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Nie vermutet

von ExcuseMe


Und wieder einmal sitze ich hier und starre ein Loch in die Wand. Der Rauchmeiner Zigarette vernebelt den Raum, sodass die leise Musik ihren Klangschon fast verliert. Draußen herrscht ein Gewitter, das richtig zu meinerLaune passt. Wer sitzt schon Freitag Abend allein zu Hause herum? Bestimmtniemand! Aber was soll ich denn schon wieder in diesem Pub? Es ist jedesWochenende das Gleiche, immer die selben Leute, die gleiche Musik. Daraufhabe ich einfach keine Lust. Vor allem wenn ich die knutschenden Pärchen injeder Ecke stehen sehe, bekomme ich schon Einen zu viel.
Ob Jenny geradewieder eine mit ihrem tollen Nico besetzt? Ach, das ist mir auch eigentlichegal, Hauptsache ich muss nicht dabei zusehen. Seitdem Sascha mit mir Schluss gemacht hat, kann ich das ganze Getue um diegroße Liebe nicht mehr ertragen. Er hat wahrscheinlich gar nichtregistriert, dass ich ihn über alles geliebt habe.
„Es stimmt für mich nicht mehr“, das waren die Worte, mit denen er mich nachzehn gemeinsamen Monaten abspeisen wollte. Ich kann und werde seinenEntschluss nie verstehen.
Früher war alles schöner, als Jungs bei uns noch keinen Platz hatten. Jennyund ich warenunzertrennlich. Jedes Wochenende haben wir etwas anderes unternommen. KeineNacht wurde alleine verbracht. Entweder schlief ich bei ihr, oder sie beimir. Wir haben oft bis zum Morgengrauen geredet und gelacht. Mit ihr konnteman wirklich über alles reden, sie war schon sozusagen meine persönlichePsychologin. Aber ich glaube die Zeiten der besten Freundinnen sind vorbei.
Für sie zählt nur noch dieser blöde Kerl. Ich glaube, dass nichts auf derWelt ewig besteht. Also muss man sich jeder Situation stellen, ob es einempasst oder nicht.
Es klopft an der Tür und schon steht Mama im Zimmer. Ich verstehe gar nicht,wozu sie überhaupt klopft, wenn sie sowieso meine Antwort nicht abwartet.
„Guten Abend, willst du heute nicht weggehen? Tina hat eben angerufen undnach dir gefragt. Ich dachte du bist schon unterwegs.“ „Nein Mom, ich möchteheute Abend nichts machen, wenn es denn Recht ist?!“ Ich weiß ja nicht washeute in sie gefahren ist, aber sonst meint sie immer ich wäre nur unterwegsund sollte doch mal zu Hause bleiben. „Was ist dir denn für eine Laus überdie Leber gelaufen? Bedrückt dich irgendetwas?“ „Nein, alles bestens. Ichbin nur ziemlich müde.“ Immer ihre blöde Fragerei, ob mich etwas bedrückt.
Jedes Mal die selbe Leier und dann auch noch immer auf diese „Ich bin deinebeste Freundin Art“, mir kannst du alles erzählen. Wie ich das hasse. Sieglaubt doch wohl selbst nicht, dass ich ihr meine Probleme anvertrauenwürde. Oder etwa doch? „Dann schlaf dich mal aus und ruf bitte Tina zurück.
Papa und ich gehen noch zum Italiener.“ „Mach ich!“ „Dann bis nachher!“Schön, dass die beiden mal weggehen, dann habe ich wenigstens mal für zweiStunden Ruhe.
Ich glaube, ich muss jetzt erstmal Tina zurückrufen. Das viele Nachdenkenbekommt mir heute nicht besonders gut. Meine Laune ist nur noch schlechtergeworden.
„Hi Tina, hier ist Lana. Du hattest angerufen, was liegt an?“. „Ich wolltedich fragen, ob wir heute Abend was zusammen unternehmen wollen.“ Mhhh,warum eigentlich nicht. Mit Tina kann man wenigstens noch normal reden, imGegensatz zu Jenny. „Von mir aus gerne, aber eins weiß ich, ich werde nichtin diesen Pub gehen.“ „Nein, dazu habe ich auch keine Lust. Wollen wir unseinen Film ausleihen?“ Klingt nicht schlecht, denke ich mir. „Das können wirmachen. Zu viel mehr bin ich momentan sowie nicht in der Lage. Kommst du beimir vorbei?“. „Ja, ich bin in einer halben Stunde bei dir.“ Und schon höreich nur noch das Tuten im Hörer.
