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Leuchtende Menschen (8)

von EimoH


„Und es ist nicht seltsam, sich jetzt immer bei den Treffen zu sehen?“ „Nö.“ „Boah, jetzt lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, Luzi!“ Karla sah sie genervt und zugleich neugierig an. Sie saßen vor der Bar Molli, wo sie sich im Sommer immer gerne trafen. Es gab hier guten Kaffee und eine tolle Brettspieleauswahl. Drei Wochen waren vergangen seit Luzis und Lolas Gespräch zwischen den Bäumen und Luzi hatte Lola seitdem mehrmals bei den Planungstreffen zu ihrer Adbusting-Aktion getroffen. Anfangs war sie nervös gewesen, ob die Stimmung zwischen ihnen nun total seltsam sein würde und tatsächlich hatten sie sich beim ersten Treffen danach ziemlich angespannt verhalten, was sich dann aber zum Glück einfach gelegt hatte und nun war es locker zwischen ihnen, auch wenn sie beide keinen näheren Kontakt zueinander suchten. „Anfangs war es ein bisschen seltsam.“, kam sie Karlas Neugier entgegen, „Aber nun ist es eigentlich voll ok.“ „Habt ihr nochmal drüber geredet?“ „Nö. Es hat sich von allein geregelt. Ich weiß nicht, ob wir uns jetzt unbedingt anfreunden, denn wir sind schon ziemlich unterschiedlich.“ „Ich find sie ein bisschen nervig.“, schaltete sich Inaya ein. Karla wandte sich interessiert zu Inaya. „Aha?“ Luzi und Inaya lachten über Karlas Versuch, ihre Neugier maßvoll zu halten. „Och Leute, wir sehen uns durch eure häufigen Treffen nicht mehr so oft. Ich vermisse es, mit euch alles haarklein zu zerkauen, was passiert.“ Karla war so süß, dass sie sie an sich drücken mussten. „Sei nicht traurig, wir erzählen dir alles! Unsere Liebesleben sollen offene Bücher für dich sein.“ Sie lachten. „Und warum findest du Lola nervig?“, fragte Luzi nun auch interessiert. Inaya überlegte kurz und sagte dann vorsichtig: „Irgendwie finde ich sie manchmal so prahlerisch und Aktivismus-Prahlerei find ich total bescheuert. Klar, es ist wichtig, sich nicht in eigenen Privilegien auszuruhen, aber Protest und Widerstand sollten nicht zu Statussymbolen werden.“ Inaya verdrehte die Augen und Luzi fand sie mal wieder total cool. Karla schnaubte. „Das stimmt!“ Luzi schaute zwischen beiden hin und her. „Seid ihr euch tatsächlich mal einig?!“ Sie alle drei mussten laut loslachen. In dem Moment kam Luk mit dem Fahrrad angeradelt, schloss es an ein Straßenschild und gesellte sich zu ihnen. „Na, wie war der Lesekreis?“, rief Karla emm entgegen. Luk strahlte. „Ich habe etwas Spannendes gelernt, das ich euch unbedingt erzählen muss. Aber ich hole mir erstmal einen Kaffee. Bis gleich!“ Die Sonne stand nun tief und fiel gerade zwischen zwei Bäumen über ein Häuserdach auf die Bänke, auf denen sie es sich gemütlich gemacht hatten. Die Wärme tat gut und das Licht färbte den Moment in einen außerzeitlichen. Luzi lehnte sich zurück, schloss die Augen und horchte auf die Geräusche der Straße. Die vorbeifahrenden Autos konnte sie hier immer leicht ausblenden, manchmal fuhren Busse vorbei. Sie hörte Vogelgezwitscher und eine bekannte Stimme, die nicht von ihren Freund*innen stammte. Sie öffnete die Augen und sah Lola mit Lydia an ihnen vorbeigehen. Inaya und sie hoben die Hände zum Gruß und die zwei nickten ihnen zu. Luzi sah, dass Karla sich mächtig zusammenriss, nicht loszuprusten und warf ihr einen grimmigen Blick zu. Sie schaute den beiden nach und beobachtete, wie sie sich ein paar Meter weiter auf eine der Paletten-Bänke vor der Bar niederließen. Luk kam gerade aus der Tür und balancierte mit Zunge zwischen den Lippen eine große, gut gefüllte Tasse und einen Teller mit einem riesigen Stück Kuchen zu ihnen hinüber. Luzi lachte emm entgegen. „Oh, ich will auch!