Nur eine Nacht 2

von Mellimi


Wie benommen nicke ich und lasse zu dass sie sich von mir entfernt, rückwärtsgehend, mich immer im Auge behaltend. Sie ist sooo wundervoll. Was will sie wohl von mir? Immer wenn ich aufgeregt bin, wenn ich nervös, zittrig oder ungeduldig bin, immer dann brauch ich etwas zum spielen. Gerade jetzt. Weil so wie heute, so was gabs noch nie. In meinem ganzen Leben noch nicht. So viel Emotion, soviel Gefühl in so einem kleinen Körper. Kann es sowas geben?
Aber was bezweckt sie damit? Ist sie betrunken? Hm. Kann eigentlich ja gar nicht sein. Sie muss ja Auto fahren. Bin ich betrunken und hab mir das alles nur eingebildet? Bin ich wirklich schon soo dicht? Ich hab doch wirklich nicht viel getrunken. Bin eh nicht so der große Trinker. Hm.
Bevor ich mir allerdings viele Gedanken über das Wie und Warum machen kann, biegt sie mit ihrem strahlenden Lächeln und ihrer umwerfenden Ausstrahlung wieder um die Ecke. Wow. Sie ist eine solche Wahnsinnsfrau! Ich weiss nicht, was sie mit mir vorhat, hab keine Ahnung was hier passiert oder wie ich das alles verstehen darf. Zu allem Überfluss will sie mir jetzt offensichtlich auch noch die Augen verbinden. Zu welchem Zweck? Will sie die Spannung erhöhen? Da kann ich sie enttäuschen. Die hat nämlich schon vor einigen Minuten das bisherige Top Level um ein Vielfaches überboten. Mehr geht nicht. Wahrscheinlich. Glaub ich zumindest. Oder vielleicht doch nicht? „Patricia!“, bitte ich sie mit verzweifelndem Unterton. Auch eine Hochspannungsleitung geht irgendwann kaputt. Man kann doch nicht einfach immer so weiter machen. Es muss doch irgendwo Grenzen geben. Mein ganzer Körper bebt. Mein Herz rast, mein Puls ist bestimmt in gesundheitsbedenklichen Bereichen angelangt. Nervös knete ich mein Ohrläppchen mit der einen Hand, während meine andere mit sich selbst diskutiert, ob sie lieber in die Tasche oder mit der Gürtelschlaufe spielen möchte. Eigentlich möchte sie was ganz anderes. Sie möchte nicht mich, sondern die Person berühren, die jetzt mit dem Tuch hinter meinem Kopf eine Schleife bindet.
Dabei streift sie wie zufällig über diesen einen bestimmten Punkt in meinem Nacken, der mich so narrisch macht. Genau die Stelle, die mir sonst einen Schauer über den Rücken schickt, genau die berührt sie und verstärkt damit die Reaktionen meines Körpers noch. Mein persönlicher zweiter G-Punkt sozusagen. Woher weiss sie das? Ich muss aufhören. Das tut mir nicht gut. Ich muss das alles einfach so schnell wie möglich beenden. Nicht dass ich wieder enttäuscht werde. Aufhören. Die Sache beenden. „Patricia!“ ... Ihr sagen, dass es nicht geht. Dass wir das beenden müssen. Sie ist meine Lehrerin. So etwas darf nicht zwischen uns stehen. Der Kuss war zuviel. Stop! Als ob sie’s geahnt hätte, beugt sie sich von unten an meine rechte Seite und flüstert mir „Vertrau mir!“ ins Ohr. Dann nimmt sie meine kalte und schweißige Hand in ihre und entführt mich in die Richtung aus der sie hergekommen zu sein scheint. Nach draußen. Die warme Sommerluft umgarnt meine Nase. So schön warm! Aber warum hab ich dann schon wieder so eine doofe rubbelige Gänsehaut auf meinen Armen, wenn ich nicht friere? Ich muss dazu sagen, ich hasse Gänsehaut.
„Vorsicht, Stufe!“ Diese Stimme! So klar und einfach und doch so besonders. Sie hat so einen warmen Klang, der direkt mein Herz berührt.
Was wohl das Ziel dieser Reise ist? Wir gehen die Stufen hinunter, zwischen parkenden Autos hindurch. Dann kann ich eine Weile lang nicht eindeutig zuordnen, wo wir uns befinden bis ich schließlich den Geruch von Wiese in mir aufnehme. Durch das laue Windchen kann ich das leise Rascheln der Baumkronen hören. Und nicht weit davon entfernt kann ich das Rauschen eines Bachs wahrnehmen.
Wir müssen wohl im Park sein! Ein bisschen beruhigt es mich, zu wissen wo ich mich befinde, in vertrauter Umgebung, aber gleichermaßen nimmt die Aufregung auch wieder zu, weil sie jetzt abrupt stehenbleibt und ich jetzt überhaupt nicht mehr weiss, was auf mich zukommt. Total aufgeschmissen. Ich hab keine Ahnung, wie es jetzt weitergeht.
Ich weiss nur, was ich will. Ich will sie küssen. Sie umarmen. Sie nicht mehr loslassen. Will ihr sagen, wie viel sie mir bedeutet. Will ihr so nah wie möglich sein.
Doch anstatt mir meine Wünsche auch nur ansatzweise zu erfüllen, lässt sie jetzt auch meine Hand los. Das letzte Stück Verbindungsbolzen zwischen uns. Das kleine Stück Hoffnung.
Die Sehnsucht nach mehr sitzt tief in mir drin. Mittendrin. Und sie ist hochexplosiv! Und sie zögert die Rettung, die Entschärfung der Situation hinaus. Lässt mich einfach so stehen. Sie ganz in der Nähe. Ich höre sie. Ihren flachen Atem. Irgendwas macht sie. Aber was? Bitte komm her! Nimm mich! Ich kann nicht mehr! Kann nicht mehr einfach nur so da stehen und in die Stille lauschen. „Patricia!“
Ohne auch nur ein Wort zu sagen, nimmt sie jetzt endlich wieder Kontakt zu mir auf. Kontakt durch die Luft. Ich spüre, rieche und schmecke ihren Atem, der sich mir Millimeter um Millimeter nähert. Meine Nase wittert ihren leicht süßlichen Duft, verschlingt ihn geradezu.
„Patricia!“, flehe ich.
Und sie erhört mich. Sie nimmt mich an beiden Händen, führt mich vorsichtig ein paar Meter weiter, wo sie dann wieder zum Stehen kommt. Dieses Mal lässt sie mich allerdings nicht los, sondern deutet mir nur mit leichtem Druck an, dass ich mich hinsetzen soll.
Gras ist das aber nicht! Sieht so aus als hätte sie sich echt Mühe gemacht. Unter mir spüre ich eine flauschige Decke. Meine Hände lässt sie wieder los, aber sie bleibt bei mir. Kein Grund zur Sorge also.
Ihre Finger spüre ich kurze Zeit später auf meinem Bauch wieder. Was geschieht hier? Auch hier ein leichter Druck, eine Bewegung, ich liege, unter mir nicht nur die Decke, auch noch einige Kissen.
So liege ich da, recht bequem eigentlich, aber mein inneres unzufriedenes Ich verlangt noch immer nach mehr. Das wichtigste fehlt. Meine Patricia. Komm her. Komm näher. Leg dich neben mich.