Das ist typisch Tina. Vom Verabschieden hält sie nicht viel. Aber ich magihre Art. Sie ist zwar ziemlich aufgedreht, aber dennoch hat sie eine sehrliebevolle Art die sie in jeder Situation beibehält. Das ist schon fastbewundernswert. Ich habe sie noch nie nie wütend erlebt.
Damals war sie immer für mich da, als Sascha mir sein Aus verkündet hatte und Jenny nichtsaußer ihrem Nico im Kopf hatte. Tina war der einzige Mensch, mit dem ichgeredet habe. Ohne sie wäre ich wahrscheinlich heute, nach einem halben Jahrnoch nicht über diesen Blödmann hinweg. Aber jetzt kann ich zurückblickenund darüber lächeln.
Es klingelt an der Haustür. Ist es schon Tina?
Normalerweise kann man beiihr eine Stunde rechnen, wenn wir eine halbe ausgemacht haben. Aber werweiß, vielleicht hat sie sich ja wirklich mal beeilt. Ich öffne die Tür undsehe ihr liebevolles Lächeln.
„Na du, ich hoffe ich bin nicht zu früh. Der nächste Bus wäre erst eineStunde später gefahren.“ Sie schiebt mich mit ihren klitschnassen Klamottenweiter in den Flur und zieht ihre Schuhe aus. Ich finde es sehr amüsant,dass sie dabei fast umfällt. Mir huscht ein leichtes Grinsen über den Mund.
„Nein du bist nicht zu früh. Freut mich, dass du schon da bist.“ Wir gehenin mein Zimmer und setzten uns auf die Couch. „Du siehst gar nicht gut aus,ist was nicht in Ordnung?“, fragt sie mit einem besorgten Blick. „Doch, dochich bin nur ziemlich fertig. Wir haben doch heute Bio geschrieben. Ich habegestern noch bis in die Nacht gelernt, was ich mir aber hätte sparenkönnen.“ „Du Ärmste, ich weiß schon, warum ich dieses Fach nicht gewählthabe...“. Sie lächelt ein wenig triumphierend, was ich ihr nicht verübelnkann. „Auf welchen Film hast du Lust?“, frage ich sie, um auf ein anderesThema zu kommen, da ich im Moment die Schule satt habe. „Ich weiß nicht sogenau, lass uns doch einfach spontan entscheiden.“
Nach eine Weile machen wir uns auf den Weg zur Videothek, die nur ein PaarStraßen weiter entfernt ist. Ich hasse es Videos auszuleihen, da wir immerEwigkeiten brauchen, bis wir uns entschieden haben. Aber heute geht es ganzschnell. Tina zeigt mir einen Film und ich stimme zu, ohne mir die Hüllerichtig angesehen zu haben. Mir ist es heute ganz egal was wir unsanschauen, solange es keine langweilige Lovestory ist.
Wahrscheinlich kenntsie den Film schon, sonst hätte es länger gedauert. „Ich habe gehört dersoll ganz gut sein.“ sagt sie und verschwindet an die Theke. Dann gehen wirschnell nach Hause, denn es ist immer noch heftig am regnen.
Endlich angekommen, stürmen wir beide schnell hoch um den besten Platz derCouch zu ergattern.
Als ich mich gerade hinsetzen will, völlig außer Atem, schiebt sich Tina,kaum das ich es mitbekomme, lachend, unter mich. Ich kann mich nicht mehrhalten und falle ich auf sie. Ich muss auch anfangen zu lachen, doch dannverzieht sich plötzlich ihr Lächeln zu einem ernsten Ausdruck. Ihr Blickwirkt auf einmal so intensiv, als ich sie anschaue. So schaut sie öfter, dasist mir schon am ersten Tag aufgefallen, als sie zu uns in die zehnte Klassekam. Diesen Blick werde ich niemals vergessen. Er hat in mir eine ArtVertrauen zu ihr erweckt. Ich hatte schon nach kurzer Zeit das Gefühl, ihralles erzählen zu können, egal was und wie schlimm es war.
Ich stehe auf, schiebe den Video in den Rekorder und gehe noch in die Kücheum Chips und Getränke zu holen. Als ich wiederkomme, liegt Tina längs aufder Couch unter der Wolldecke und grinst mich frech an.