“, schrie Karla auf und sprang auf, um sich auch sogleich ein Stück Kuchen zu holen. Luk setzte sich und nahm einen genüsslichen Schluck vom Kaffee. Luzis Blick wanderte immer wieder zu Lydia und Lola hinüber und sie verfluchte sich dafür. Zum Glück saß Lola ihr mit dem Rücken zugewandt. Als Karla auch mit einem großen Stück Kuchen zu ihnen zurückkehrte, begann Luk aufgeregt zu erzählen. „Also!“ Ey räusperte sich. „Der Lesekreis war heute zwar nur mäßig spannend, ich war aber auch total müde. Aber ich habe was über She-Ra gelernt!“ „Federici schreibt über She-Ra?“, kicherte Inaya und Luk bedeutete ihr mit einem strengen Blick zu schweigen. „Wir fanden ja das Verhältnis von Magie und Technologie total spannend und haben überlegt, wofür das steht. Es könnte eine Gegenüberstellung von Natur und Technik sein, aber diese generalisierte Verteufelung von Technik ist irgendwie platt, gerade wenn man sich überlegt, was Technologie zum Beispiel im medizinischen Bereich alles ermöglicht hat.“ Alle nickten zustimmend. „Federici analysiert ja die Hexenverfolgung im Mittelalter im Kontext der Entstehung des Kapitalismus und dabei zeigt sie auf, dass Magie so verteufelt wurde, weil sie ungeheure Möglichkeiten der Emanzipation und Autonomie eröffnete. So konnten Frauen mithilfe von Naturheilmitteln heilen, sich gegenseitig versorgen und sogar verhüten. Sie hatten Macht dadurch, nicht zuletzt über ihre eigenen Körper, was in einer Gesellschaft, in der die Menschen und vor allem Frauen nicht gern eigenständig und selbstermächtigt gesehen wurden, natürlich nicht gut ankam. Federici zitiert auch einen Dude, der sogar gesagt hat: ‚Die Magie tötet die Industrie.‘ So gesehen kann bei She-Ra in dem Kampf von Magie gegen Technologie ein Kampf gegen den Kapitalismus gesehen werden, ganz zu schweigen von den ganzen Kolonialisierungsprozessen, die bei She-Ra passieren. Dazu ist Federicis Analyse auch super interessant, weil sie aufzeigt, wie die koloniale Sklavenausbeutung grundlegend war für die sogenannte Ursprüngliche Akkumulation, also die Anhäufung von Reichtum bei den Kapitalisten, um den Kapitalismus ins Rollen zu bringen. Aber ist das nicht spannend? Magie entzieht sich dem Ganzen oder hält dagegen. Wozu sich unterwerfen, wenn man in einer Gemeinschaft mit der Natur voller Möglichkeiten gut allein klarkommt? Magie kann so als Widerstand gegen den Kapitalismus gesehen werden.“ Luk holte Luft nach diesem Redeschwall und nahm erstmal einen Schluck Kaffee. „Boah, mega cool!“, kommentierte Luzi. „Ja, aber auch die magische Gesellschaft ist eine Monarchie bei She-Ra.“, warf Inaya gleich ein. „Das stimmt.“, gab Luk zu und schüttelte resigniert den Kopf. „Tja, sie versuchen immer wieder die guten Herrscherinnen zu erfinden statt sich mal Geschichten ohne Herrschaft auszudenken.“ Sie seufzten. „Aber wenigstens regieren die Rebellenprinzessinnen kaum, sondern kämpfen hauptsächlich zum Schutz ihrer Bevölkerung.