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Leuchtende Menschen (7)

von EimoH


Das Treffen, zu dem Inaya und Luzi gerade unterwegs waren, fand bei ihnen um die Ecke auf einer Wiese statt. Das Wetter war nach ein paar Tagen Regen zum Glück wieder richtig schön, warm und trocken, und sie hatten eine Decke dabei. Inaya musterte Luzi verwundert. „Was machst du denn für ein Gesicht? Bist du aufgeregt?“ Luzi war ein offenes Buch für Inaya. „Ich bin nervös. Ich möchte nicht, dass die Leute denken, ich wäre nur hier, um Lola zu gefallen.“ „Stimmt es denn?“ „Hä? Nein! Das weißt du doch!“ „Na dann brauchst du dir doch auch keine Sorgen zu machen. Scheiß drauf, was die Anderen denken. Wir wollen bei dieser Aktion mitmachen, deswegen sind wir da.“ „Wollen wir denn mitmachen?“ „Das werden wir sehen. Wir schauen uns mal an, was geplant ist und wer in dieser Gruppe so dabei ist. Und dann entscheiden wir, ob wir uns wohl fühlen und ob das was für uns ist. Ganz einfach.“ „Ja, ganz einfach.“, sagte Luzi immer noch ein wenig unsicher. Aber Inaya hatte Recht, sie konnte selbst entscheiden, ob sie mitmachen und welche Aufgaben sie übernehmen wollte. Als sie sich der Wiese näherten, erkannte Luzi von weitem Lola, Nukas, Lydia und Franz und zählte noch vier weitere Leute, die sie nicht kannte. „Hey, cool, dass ihr da seid!“, begrüßte Lydia sie, als sie zu der Gruppe traten. Lydia schien das Treffen zu moderieren und sagte ihnen, dass sie sich einfach dazusetzen konnten und sie gleich eine Vorstellungsrunde machen würden. Lydia wirkte offener als bisher, freundlich aber noch leicht distanziert. Vielleicht war sie diesmal auch ein wenig nervös. Inaya und Luzi breiteten ihre Decke aus und setzten sich dazu.
Das Treffen war entspannter und auch lustiger geworden als befürchtet. Auch wenn Luzi fand, dass Lola sich seltsam ihr gegenüber benahm, war es zumindest mit Nukas diesmal viel angenehmer gewesen. Sie hatte sich am Anfang des Treffens direkt neben Luzi gesetzt und sie freundlich angelächelt, was Luzi schon überrascht hatte. In einem Moment, indem in der Gruppe lauter kleine Einzelgespräche entfacht waren, hatte sich Nukas dann auch noch zu ihr gedreht und sich tatsächlich für ihr Verhalten in der Bar entschuldigt. Luzi war ganz überfordert gewesen und hatte die Entschuldigung aber erfreut angenommen. Von da an hatte sich Luzi ziemlich wohl gefühlt in der Gruppe und Inaya und Luzi hatten beide zu weiteren Planungstreffen zugesagt. Sie hatten sich über Protesterfahrungen ausgetauscht und erste Ideen für die Umgestaltung der aktuellen Werbekampagne der Polizei gesammelt. Inaya war Feuer und Flamme gewesen und hatte Luzi damit wie immer angesteckt. Aber es hatte auch nicht viel gebraucht, um sie euphorisch zu stimmen, denn Stimmung war gut gewesen und Luzi freute sich darauf, den öffentlichen Diskurs mitzugestalten im Angesicht der ganzen Polizeigesetzesänderungen, die Polizist*innen immer noch mehr und noch mehr Rechte zusprechen wollten, damit diese immer tiefer in die Grundrechte der Menschen eingreifen durften. Luzi hatte nun erlebt, wie viel Franz reden konnte, wenn sie in Fahrt kam, dass sie verstehen konnte, dass Lydia und Lola es die Franz-Vorträge nannten. Inaya und Franz hatten sich dermaßen hochgeschaukelt, dass Lydia sie unterbrechen musste. Aber Luzi war auch von sich selbst überrascht, wie viel sie zu sagen gehabt hatte. Es hatte sich herausgestellt, dass sie ein ungeahntes Talent besaß, sich schmissige Parolen auszudenken, die diese komplexen Strukturen akkurat auf den Punkt brachten und sich eins-A in die Werbeplakate integrieren ließen. Es hatte sich also gelohnt, all den Diskussionen von Inaya und Karla zu lauschen und über ihre Argumente nachzugrübeln. Alles in allem war es ein tolles Treffen gewesen, das fanden alle. Sie fühlten sich, als hätten sie endlich einen Plan, um die Welt zu verändern.