Ich lege mich hintersie unter die Decke und wir beginnen den Film zu schauen. Doch irgendwie istder wirklich mein Geschmack. Ich kann die Personen nicht auseinander haltenund die Handlung des Films hat sich wohl vor mir versteckt. Vielleicht liegtdas auch nur an meiner Müdigkeit denke ich mir und gegen meinen Willenfallen mir die Augen zu.
Nach einer Weile wache ich wieder auf. Doch irgendwas ist anders als eben.
Mein Kopf liegt auf Tinas Schoß, die nachdenklich aus dem Fenster schaut und ganz zärtlich meinen Hals streichelt. Es ist ein schönes Gefühl, aberirgendwie bin ich etwas verwirrt. So hat mich bis jetzt nur Sascha berührt.
Aber warum denke ich jetzt bloß wieder an diesen Idiot? Schnell entferne ichdiesen Namen wieder aus meinen Gedanken und genieße einfach ihre Zuwendung.
Ich wühle zu oft in alten Zeiten herum. Aber über Tinas Vergangenheit weißich nicht viel, sie erinnert sich nicht gerne daran zurück hat sie uns allendamals erzählt. Danach hat sie auch niemand mehr gefragt.
Ich weiß nur, dasssie von einer anderen Schule geflogen ist und ihre Eltern sie dann zu ihrerTante, wo sie jetzt lebt, nach Berlin geschickt haben. Das muss schlimmsein, wenn die Eltern einen fort schicken. Aber vielleicht ist sie ja auchfreiwillig gegangen. Berlin klingt ja schon verlockend.
Tina hat aufgehört mich zu streicheln und versucht vergebens mit beidenHänden die Fernbedienung zu drücken. Was sie nicht weiß ist, dass ich letzteWoche die Batterien für meinen Discman entnommen habe. Ich muss auf einmaldarüber lachen. „Was ist denn los, warum lachst du?“, fragt sie und mussdabei selbst grinsen. „Es sind keine Batterien drin, du kannst es aber ruhignoch länger versuchen, ich finde es lustig dich dabei zu beobachten.“ ichlächle sie an und kneife dabei ein Auge zu. „Ok, dann eben kein Fernsehen.“sagt sie lächelnd. „Du Tina, darf ich dich mal etwas fragen?“ „Natürlich,was denn?“ Ich überlege, wie ich meine Frage am besten formuliere, damit sienicht wieder sofort abblockt. „Vermisst du nicht manchmal deine altenFreunde?“ Tinas Augen verdunkeln sich. Sie richtet sich etwas auf und schautaus dem Fenster raus. Ich überlege kurz, ob ich meine Frage einfachunbeantwortet lassen soll, aber ich bin zu neugierig. Nach langem Zögernbeginnt sie, „Nein, ich vermisse nur einen Menschen, und der Rest kann mirgestohlen bleiben.“ Ich kann mir die nächste Frage nicht verkneifen. „Wen?“,frage ich gespannt. Tina wirkt ganz nachdenklich, aber nicht mehr so bösewie eben. Ihr Blick ist wieder halbwegs normal. „Lana, ich werde dir alleserzählen, wenn du willst, aber behalt es bitte für dich. Ok?“ Ich binerstaunt über ihr Angebot. Tina ist wahrscheinlich die beste Zuhörerin derWelt, aber von sich hat sie noch nie etwas erzählt. Ich setzte mich auf undzünde mir eine Zigarette an. „Ja, ich werde es für mich behalten.“ Sie holteinmal tief Luft und beginnt zu erzählen. „Wie du weißt, bin ich ja inDüsseldorf von der Schule geflogen. Das war kein normales Gymnasium, sondernein Mädcheninternat.“ Ich schaue Tina erstaunt an. Ich kann es mir nichtvorstellen auf eine Schule mit lauter Mädchen zu gehen, wo ich auch nochgleichzeitig wohne. So ganz ohne Jungs wäre es ja auch doof, auch wenn siedie größten Idioten sein können. „ Meine Eltern haben mich dort hingeschicktals ich dreizehn Jahre war. Ich habe damals viel Scheiße gebaut und siekamen damit nicht mehr klar. Also haben sie mich in das Internat gesteckt.
„Was hast du denn bitte angestellt, dass sie dich direkt auf einMädcheninternat geschickt haben?“. „Ich bin an die falschen Leute geraten.
