal in Ruhe sortieren und versuchen mich auf mein plötzlich von Grund auf verändertes neues Lebeneinzustellen.
So saß ich eine ganze Weile auf meinem neuen Bett und grübelte herum undwurde immer depressiver, als es nicht mehr auszuhalten war stand ich auf und tigerte im Zimmer herum.
Vor den Kommoden meiner Mitbewohnerinnen blieb ich stehen und sah miran was sie so alles an Bildchen und Krimskrams darauf gestapelt hatten, das Bild was ich mir von ihnen machtewar folgendermaßen: Die eine musste wohl eine total besessene Boyband-Fanatikerin sein, denn sie hattestapelweise Bilder von Bands an ihren Spiegel geheftet die mir aus dem Fernsehen nicht ganz unbekannt,aber dennoch verhasst, waren.
Bevor ich mich der zweiten Kommode widmen konnte, ging die Tür auf undschlug mit einem lauten Knall gegen die Wand: "Hey, was machst du hier? Das ist doch kein Museum odersowas!" Ich drehte mich herum und sah einem ziemlich gestresst aussehendem Mädchen direkt in die Augen. Bevorich etwas sagen konnte stieß ein anderes Mädchen sie weiter in die Raummitte und knallte die Tür hintersich zu: "Mensch Jenny, kannste denn nicht mal die Klappe halten? Muss doch nicht gleich jeder mitkriegen daswir ne Neue hier haben!"
Ich sah sie überrascht an, sie kam direkt auf mich zu und stellte sichals Ina vor, ich musste unwilkürlich grinsen, da Jenny sich vor ihrer Kommode mit den Boybandbildern aufgebauthatte: "Was grinst du denn so? Und überhaupt, warum rennst du eigentlich so komisch rum? Ist das etwa jetztmodern?" Ich schaute verdattert an mir herunter, ich hatte nie wirklich was auf "Trends" gegeben,war aber dennoch immer an Hosen mit vielen Taschen und irgendwelchen Shirts blöden Sprüchen drauf hängen geblieben.
Ina schnappte sich meine Hand und sagte: "Gib nich so viel drauf wasJenny sagt, eigentlich isse voll in Ordnung" sie zwinkerte Jenny zu und sagte: "Ich werd dich dann mal in unserengrauen Mauern herumführen, da verpass ich zwar Unterricht, hab aber ne Ausrede wa?" Jenny fing an rumzumotzen,doch Ina zog einfach die Tür zu und eilte mit mir den Gang lang.
Im Schnellschritt zeigte mir alle möglichen Räume, wie den Waschraum, dieKüche + Essensraum, die Jungsetage (ihrer Meinung nach stiegen dort die geilsten Partys), dieGemeinschaftsräume, die Klassen- und Fachräume.
Am Schluss gingen wir raus und sie zeigte mir in welche Richtung der Sportplatzund die dazu gehörige Halle lag: "Aber das siehste ja dann selbst, jetzt setz dich mal und erzählwies dazu kommt das du nun hier bist" ich dachte kurz nach und entschied mich dann doch die Wahrheit zu sagen, dennsie kam mir so vor als sei sie ganz in Ordnung: "Ach, meine Mutter kam nicht damit klar das ich ne Freundinhatte, sie wollte mich so weit wie möglich von ihr fernhalten".
Ina sah mich verdutzt an: "Wie ne Freundin, du meinst so... richtig?"Ich nickte: "Ich kann mich auch in ein anderes Zimmer verlegen lassen, wenn’s dir nicht passt", sie sah jetztvöllig verwirrt aus: "Nein Quatsch! Is doch vollkommen in Ordnung, was sollte ich schon dagegen haben?! Aber sag’shier lieber nicht jedem, du weißt ja wie manche Idioten darauf reagieren und du musst ja wohl noch ne ganzeWeile hier bleiben!"
Ich muss wohl leicht verärgert ausgesehen haben, denn sie merkte noch andas das nicht heißen sollte das ich es verstecken müsste, doch ich behielt trotzdem noch einen miesen Nachgeschmackvon ihrer Rede in mir zurück.
Sie beendete den Rundgang mit einer ausgedehnten Wanderung zum See, beider sie mir stolz von ihrem Freund, einem Punker aus der Klasse namens Flori, über ihn und der Schulband inder sie die Sängerin wäre, erzählte: "Ich mein, das ist doch voll genial! Die Ideen für neueSongs hol ich mir immer von ihm, bloß so Punkig darfs nie sein... ist halt doch nur Schulband, aber es ist immer noch besserals in dem Schulorchester damals".
Mir fiel das Foto ein, das ich schon bei meinem ersten Blick durchs Zimmerauf ihrer Kommode mit einem kurzen Blick gestreift hatte, darauf hatte er eine Frisur gehabt die wohl dervon Jonny Rotten hatte ähneln sollen.
Ich grinste, denn auf dem Foto hatte er einen Smoking angehabt und nichts,außer der Frisur, hatte an seinen Lebensstil erinnert.
"Wenn man vom Teufel spricht..." sie lächelte und fing an zurennen, ich schaute in die Richtung in die sich immer schneller entfernte und erblickte ihren Freund der uns, diesmal wohlin voller Montur, entgegen kam und dem sie in diesem Moment um den Hals fiel.
Ich musste unwillkürlich an Manu denken, das hätte ihr gefallen, denn siehörte meist die Sex Pistols, schon kam die furchtbare Erinnerung an unser letztes Treffen zurück und ich musstemich zwingen nicht zu weinen als ich auf Ina und ihren Freund zuging.
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MyLullaby. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.