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Mir kann so etwas nicht passieren!

von Yasodhara


Mir kann so etwas nicht passieren! Dachte sie und lachte innerlich. Zum Psychologen, mit 17, 18 Jahren!! Mein Gott, na dann ist doch eh alles gelaufen. Und sie tingelte weiter hochnäsig durch den Tag.
Heute ist sie anders. Sie geht selbst zur Therapie, weil sie nicht richtig essen kann, weil sie sich nicht konzentrieren kann, weil sie sich hasst. Mit Narben auf Unterarmen und in der Seele, fällt es ihr oft schwer, früh aufzustehen und zur Schule zu gehen. Wo es doch weiß Gott andere Probleme gibt!!
Eigentlich ist es schon fast lustig, eine bisexuelle Bulimiekerin, ohne Eltern, ohne ein geordnetes Leben. Gab es da nicht mal einen Song von den Ärzten oder den Hosen mit "schwarze, behinderte Lesbierin"
Dabei fing alles so gut an. Trotz der Trennung von ihrem Freund zu dem sie ursprünglich ziehen wollte, war sie stark genug um alleine in die Hauptstadt zu ziehen. Mit 16 war es nicht einfach in ein Hochhaus zu ziehen in dem so viele Menschen leben wie ursprünglich in dem Dorf aus dem sie kam.
Irgendwann begann sie sich die Mädels in ihrer neuen Schule näher anzuschauen. Einige fand sie regelrecht attraktiv. Etwas verwirrt über diesen Gedanken, bemerkte sie zusätzlich dass sie sich mit ihnen verglich. Sie kam sich etwas unansehnlich vor. Da sie hier ihren Sport nicht weiter betreiben, hatte etwas zugenommen. Das war im Herbst noch gar niemandem aufgefallen, doch über die Wintermonate waren es dann schon 10 Kilo mehr. In ihrer Heimat sprach sie nun nahezu jeder darauf an, und das nicht immer freundlich. Miri gerat in eine Art Panikzustand und versuchte mit allen Mitteln abzunehmen. Mit Sport, Hungergefühlunterdrücker und gesunder Nahrung. Doch der Sport artete in Exzesse aus, die teuren Matrikur Tabletten waren reinste Halsabschneiderei und mit der gesunden Nahrung klappte es auch nicht so recht. Doch plötzlich schien die perfekte Lösung für sie gefunden zu sein: die Toilette. Nun konnte sie essen was und wie viel sie wollte, und sah immer noch gut aus. Und die anderen Püppies in der Schule, im Fernsehen und in den Katalogen müssen sich mit Diäten und Sport abquälen! Das waren die Gedanken die Miri für die Bestätigung ihres Tuns so hatte.
Über die Sommermonate im nächsten Jahr hatte sie die Bulimie wieder annährend unter Kontrolle und war auch mit sich zufrieden. Was fehlte war die körperliche Nähe eines Menschen, die sie schon längere Zeit nicht mehr hatte. Doch was will ich eigentlich? Bei dem Gedanken an die letzten Beziehungen mit Jungs war ihr gar nicht so wohl. Sie gingen gar nicht richtig auf mich ein, hörten mir zwar zu doch vergaßen sie meine Worte schnell und beim Sex, na ja, war eigentlich auch nicht immer so toll....
Eine Frau, ja eine Frau kennt die Bedürfnisse doch am Besten, da ist die Wahrscheinlichkeit auf Verständnis und Zärtlichkeit gewiss um einiges höher. Mit der Idee, es mal mit einer Frau zu probieren, durchstöberte Miri nun euphorisch diverse Internetseiten . Da waren einige ganz interessante. Sie schrieb zweien oder dreien, die ihr gefielen und tatsächlich bekam sie auch eine Antwort. Beim öffnen der Mail schlug ihr Herz schon höher. Ich schreibe mir hier echt mit einer Frau! Wow! Das erste Treffen ließ nicht lange auf sich warten, es fand spontan an einem Sonntagabend im November statt. Und dieser Abend hat es ihr auch tatsächlich angetan. Sie war jünger als Miri, hatte rotes Engelshaar, eine glatte blasse Haut und super süße Sommersprossen. Wenn ich nur nicht so verklemmt wäre!! Sie saß schon ein Weilchen auf dem Bett und erzählte irgendetwas, als sie sich an die Wand lehnen wollte. Mit aufregendem Gefühl und Gänsehaut bei dem Gedanken an einen Kuss verfolgte sie das wunderschöne, bezaubernde Mädchen im Zimmer. Völlig unerwartet setzte es sich ebenfalls aufs Bett und im gleichen Moment gab sie Miri einen leidenschaftlichen Kuss. Danke! Danke dachte sie, dass sie den ersten Schritt gemacht hat. Völlig verliebt du grinsend in der Bahn sitzend fuhr sie am nächsten Morgen zur Schule. Die beste Freundin merkte bald, das etwas anders ist als sonst und Miri erzählte schüchtern von ihrer Nacht. Es sollte natürlich strengstens geheim bleiben.