Wir haben Drogen genommen und geklaut um das Zeug zu finanzieren. Ich warkaum noch zu Hause und bin auch nur noch zur Schule gegangen, wenn ich Lustdazu hatte. Deswegen bin ich natürlich immer negativ aufgefallen. Irgendwannhaben dann die Lehrer meine Eltern verständigt, aber ich hab sie einfachnicht an mich rangelassen. Also haben sie die ganze Nacht lang gewartet, bisich endlich um acht Uhr morgens nach Hause gekommen bin und dann haben siemich mit aller Kraft ins Auto gezerrt. Ich wusste natürlich, dass das fürmich nichts Gutes zu bedeuten hatte und habe mich gewehrt, was mir aberaußer einer heftigen Ohrfeige nichts genützt hat. Als wir ankamen sah ichnur das Schild auf dem Gebäude >Christliches Mädcheninternat St. Maria< undmir liefen schon die Tränen in die Augen“. Ich bin ziemlich platt von dem,was sie mir hier erzählt. So etwas hätte ich nicht von ihr erwartet. Daspasst überhaupt nicht zu ihr. Ich schaue sie schockiert an, doch sie hat dieAugen geschlossen und setzt fort. „Ich dachte in diesem Moment nur noch, ichträume und wache jeden Moment wieder auf. Aber leider falsch gedacht. MeineEltern schleppten mich in ein Lehrerzimmer, wo ich von einer Nonneausgefragt wurde. Dann verabschiedeten sie sich und ich wurde auf einZimmer gebracht. Mein Vater hatte schon mein Gepäck auf den Flur gestellt.
Die Nonne öffnete eine der vielen Türen und ich betrat das Zimmer. Es warleer. Zwei Betten mit jeweils einem Nachttisch standen sich an den Wändengegenüber. Irgendwo dazwischen war noch ein kleines Fenster und einKleiderschrank. Sie nuschelte irgendetwas von neun Uhr zur Kirche undverschwand wieder. Ich ließ mich wütend auf das Bett fallen. Ich konnte dasalles nicht glauben. Kannst du dir das vorstellen?“ Tina sieht mich fragendan. In meinen Gedanken habe ich alles genau vor Augen. Ich bin so perplex,dass ich ihr gar keine Antwort gebe. „Eine Stunde später klopfte es an derTür. Ich lag noch immer auf dem Bett, mein Kopf in dem Kissen versunken.Jemand kam herein und streichelte mir über den Kopf. Ich blickte langsam aufund sah ein Mädchen neben mir stehen. Sie war klein, schlank und hatte dieliebevollsten, blauen Augen, die ich je gesehen habe. Ihr Name war Nina undsie war genauso alt wie ich. Sie kam gegen Ende der Woche zu mir auf meinZimmer. Irgendwann wurden wir beide unzertrennlich. Sie half mir meineVergangenheit zu vergessen. Wir besoffen uns oft in den Nächten mit denanderen Mädels, die eigentlich alle ganz okay waren. Aber Nina war für michetwas ganz Besonderes, denn ohne sie hätte ich die Anfangszeit nichtdurchgestanden. Übrigens meine Eltern riefen mich einmal im Monat an um zufragen, ob es mir gut ginge. Ich fand das total überflüssig und nach einerWeile legte ich einfach den Hörer auf Seite.“. „Ich kann das kaum glauben,das ist ja echt total krass. Aber erzähl weiter, ich bin auf den Restgespannt“, sage ich und konzentriere mich sofort wieder auf Tina, der einkleines Grinsen über das Gesicht huscht. „Wie du willst. Aber jetzt kommtder für dich vielleicht schockierendste Teil.“ Tina schaut etwasverunsichert zu mir rüber, aber ich nicke ihr zuversichtlich zu. „Ok,mittlerweile waren schon zwei Jahre vergangen und es hatte sich so gut wienichts geändert. An dem Abend vor meinem Sechzehnten kam Nina auf die Idee,unser Zimmer umzustellen. Da wir sowieso im Dritten Stock wohnten und so gutwie nie eine von den Nonnen oben war, fingen wir einfach an. Natürlich nachzehn Uhr, weil dann die Nonnen zu Bett gingen, wo wir ja eigentlich auchhätten sein sollen. Wir stellten den Schrank in eine andere Ecke und unserebeiden Betten zusammen. Das war gar nicht mal so einfach, das Zeug stammteja fast noch aus dem Mittelalter und wog eine halbe Tonne.
