von orange_girl
Es ist zu spät, die Strassen schon dunkel und leer. Und doch brennt immer noch die Kerze in der Küche, sitzen wir uns immer noch gegenüber.
Die Schweigephasen werden immer länger und intensiver. Das was zu sagen war, ist gesagt – oder hängt in der Warteschleife, auf Abruf bereit. Vorsichtig gleiten unsere Augen über das Gesicht des Gegenübers, ängstlich erforschend, wie tief das Gesagte eingedrungen ist.
Gefühle schweben durch den Raum. Unsicherheit. Zuneigung. Angst. Zärtlichkeit. Verletzung. Trauer. Zweifel. Liebe?
Alles vermischt sich miteinander, ist kaum noch zu trennen. Eigentlich, wollten wir alles klären. Quasi zwischen uns aufräumen, aber jetzt ist alles durcheinander.
Chaos – Du und ich bedeutet immer Chaos. Nichts ist wie es soll, nichts, wie wir es wollen. Alles ist immer anders. Wir stoßen einander weg, wenn wir zusammen sein wollen und ziehen uns an, wenn wir uns trennen wollen. Zwei Magnete im Universum, die umeinander rotieren und nie zur rechten Zeit die richtige Richtung anzeigen.
Die spärlich beleuchtete Küche ist heute der Schauplatz des Experiments. Heute – drei Jahre nach unserer letzten Begegnung. Dunkelheit und Stille um uns. Wärme und Licht zwischen uns. Laut der Schmerz unserer gemeinsamen Einsamkeit. Was nun?
Das Ticken der Uhr durchschneidet die Stille, macht sie erträglicher. Aber eben nur die Stille, nicht die Situation.
Ich bin bei mir. Es ist das erste Mal, dass ich das in Deiner Nähe so empfinde. Bei mir sein und Dir nahe sein, das ist ein ganz neues Gefühl. Es ist gut, es tut gut.
Wird es gut? Und wenn es gut wird, bleibt es dann gut?
„Ja.“
Ich zucke beim Klang Deiner Stimme zusammen. Hatte ich meine Fragen etwa laut ausgesprochen? Fragend blicke ich in Deine Augen.
„Ja!“
Deine Hand berührt meine. Ein Stromstoss durchzuckt meinen Körper. Meine Haut prickelt. Mein Herz rast. Das Experiment ist nicht mehr zu stoppen. Das Universum hält die Luft an. Ich halte die Luft an. Du hältst die Zeit an.
Unsere Gefühle erzeugen ein Vakuum, das alles in sich aufsaugt.
Langsam, unendlich langsam nähern sich unsere Gesichter einander.
Es ist spät, die Strassen schon dunkel und leer. Und doch brennt immer noch die Kerze in der Küche. Wir sitzen uns nicht mehr gegenüber, sondern liegen einander in den Armen, in einem Kuss vereint.
Es ist nie zu spät.
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orange_girl. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.