Als Luzi schließlich aufstand und die Decke zusammenrollte, stand da plötzlich Lola und grinste sie an. „Geil, dich hier getroffen zu haben. Machst‘e mit?“ Luzi lächelte über Lolas offene Begeisterung, schob ihre Verwirrtheit beiseite und antwortete: „Ich denke schon.“ Lola trat einen Schritt beiseite, um andere Leute vorbeizulassen, die sich aus der Runde verabschiedeten, und trat dann einen Schritt auf Luzi zu. „Ich kenne hier um die Ecke einen tollen Baum, auf den ich schon immer mal klettern wollte. Hast du Lust?“ Lola war dreist und Luzi wusste das, aber sie ließ sich von ihrem Leuchten einnehmen und wenn sie so darüber nachdachte, hatte sie Lust auf Knutschen. Sie nickte und Lola griff wieder nach ihrer Hand und zog sie in die Richtung von ein paar Bäumen weiter hinten von der Wiese. Luzi drehte sich kurz um und winkte Inaya zum Abschied, die sich noch mit Franz unterhielt und ihr nun forschend nachschaute. Lola schien nicht weiter über ihre Begegnung im SC sprechen zu wollen, denn sie sprach über unverfängliche Dinge wie Wetter und Kletterbäume. Als sie zwischen den Bäumen angekommen waren, machte Lola keine Anstalten, auf irgendeinen hinaufzuklettern, was Luzi auch nicht erwartet hatte. Stattdessen zog sie sie an sich heran und küsste sie. Ihre Lippen fügten sich perfekt aneinander, ihre Zungen berührten sich erst sanft, dann verlangend. Der Kuss war schön, hungrig auf eine Art, aber auch unvertraut und dadurch unbeholfen. Luzi war bewusst, dass Lola ihre Beziehung gerade bewusst gestaltete und sie las daraus ab, dass Lola an ihr interessiert war, sie anscheinend auch gern küsste und irgendwie gern eine Art Distanz wahrte. Luzi bemerkte, dass sie selbst sich bisher in einer Position der Reaktion befunden hatte. Lola gab die Richtung an und Luzi folgte. Diese Erkenntnis ließ ihre Küsse ein wenig fade schmecken und Luzi löste sich von Lola und sah sie lächelnd an. Luzi fühlte sich neben Lola zwar naiv und irgendwie prüde, aber sie hatte sich in den letzten Jahren angewöhnt, offen über Sex und ihre Gefühle und Wünsche zu sprechen und war auch ein bisschen stolz darauf, weil es manchmal ganz schön viel Stärke kostete. Lola schien eine Freiheit zu wollen, in der sie sich bereits durch Kommunikation eingeschränkt zu fühlen schien und Luzi konnte das verstehen, weil offene Kommunikation schnell dazu führen konnte, dass Bedürfnisse geäußert wurden, die sich dann wie Ketten anfühlten. Aber für Luzi war nicht die offene Kommunikation der Ursprung der gefühlten Ketten sondern der Umgang mit dem, was kommuniziert wurde. Im Gegenteil ist doch Ehrlichkeit die Bedingung für Beziehungen, in denen sich die Menschen vertrauen und dadurch statt festzuhalten freilassen können. Und deshalb würde sie auch mit Lola ehrlich sein und geradeheraus ansprechen, was sie wahrnahm und wie sie sich fühlte. Sie wollte auch agieren und nicht nur folgen und dafür musste sie wissen, wo sie stand und was sie selbst wollte und das tat sie. „Hey Lola, ich will ehrlich zu dir sein. Ich komme nicht so recht mit mit der Entwicklung unserer Begegnungen und ich bin mir auch nicht sicher, ob wir die gleichen Dinge voneinander wollen. Und ich merke, dass sich irgendwas daran nicht so toll anfühlt.“ Lola blinzelte ein wenig überrascht und sagte dann ruhig: „Ich lasse mich nicht gern festlegen oder in Kisten stecken, wenn du das meinst. Ich bin gerade nicht auf der Suche nach einer Beziehung. Ich habe auch nichts in der Richtung versprochen.“ Luzi nickte und versuchte Lola mit ihrem Lächeln zu zeigen, dass diese Worte sie erreichten und nicht verletzten, denn das taten sie nicht. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich auf der Suche nach einer Beziehung bin. Manchmal fühlt es sich schon so an und manchmal auch nicht. Aber ich glaube, selbst bei unverbindlichen Geschichten brauche ich die Verbindlichkeit, meine Grenzen setzen und sagen zu können, was ich brauche.“ „Mit anderen Worten, das heißt, du willst, dass ich mich festlege.“, unterbrach Lola sie und Luzi spürte, dass sie sich gerade Lolas Grenze näherten und sie eine starke Abwehr hatte. „Nein, will ich nicht.“, sagte sie deshalb ruhig. „Ich versuche zu erkennen, was zwischen uns möglich ist, der kleinste gemeinsame Nenner quasi, und ob ich das will.“ Lola sah zur Seite und sagte dann mit einer leichten Ungeduld in der Stimme: „Ich weiß nicht, ob ich das hier will. Ich mag nicht, alles definieren zu müssen. Gerade möchte ich einfach nur leben, weißt du? Erfahrungen sammeln und genießen, was passiert ohne zu lenken und zu zerdenken.“ Sie sahen sich an und Luzi merkte, dass sie wieder sanft lächelnd nickte. Das Gespräch war ein bisschen anstrengend, immer mit Vorsicht nicht zu verschrecken sprechen zu müssen. „Ich habe den Eindruck, dass wir“, sie suchte nach Worten, „da auf keinen Nenner kommen.“, sagte sie schließlich und fühlte, dass ihre Worte zu ihrem inneren Entschluss, den sie unbewusst schon gefasst hatte, passten, und fügte hinzu: „Das ist ja nicht weiter wild. Wir haben es ausprobiert und es passt nicht so gut.“ Lola nickte nun auch und schien nachdenklich, was Luzi veranlasste, die Stille mit erklärenden Worten zu füllen. „Wenn ich so darüber nachdenke, fällt mir auf, dass ich vielleicht nicht unbedingt auf der Suche nach einer Beziehung bin, keine Ahnung, vielleicht. Aber ich habe anscheinend Lust, mich zu verlieben und jemanden näher kennenzulernen. Das passt ziemlich offensichtlich nicht hierher und ich will auch ein bisschen auf mich aufpassen, zumal es dir gegenüber ja auch nicht fair ist.“ Luzi stoppte sich und sah nun nervös zu Lola. „Ok.“, sagte die nur. Mit ihrem typischen Grinsen, diesmal allerdings in leichter Schieflage, sagte sie mit einem Schritt zur Seite: „Ich würde mich dann jetzt mal vom Acker machen, ja?“ „Ja, klar.“ „Cool.“ „Gut, dann bis dann.“ „Ja, bis dann.“ Lola dreht sich um und ging davon. Einen Moment blieb Luzi stehen, dann drehte auch sie sich um, und ging zurück zur Wiese, um zu schauen, ob Inaya noch da stand und sie doch gemeinsam nach Hause gehen konnten. Luzi war froh, dass Lola und sie so ehrlich miteinander geredet hatten und hoffte, dass sie das nicht bereuen würde. Sie konnte Lola nicht einschätzen, wie sie mit Verletzlichkeiten anderer umging und sie hatte sich gerade in dem Gespräch verletzlich gemacht, indem sie so ehrlich gewesen war. Inaya stand tatsächlich noch genauso mit Franz ins Gespräch vertieft da, wie sie sie vor ungefähr einer halben Stunde zurückgelassen hatte. Überrascht schaute sie ihr entgegen. „Alles ok?“, fragte Inaya mit leiser Stimme, als sie ankam. Luzi nickte möglichst souverän und warf einen Blick auf die Umstehenden. Lydia musterte sie ziemlich interessiert und Luzi konnte sich denken, warum. „Ich würde jetzt nach Hause gehen. Bleibst du noch?“ „Nee, ich komm mit. Warte kurz!“ Sie verabschiedeten sich und Inaya bedankte sich bei Franz für das tolle Gespräch und sie machten sich auf den kurzen Weg nach Hause. Inaya wollte natürlich sofort wissen, was passiert war und Luzi erzählte es ihr. Sie fanden beide, dass es doch ganz gut gelaufen war und Inaya machte Luzi Komplimente für ihre ehrliche Kommunikation, die gut taten. Inaya gab ihr häufig das Gefühl, sich stark und selbstbewusst verhalten zu haben, und sie konnte sich langsam etwas entspannen im Hinblick darauf, Lola nun bald häufiger zu begegnen.



copyright © by EimoH. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.





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