Aber dann hattenwir es endlich geschafft. Danach schlichen wir uns rüber auf das andereMädchenzimmer und tranken in meinen Geburtstag hinein.
Nachdem mir allegratuliert hatten versuchten wir uns so leise, wie möglich wieder in unserZimmer zu gelangen. Aber ich war die ganze Zeit am lachen, wir hatten beiderichtig einen in der Krone. Irgendwann lagen wir dann endlich im Bett. Ninakramte etwas unter ihrem Bett hervor. Es war ein kleines Päckchen. Sie gabes mir und sagte ganz ernst >Tina, du bist das Beste, was mir je passierenkonnte<. Ich lächelte sie an, umarmte sie und öffnete das Geschenk. Darinwar ein kleiner silberner Ring mit einem chinesischen Zeichen. Er war schön.
Ich zog ihn gleich an und bedankte mich bei ihr mit einem Küsschen. Sieerklärte mir, dass es >Liebe< bedeutet. Ich sah ihr noch mal in ihre liebenAugen und dann knipste ich das Licht aus. Nina kuschelte sich an mich. Aufeinmal spürte ich ihre weichen Lippen an meinem Ohr. Aber ich nahm das kaumwahr, denn es drehte sich alles. Doch dann begann sie langsam an meinen Halsentlang zu wandern. Ich war total verwirrt. Ich wusste gar nicht, was ichmachen sollte. Aber ich wollte auch nichts machen, denn es war ein schönesGefühl, was sie da in mir auslöste. Ich bekam Gänsehaut und es kribbelte inmeinem Bauch. Ich drehte mich vorsichtig um und sie küsste mich. Aber nichtso, wie man sich unter Freundinnen küsst. Nein, mit voller Leidenschaft. Icherwiderte ihren Kuss. Sie glitt mit ihren zärtlichen Händen unter meinT-Shirt und streichelte mich, so vorsichtig und gefühlvoll. So etwas kannteich gar nicht von den Kerlen mit denen ich davor etwas gehabt hatte. Es warmir viel vertrauter, obwohl es mir eigentlich komisch hätte vorkommenmüssen. Aber ich genoss es. Es war die unvergesslichste Nacht meines Lebens.
Ich habe mich wahrscheinlich schon in sie verliebt, als sie am ersten Tagvor mir stand, aber ich habe es einfach ignoriert, obwohl wir wahrscheinlichim Endeffekt beide wussten, dass die andere genauso fühlt.
Doch wir durftenuns nichts anmerken lassen. Ein lesbisches Pärchen auf einem christlichenInternat, das war streng tabu.“
Ich schaue Tina ungläubig ins Gesicht. Sie sieht mich lächelnd an und fragt„Na, schockiert?“ Ich überlege kurz. Bin ich wirklich schockiert? Nein,schockiert nicht, aber was dann? Irgendwie finde ich das Ganze äußerstaufregend. „Nein im Gegenteil, ich bin erstaunt, ich dachte immer, dassLesben wie Männer rumlaufen und nicht so attraktiv sind wie du.“ Bei diesemKompliment errötet Tina und ich kann mir ein freches Grinsen nichtverkneifen. Doch sie wird gleich wieder ernst „Nein, jetzt mal im Ernst. Wassagst du dazu?“ Was will sie jetzt von mir hören? „Tina, ich find es totalgenial von dir, dass du mir deine Vergangenheit anvertraust. Ich binkeineswegs schockiert, enttäuscht oder sonst etwas, denn du bist meineFreundin, und wenn das dein Weg ist glücklich zu sein, dann ist das gut so.
Aber jetzt musst mir unbedingt erzählen, wie es weitergeht!“ Ich sehe einekleine Erleichterung in ihr aufsteigen. Sie hat wohl damit gerechnet, dassich anders reagiere. Aber warum sollte ich? Eigentlich hab ich mir noch nieGedanken darüber gemacht, wie es sein könnte ein Mädchen anstatt einen Kerlzu küssen oder zu berühren. Tina richtet sich auf und setzt fort „Also, wirhingen auf diesem schrecklichen Internat fest, was aber auch andererseitsein Vorteil war. So konnten wir wenigstens jede Nacht zusammen verbringen.
Aber wir mussten super vorsichtig sein, dass es keiner mitbekam. Die anderenMädels wären bestimmt total abgedreht, wenn sie es gewusst hätten. Die habenja schon beim kleinsten Pickel den Krisenrat zusammengerufen. Jedenfallsging es auch eine ganze Weile gut mit uns beiden. Unsere Beziehung wurde vonTag zu Tag intensiver. Wir liebten uns über alles. Doch an einem Sonntagmorgen, es war gegen Ende der zehnten Klasse, verschliefen wir beide.