“, versuchte Luzi zu beschwichtigen. „Ja, aber das ist doch auch immer dieselbe Geschichte von den starken Superheld*innen, die die Welt retten. Cooler wäre doch auch mal, wenn die Kraft von gemeinschaftlicher Solidarität gezeigt werden würde.“ „Na nicht, dass du die Leute heutzutage auf falsche Idee bringst!“, rief Inaya ironisch und sie lachten. „Aber ein bisschen wird das bei She-Ra ja auch gezeigt, neben dem ganzen magischen Prinzessinnenkram sieht man auch immer wieder solidarisch kämpfende Untertanengrüppchen.“ „Und es ist auch ziemlich genial, wie dann herauskommt, dass die stärkste Kämpferin ein Instrument der Zerstörung sein sollte. Ein Hinweis auf die Gefahr durch die Machthabenden, mögen sie noch so lieb sein.“ „Fazit: Wir lieben She-Ra trotzdem und nun noch mehr.“, rief Luk. Sie stimmten alle zu und kicherten wie immer, wenn sie sich eingestanden, ganz verrückt nach einer Kinderserie zu sein. Da fiel Luzi plötzlich ein, dass sie Inaya und Karla von ihren Erkenntnissen zur kapitalismusbedingten Polizeikritik berichten wollte, die sie an dem unangenehmen Bar-Abend bei ihrem ersten Date mit Lola gehabt hatte, und sie war überrascht, wie gut das auch zu ihren gerade angestellten Überlegungen zu She-Ra passte. Sie berichtete aufgeregt, dass sie neue Argumente für den ewigen Disput zwischen Inaya und Karla gehört hatte und beide lauschten interessiert, während Luk warnte, nicht diese leidige Diskussion wieder zu eröffnen. Aber sie hörten einfach nur zu und auch Karla nickte schließlich überzeugt. „Seht ihr, selbst die heldenhaftesten Polizist*innen können nicht anders, als die rassistischen und sexistischen Strukturen des kapitalistischen Unterdrückungssystems zu reproduzieren und die Gewalt in der Gesellschaft zu verankern. Nicht der Rassismus des einen extrem rassistischen Polizisten ist das Problem, na ja, auch das ist natürlich ein Problem, ihr wisst schon, was ich meine. Das Problem ist, dass Polizei von vornherein nicht für eine gesellschaftliche Sicherheit sorgen soll, sondern dass Menschen mit ihrem Eigentum sicher sind und die Unterdrückten in dieser kranken Gesellschaft ruhig gestellt werden.“, schloss Luzi. „Kontrolle der Delinquenz.“, sagte Inaya weise und mit einem Seitenblick zu ihr sagte Luzi nur: „Ja, was auch immer.“ Karla schien über irgendetwas noch unschlüssig zu sein und sagte schließlich mit kritischer Miene: „Ok, aber wenn Polizei nicht für Sicherheit sorgt, zumindest nur für eine exklusiv begrenzte, und Gewalt logischerweise keine Lösung ist, was könnte denn eine Alternative sein? Jetzt einfach zu fordern Polizei abzuschaffen, würde doch auch völlig nach hinten losgehen.“ „Das wäre zumindest ein guter Anfang.“, hielt Inaya dagegen und die beiden verflochten sich sogleich wieder in ihre typische Diskussion. Luk warf Luzi einen genervten Blick zu und sie zuckte entschuldigend mit den Schultern. Sie ließen die beiden diskutieren und Luzi probierte währenddessen von Luks Kuchen, der wirklich fantastisch schmeckte. Als sie sich zu emm beugte, warf sie einen Blick zum Nebentisch und bemerkte Lydias Blick, der anscheinend gedankenverloren auf ihnen ruhte. Dann bemerkte auch Lydia ihren Blick und sie lächelten einander an.



copyright © by EimoH. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.





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