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Obsessions

von Anticipo23


Sie rennt über das regennasse Kopfsteinpflaster, jederzeit in Gefahr, fehlzutreten, zu stolpern, stürzen. Schrittehall, Absatzklack. Im Laufen die Mühe der Orientierung. Rauschen des Rennwinds. Weiter! Nicht anhalten. Die Häuser verschwimmen, der Platz liegt dunkel. Um die Ecke, nach rechts, nach links, zickzack, eine weitere Straße. Unter den Linden, endlich. Straßenbeleuchtung, Scheinwerfer wie Blitze. Atemschwere, Seitenstechen. Lebichnoch. Weiter.
Die steinerne Brücke, Dom. Das Wasser glitzert. Nachtnebelnässe im Gesicht, die Knochen hart und trocken. Die Haut grünkalt. Laufen. Weiter. Die Brücke. Sie darf sie nicht verpassen. Rennt. Im Laufen den Reißverschluß der ledernen Pilotenjacke geöffnet. Dampf. Schweißkalt. Weiter! Taxis neben ihr, Autos, Großstadtgelichter. So grell alles. Dieses Mal wird sie sie treffen. Dieses Mal wird. Schon der achte Versuch. Alles. Alles wird geschehen. Laufen, schnell. Keine Zeit vertun. Treffpunkt Brandenburger Tor. Sie muß die exakte Uhrzeit schaffen. Schneller, schneller. Noch etwa ein Kilometer.
Ursa, so nennt sie sich. Ködert die, die es nötig brauchen. Virtuell. Feuchtschweißfingrige Nachmitternachtmails. Zigzentimeterlange Blutfingernägel, highheels, Latexversprechungen. Triefträume. Beherrscht ihr Leben, beherrscht sie seit Monaten. Wenn die Herrin ihr befiehlt, ißt sie nicht, trinkt nicht, verbietet sich den Toilettengang. Berichtet ihr davon. Ist ein braves Mädchen. Die Herrin findet aber immer kleine Vergehen heraus, sie ist unendlich übermächtig. Weiß, daß ihre Sklavin versucht, die Befehle zu umgehen. Böses Mädchen. Das sind sie alle. Die Herrin straft. Sagt Endlichtreffen ab. Verweigert ihr den Kontakt. So kurz davor. Schon achtmal. Sie kennt sogar schon ihre Stimme. Hat sie sich mit zwei Tagen ohne Essen und Trinken verdient. Sie sagte nur: „Hier ist die Stimme deiner Herrin, du bist nun würdig, daß ich mich mit dir abgebe“. Weitere zwei Tage konnte sie nicht essen, nicht schlafen. Sie war auserwählt. Phantasien nahmen Besitz von ihr, Tagträume, Nachterscheinungen. Lustanschwellung. Sie durfte es sich natürlich nicht selbst machen, die Herrin….schon klar. Heute Nacht! DreiundzwanzigUhr vierunddreißig , exakt für sechzig Sekunden. Ist sie nicht rechtzeitig da, wird sie ihre Meisterin wohl niemals im Realen sehen. Renn, Lauf, Idiotin. Absatzklack. Schweißbäche. Die Herrin hat sie gerufen. Sie muß folgen. Es gibt kein ichhatteichmußteichkonntenicht estutmirleid. Ist sie nicht dort, wird die Herrin böse. Sie wird ihr niemals mehr gestatten, das Trommeln der Fingernägel auf dem Tisch via Telefon anhören zu dürfen. Sie wird ihr niemals mehr die Aufgabe geben, vier Stunden bei Herbstkälte ohne Jacke auf einem Bein beim Ubahnhof Zoo zu stehen , womit sie sich zwei Minuten Skype mit ihr verdient hatte. Die besten zwei Minuten ihres Lebens, sie hatte sie gesehen und gehört! Noch Wochen war sie unfähig zu arbeiten oder ihren Verstand an irgendetwas anderem festzumachen. Sie hatte fast alle Kontakte mit Freundinnen, der Familie, Kollegen abgebrochen. Ging kaum noch aus. Niemand wußte. Sie kann auch verheimlichen, daß sie sie sich selbst mit einer neunschwänzigen züchtigt, während ihre Herrin über Skype streng diesen Akt verfolgt. Lauf. Sie sieht das Tor und ist noch weit und einen Kreislaufkollaps von ihrer Endstation Sehnsucht entfernt. Heute. Heute wird sie sie endlich treffen.
Was schert sie andererleute Urteil? Sie! Sie ist am Puls ihres Lebens. Da ist Lust, Lust, Lust und sie wird dafür gehen! Heute.
Obsession.
Obsession.
Das Wort hämmert im Laufrhythmus in ihrem Kopf.
Sie sieht das Ziel. Legt Tempo zu. Wo ist sie? Ist sie da? Sie müßte doch auffallen. Hält sie sich versteckt? Ist sie schwarz gekleidet?
Da. Der Kopf hohl, der Leib schon lustvoll geschwollen, die Lunge außer Kraft.
Niemand. Nichts.
Gehetztes Umblicken. Hinter die Säulen, die Durchgänge. Nur blöde Touris, die sich gegenseitig grinsend fotografieren. Fuck! Fuck, fuck.
Verpaßt.
Hängender Kopf, schlurfender Gang. Sie setzt sich. Getroffen. Die Lust im Leib will keine Ruhe geben. Der Verstand erzählt ihr längst Dinge, die sie nicht anhört. Crash. Fuck.
Ein schwarzer Schal ist an eine Säule gebunden, erwischt ihre Aufmerksamkeit. Mit einem Satz auf!!
Am Schal ist ein Streichholzbriefchen befestigt: Ohn-Macht, Kalckreuthstraße 17
Rennen.