Leider hielt das Glück nicht lange an. Zwei Wochen waren's vielleicht. Zu jung war sie wohl, zu unentschlossen, dieser unahbare Engel. Mit Gedanken an die Exfreundin verkroch sich Miri's große Liebe in ihre Gruftiwelt und verschloss sich ihr gegenüber.
Gebrochen stand Miri nun erneut allein und durcheinander vor den Wintermonaten. War ich ihr zu fett? Ist es die Narbe von dieser einen blöden OP am Bauch, die mich unattraktiv macht? Unzählige Gedanken quälten sie und eh sie sich versah, hatte die Bulimie sie wieder voll im Griff. Es begann ihr wohl schrecklichster Lebensabschnitt. Mehrmals am Tag überfielen sie Fress- und Brechanfälle. Der Tagesablauf war monoton. Schule, Einkaufen, Essen, Kotzen. Sie wurde depressiv, dachte unentwegt an den Tod, schwänzte ab und zu die Schule, war krank, wurde schwach. Als Alternative zum schmerzhaften Übergeben schnitt sie sich in die Unterarme, das tat sogar weniger weh und der Selbsthass fiel ganz plötzlich von ihr ab.
Im nächsten Frühling überlegte sie sich den Sinn ihres Lebens und stellte für sich fest, dass es so nicht weiter gehen kann. Sie wollte sich noch eine letzte Chance geben, bevor sie ihrem kläglichen Dasein ein Ende machen will. Da war die Mutter ihres Exfreundes von damals. Zu ihr hatte sie sehr guten Kontakt, mit konnte sie bisher über alles reden. Sie wusste auch über das Mädchen im letzten November bescheid. Aber ihr so etwas erzählen würde sie bestimmt nur unheimlich belasten, dachte Miri und schwänzte an einem Mittwoch im Februar mal wieder die Schule.
Sie wollte an diesem Tag zu einer Stiftung, welche Leuten wie ihr Hilfe versprach. Die Schule war ihr eh eigentlich schon egal. Am anderen Ende der Stadt angelangt, klingelte sie mit großer Aufregung und Unwohlsein an der Tür. Eine junge schlanke Frau öffnete ihr. Mit zittriger Stimme und Tränen in den Augen erklärte Miri annährend ihr Problem, denn es war ihr höchst peinlich darüber zu sprechen. Die Frau erzählte ihr irgendetwas und gab ihr Infomaterial mit. Scheisse! Das kostet ja richtig Geld!! Über 5000 DM, wo soll ich dieses Geld hernehmen??!! Verzweifelt heulte sie sich in ihrer Wohnung aus. Am Nachmittag fuhr sie zur Mutter ihres Ex's, welche zu diesem Zeitpunkt schon als ihre Pflegemutter galt. Beim Erzählen versprach sich Miri und es kam heraus, dass sie nicht zu Schule gegangen ist. Alle Versuche sich herauszureden scheiterten, die Mutter kannte sie schon zu gut. Miri vertraute ihr unter großer Anspannung und Schamgefühl also die Problematik an. Und Gott sei Dank, half die Mutter ihr und leitete sofort alle nötigen Wege ein, damit die Kleine schnellstmöglich wieder ihr Leben in den Griff bekommt.
Heute macht Miri Therapie und hat auch schon wesentliche Fortschritte gemacht. Lustig über andere Leute die zum Psychologen gehen macht sie sich ganz bestimmt nicht mehr. Vielleicht hat sie daraus gelernt, wesentliche Dingen an Menschen zu erkennen und zu schätzen. Immerhin braucht solch eine Entscheidung schon einiges an Kraft und Willensstärke.
Was ihr noch fehlt, ist ein Mensch an ihrer Seite, welcher zu ihr hält, die Nächte mit ihr durchquatscht und ihr etwas von dem gibt, was sie nun bitter nötig hat: Liebe und Vertrauen. Guten Mutes geht Miri ihren Weg. Hoffen wir, dass sie die Liebe wiederfindet und ein glückliches Leben führen wird.



copyright © by Yasodhara. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


nicht schlimm
Ich habe auch einige Freunde, die ähnliche Lebensabschnitte wie Miri durchgemacht haben und ich gehe ab nächsten Monat auch zu einer Psychologin und für mich ist da überhaupt nichts schlimmes dran
piper - 13.06.2002 14:25
Glück
scorpio - 11.06.2002 20:54

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