von maweka
Niemand sollte je wissen, was an diesen Tagen geschehen war, aber jetzt war es allen bekannt und in ihrer Blöße wagte sie es nicht einmal mehr sich zu verstecken. Es war wie ein Steinbrocken aus ihr herausgeplatzt und jetzt hatte sie Angst, jetzt war alles zu spät, keiner würde ihr mehr helfen wollen, nachdem es raus war. Im Grunde, dachte sie, ist das ja nur ein Zeichen von Unaufgeklärtheit. Aber damit belog sie sich selbst und drehte den Dolch in sich nochmals um. Seitdem sie unvorsichtigerweise ihr Innerstes nach Außen gekehrt hatte, waren ihre ehemals ruhigen Nächte eine Qual: Sie fand keinen Schlaf mehr, sie wälzte sich in ihren Lacken und fror. Manchmal drehte sich ihr alles und ihr wurde unsagbar schlecht. Das waren Momente, in denen sie sich zurück wünschte in die Zeit der frühen, unbekümmertren Kindheit. Aber sie war sich im Klaren darüber, dass nichts mehr würde wie früher. Zu oft wurde ihr Vertrauen gebrochen, zu oft wurde sie hintergangen. Sie fühlte mehr und mehr, wie ihre Existenz unsicher in der Luft schwebte und keinen festen Anhaltspunkt mehr finden konnte. Das Glas Wasser stand nun nicht mehr nur auf der Kippe, sondern befand sich im freien Fall und der Moment, in dem es auf dem harten Boden zerspringen würde, war nicht fern. Es heißt ja im Allgemeinen, dass alles, was man gibt, auch irgendwann zurückkommt, nur wusste sie nie, ob es überhaupt geöffnet wurde. Langsam breiteten sich unaufhaltsam dunkle Schatten auf ihrem Gesicht aus und entstellten dessen gleichmäßige Züge zu einer unerkennbaren Grimasse, die sich nie wieder zu lösen scheint. Ihr stand die Angst ins Gesicht geschrieben, hätte man sagen können. Sie wollte nicht mehr, konnte nicht mehr, war am Ende ihrer Gedanken, die Grenze war erreicht. Schon zu lange war an ihr gezerrt worden. Ihre höchste Spannung sollte sich bald in ungebremster Energie entladen, in einer Explosion, plötzlich unerwartet und schnell, unbeschreiblich schnell. Sie stand vor einem Abgrund: tief, schwarz und unbekannt. Zurücklaufen war nicht mehr drin, aber den Schritt vorwärts wagte sie auch nicht zu machen, nicht nochmals. Ein einziges Mal war sie soweit gegangen, aber der Aufprall war ein grausiger gewesen und ihr verlangte es nicht nach einer Wiederholung. Nie würde es wieder sein wie früher, denn sie hatte den Fuß einen Schritt zu weit gesetzt, einen Schritt zu nah an den Abgrund, an ihr Geheimnis, ihren Tresor. In diesen Tagen war man in ihren Garten eingebrochen und hatte alles kurz und klein geschlagen, und wie es ihr schien, endgültig.
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maweka. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.