Die Türsteherin wird sie so nicht einlassen…um die Ecke. Umziehen. Die Haarsträhnen kleben am Kopf. In ihrem Rucksack alle Zutaten, auf offener Straße verwandelt. Sie vibriert.
Die Türsteherin nickt zustimmend, als sie sie einläßt: Das Schwesternhäubchen sieht allerliebst aus, weiße Strumpfhose, das Röckchen verdeckt kaum die aufgesetzte Scham.
Drinnen. Seelenstimmungsanpassung. Eine streng dreinblickende Lehrerin kommt auf sie zu. Nein danke. Ursa. Sie muß hier irgendwo sein. Straft sie fürs Unpünktlichsein. Herrin! Sieh nur, ich bin demütig und bereit für deine Maßnahmen.
Zwei Caipirinhas später steuert sie auf die Tür zu. Erneute Kontrolle. Sie passiert. Dann Dunkelheit . Zwei tapsige Schritte, dann ist sie da. Hände greifen nach ihr, sie läßt es zu. Überläßt sich, Finger unter ihrem Röckchen, Münder in ihrem Ausschnitt, Zungen im Ohr, Stöhnen, Raunen, Zischen, Kurze Schreie, Kichern. In den Ecken etliche Orgasmen, Lustaufundabschwellen.
Ursa.
Obsession. Sie spürt, sie ist nicht in diesem Raum. Sie windet sich aus den vielen fordernden Fingern, bisou und ein andermal vielleicht.
Nächste Tür. Die Wächterin schaut finster und will stumm einen Code wissen. Sie hat keinen. Sie murmelt „Ursa“, das einzige, was sie überhaupt noch in ihrem Hirn sinnvoll zusammenfügen kann. Spürt Schweiß, Säfte, Geilheit. Sie trieft. Die Finstere macht ohne Weiteres die Tür auf. Erneutes Dunkel, Laute, Stöhnen. Schmerzschreie. Kettengerassel, Peitschenknalle, dazwischen leises Wimmern, Betteln, Aufstöhnen, Stoßatmen. Mitten im rotlichtigen Raum kann sie sie wahrnehmen: Latex! Sie steht da, bei circa einem Meter siebzig Körpergröße mit mindestens fünfundneunzig Kilo Körpergewicht! Wuchtig, gewaltig, mächtig. Bereit, Macht zu übernehmen, auszuüben. Der Boden zieht sich unter ihren Füßen kurzzeitig weg. Wattehirn, Herzrasen. Latexstilettostiefel mit Achtzehnzentimeterabsatzhöhe, overknee. Wendig, geschmeidig widmet sie sich ihren Sklaven, die sie ausdruckslos in Schach hält. Ein Wimpernzucken genügt um einen weiteren an den Bodensatz seiner inneren Existenz zu bringen. Verlangen. Es ist Verlangen im Raum, jeder der hier anwesenden creeps will ihre Aufmerksamkeit. Einen kurzen Augenblick geht ihr durch den Kopf, daß mit ihr Finanzmakler, Banker und Manager um die Herrin buhlen… Ihr Blick kann nicht weg, wandert: Scham und Hintern sind bei ihrem Catsuit ausgespart, ebenso quellen die feistfleischigen Brüste heraus, die Nippel mit Lederbommeln verziert. Sie ist streng frisiert, die Haare ein gegelter Zopf. Lippen so blutrot wie ihre verheißungsvollen überlangen Fingernägel. Innere Ohn-Macht, sie übergibt sich ihrer Wollust.
Sie fixiet sie. Augenblicklich senkt sie den Kopf. Demütig. Humble. Ihre Meisterin, ihre Herrin hat sie beachtet. Sie ist seliggeil.
Sie tritt auf sie zu:“Na mein böses Mädchen! Wo warst du nur, muß ich dich strafen?“ Ohne Vorwarnung reißt sie ihr das Schwesternkleidchen vom Leib, drängt sie rückwärts an eine Wand. Dort baut sie sich vor ihr auf, mustert nur. Sie wird immer schüchterner, kleiner, wünscht sich zu Tode, von ihrer Herrin endlich die gerechte Strafe zu bekommen. Schlag mich, prügel mich, heb die Peitsche gegen mich, tost es in ihr. Befriedige mich!
Ursa hebt die Augenbrauen ein wenig, bleibt auf Körperumfangsdistanz vor ihr aufgebaut. Die Herrin ist unantastbar, das ist ungeschriebenes Gesetz, so sehr sich die Wünsche nach Vereinigung und Berührung mit jedem Kontakt steigern. Sie steigern sich so ins Unermeßliche, daß sie nun mit dem Rücken zur Wand steht und hofft, daß sie die Peitsche hebt. Sie wenigstens einmal damit kräftig schlägt. Tut sie es, hätte sie ihr ihr Zuspätkommen verziehen und würde vielleicht doch dann eines Tages... Die Wand als einziger Halt einer exzessiven Nacht. Abseits. Demi Monde. Abseitig.
Die Peitsche wird gehoben, die Wand gibt nach, sie sieht in die wütenden Augen ihrer Herrin.
Sie und ihre Besessenheiten, ihre Schmach und ihr Mut, ihr Sosein und ihr Anderssein, ihr Trieb, ihre Macht und ihre Ohnmacht, Ihre Scham und ihre Gesetzmäßigkeit, Ihre Wollust und ihr Verlangen, ihre Spur und ihr Köder, Ihr Wille und ihr Sein, alles entlädt sich in einem Moment der Glückseligkeit, in dem für diesen Moment alles zum Universum wird.




copyright © by Anticipo23. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


obsession...
Ich kann mich dem was mayaschatz schreibt nur anschliessen!
jarwen - 05.11.2010 10:25
Obsession
Mayaschatz - 02.11.2010 14:54

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