Eigentlich standen wir immer so früh auf, dass keine der Nonnen oder deranderen Mädels in unser Zimmer kam, um uns zu wecken. Aber dieser kleineFehler zerstörte alles. Normalerweise hatte man sonntags um zehn Uhr in derKirche zu sitzen, aber unser letzter gemeinsamer Abend hatte sich etwasdahin gezogen. Also lagen wir noch todmüde und ziemlich unbekleidet inunserem selbstkonstruierten „Ehebett“. Auf einmal riss jemand die Tür auf,und schrie wie bekloppt „Aufstehen!“ Wir waren beide noch im Halbschlaf,doch als ich meine Augen öffnete und die sprachlose Sophie vor mir stehensah, erschrak ich und versuchte verzweifelt mein T-Shirt unter der Decke zufinden. Nina hatte noch gar nichts gepeilt und sagte lächelnd noch mitgeschlossenen Augen „Hey Süße, warum schreist du denn so?“
Ich fühlte michals stände ich neben mir. Ich lag nackt neben Nina und vor meinem Bett standSophie, die sich überhaupt nicht mehr unter Kontrolle bekam. Sie warkreidebleich und starrte mich psychotisch an. Ich schubste Nina, damit sieendlich wach wurde. Aber irgendwie hatte sie das falsch verstanden. Anstattdie Augen zu öffnen beugte sie sich über mich und gab mir einen Kuss. Sogern ich sie auch geküsst hätte hielt ich sie davon ab, und zeigt zur Türhin. Als sie Sophie erblickte erschrak sie sich genau wie ich und schrie,dass sie verschwinden sollte. Doch sie bewegte sich keinen Zentimeter. Ichhabe heute noch dieses blasse, verschreckte Gesicht vor Augen. Dann sprangNina mit einer der beiden Decken umhüllt auf, und schob Sophie auf den Flur.
Als sie wieder im Zimmer war, zogen wir uns beide schnell an. Wir sprachenkein Wort miteinander. Als wir uns auf den Weg zur Kirche machten wurde unsbeiden klar, dass dass unsere letzte Begegnung sein würde.
Also änderten wirunser Ziel und bogen in Richtung Wald ein. Dort unter unserem Lieblingsbaum,wo wir schon so oft saßen, wenn wir alleine sein wollten schliefen wir zumletzten Mal miteinander. Wir wussten, was auf uns zukommen würde. Am Abendals wir zurückgingen, empfing uns schon in der Halle die Direktorin undverlangte uns in ihrem Büro. Natürlich hatte Sophie den ganzen Mädelserzählt, was sie gesehen hatte und irgendwie war es dann auch zu den Nonnendurchgedrungen. Jedenfalls hatte die Direktorin es schon meinen Elternerzählt und die standen auch noch am selben Abend vor der Tür. Meine Mutterweinte die ganze Zeit und in den Augen meines Vaters war purer Hass zuerkennen. So kam ich dann zu meiner Tante nach Berlin.
Nina wurde auchabgeholt, aber ich weiß bis heute nicht, wo sie ist.“ Bei den letzten Wortenläuft Tina eine Träne aus den Augen. Mich hat ihre Geschichte ziemlichmitgenommen, denn ich muss auch mit den Tränen kämpfen.
Tina schaut mich anund sagt „Hey Lana, mach dir keine Sorgen. Ich habe mich damit abgefunden,dass ich sie verloren habe. So ist das eben. Ich glaube ich werde jetztbesser gehen, bevor du gleich auch noch weinst.“ Bei ihren Worten steht sieauf, haucht mir einen Kuss auf die Wange und verschwindet bevor ich nochetwas sagen kann.



copyright © by ExcuseMe. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


wow
muss mch anschließne der schreibstil gefällt mir acuh sehr gut... hab eigentlich an nix was auszusetzen..^^
klein-murmel - 19.03.2005 12:15
schön...
lizzy - 18.09.2004 23:09
Also
N-Punk - 29.07.2004 13:17
Fortsetzung folgt !!?!?!!
chaosGIRL - 29.07.2004 11:44
Fortsetzung?!
Jette-NRW - 29.07.2004 09:59

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