von Leeny84
Es ist doch nur ein Parkplatz. Nichts weiter als ein kalter, grauer Ort. Hin und wieder wird er mit Farbe gefüllt - wenn ein Fahrer sein Auto abstellt, um im nebenstehenden Geschäft Lebensmittel zu kaufen. Genauso wie Du es damals getan hast.
Nach einem netten Abend mit Freunden wolltest Du mich nach Hause fahren. Nun saß ich in Deinem Auto, auf diesem Parkplatz und wartete, bis Du wieder aus dem Geschäft herauskamst. Vor Ladenschluss wolltest Du schnell noch ein paar Sachen holen, um Deinen Kühlschrank etwas zu füllen. "Ich bin gleich wieder da" höre ich Dich noch immer sagen. Dein Duft stieg mir in die Nase. Ich blickte mich um. Es war die einzige persönliche Note, die Dein Auto trug. Nichts hing am Rückspiegel, nichts lag auf dem Armaturenbrett, kein noch so kleiner Zettel, der vergessen wurde und nun hätte irgendwo rumliegen können. Ich erinnerte mich daran, wie nah Du mir vor zwei Minuten saßt. Deine rechte Hand ruhte während der Fahrt eine Weile auf dem Schalthebel, nur wenige Zentimeter von meiner linken Hand entfernt. Ich hätte nur ein wenig meine Finger strecken müssen, um Dich zu berühren. Meine Gedanken kreisten ununterbrochen um diese Versuchung. Doch ich hielt ihr stand. Nein, ich traute mich einfach nicht. Ab und zu blickte ich zu Dir herüber, sah wie sich Deine Lippen bewegten als Du mir von der Arbeit erzähltest. Es fiel mir schwer, mich auf Deine Worte zu konzentrieren. Ich fragte mich, wie es sich wohl anfühlt, Dich zu küssen. Würde ich es mögen?
Die Zeit, in der ich in Deinem Auto auf Dich wartete, verging nur sehr langsam. Als ich Dich zurückkommen sah, folgte ich Dir den gesamten Weg mit meinen Augen. Der Wind wehte Dir ein paar Strähnen Deiner gewellten Haare ins Gesicht, die Du mit einer kurzen Handbewegung wieder zur Seite gestrichen hast. Deine Schritte waren schnell, aber nicht hektisch. Wären sie doch nur etwas langsamer gewesen, dann hätte ich Dich noch etwas länger ungestört beobachten können. Ich hätte mir jede einzelne Deiner Bewegungen eingeprägt. Wie Du Deine Füße wieder auf die Erde aufsetzt, den Schwung Deiner Arme, Deine Haltung, Deinen Blick.
Nun saßt Du wieder neben mir. Mir gefiel Deine Art, zu fahren. Locker, nicht zu schnell, nicht zu langsam und hin und wieder ein Kommentar über andere Autofahrer, die Dich ein wenig aufregten. Doch immer lag in Deiner Stimme etwas Positives, etwas Fröhliches. Ich habe versucht, mir vorzustellen, wie Du wütend klingen könntest. Vergebens. Deine lebensbejahende, optimistische Einstellung ließ es nicht zu. Damit hast Du mich die vergangene Zeit immer mitreißen können. Selbst in den ausweglosesten Situationen hattest Du einen Witz auf Lager, der mich wieder zum Lachen brachte. Ich hatte großen Gefallen an Deinem Humor gefunden.
Es war nicht mehr weit und ich wusste, dass ich nun gleich aussteigen würde. Ein letztes Mal atmete ich tief ein, um den Geruch nicht so schnell zu vergessen. Das Auto blieb stehen, wir sahen uns an und für einen Moment hast Du nicht nur das Auto zum Stillstand gebracht, sondern auch mein Herz. Ich wollte nicht gehen, aber ich musste. "Wir sehen uns morgen. Ich wünsch Dir noch einen schönen Abend." sagtest Du. Nein, ich wollte wirklich nicht gehen. "Dir auch. Bis morgen." antwortete ich, öffnete die Autotür und stieg aus. Eine kurze Handbewegung zum Abschied, ein Lächeln, und ich sah Dich davon fahren.
Bis morgen? Lange lag ich noch wach in meinem Bett. Ich wollte einschlafen, ich wollte von Dir träumen, aber ich konnte es nicht. Es ging nicht. In Gedanken saß ich noch immer in Deinem Auto, neben Dir. Ich erinnerte mich an die unzähligen Male zuvor, in der ich Dir in der Arbeit immer etwas näher gekommen bin. Wie sich unsere Arme berührten, wie mein Bein kurz an Deinem entlangfuhr. Hattest Du es bemerkt? Habe ich damit verraten, dass ich diese Sehnsucht nach Dir habe? Wusstest Du davon? Hast Du auch diese Wärme gespürt? Warum ist unser Kontakt nach Monaten plötzlich intensiver geworden? Warum hast Du in den letzten Wochen so viel Zeit mit mir verbracht? Warum warst Du auf einmal ständig in meiner Nähe? Fragen, auf die ich keine Antworten bekam. Bis ich mir selbst eine Antwort gab... Es darf nicht sein, Du bist nicht frei.
copyright © by
Leeny84. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.