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Oktobersonne

von Lauren_18


Sie wusste nicht, warum es so war. Sie hatte auch nie wirklich darüber nachgedacht, doch manchmal, in einem Moment wo wir eigentlich glücklich zu sein scheinen, überfällt uns die Einsicht, die alles zunichte macht und uns in einen tiefen Abgrund stürzt.. Sie hatte geliebt, ja, das war doch offensichtlich! Und sie hatte gedacht, dass man nur genug lieben muss, um auch zurück geliebt zu werden. Man musste nur alles geben und zeigen wie viel es einem bedeutete, dann würde sich schon alles zum Guten wenden. Ungläubig schüttelte sie nun den Kopf, um den Gedanken daran zu verdrängen. Sie wollte ihn nicht sehen, wollte nicht schon wieder wehrlos ausgeliefert sein. Was war sie doch naiv gewesen! Hatte sie wirklich noch vor wenigen Monaten daran geglaubt? Nun, offensichtlich schon. Aber man lernt ja bekanntlich täglich dazu. Und darauf war sie sogar ein wenig stolz. Sie hatte gelernt, ganz bestimmt. Sie hatte ihre Lektion gelernt und so bald würde sie SIE gewiss nicht mehr vergessen. Nein, das würde ein Teil von ihr bleiben, ihr Leben lang und auch noch jedes weitere Leben, sofern es sie gab. Da war sie sich auch gar nicht mehr so sicher. Wenn es einen Gott gab, warum wollte er sie dann nicht glücklich machen, sondern machte jeden Versuch zunichte? Warum gab er ihr noch nicht einmal eine Chance? Noch einmal versuchte sie, den Gedanken zu unterdrücken. Es war einfach zu viel für sie. Sie konnte es nicht mehr aushalten. Eine Pause, weit weg von allem, was ihr doch nur im Weg stand. Doch das ging natürlich nicht! Sie musste hier bleiben und mitansehen, wie der Schatten jeden Tag weiter vordrang und mehr und mehr von ihr in Besitz nahm. Und niemand schien es zu merken. Warum sah denn keiner, wie ihr Blick erstarrte, wie sie sich nicht mehr bewegen konnte und wie sie sich immer weiter nach vorne lehnte, dem Abgrund entgegen? Aber das war sie ja schon fast gewohnt. Sie hatte ihr Leben lang nur gegeben, ohne etwas dafür zurück zu verlangen und das hatte sie so gemacht. Es war nun mal so und daran konnte sie jetzt auch nichts mehr ändern. Seufzend stand sie auf und suchte ihre Sachen zusammen. Hier wollte sie nicht bleiben, an dem Ort, der sie doch nur daran erinnern würde. An SIE. An alles, was einmal war und was doch nie wirklich existiert hatte. An Gedanken, Gefühle und vielleicht, wenn sie es nicht mehr zurückhalten konnte, an Wunden, die doch niemals heilen würden. Wie eine Katze leckte sie diese Wunden, weil sie sich nicht damit zufrieden geben wollte, dass es alles vorbei war. Aus – ein kurzes Wort, das doch so viel aussagte, so viel bewirken konnte. Sie blickte noch einmal durch den Raum bevor sie ging. Dort hatte SIE gesessen, hier hatten sie eines der endlosen Gespräche geführt, die sie doch immer so sehr verbunden hatten... und im Regal noch immer das gemeinsame Foto, das sie doch niemals fort räumen konnte. Dabei hatte sie es sich doch schon so oft vorgenommen. Sie konnte es einfach nicht übers Herz bringen, dieses Foto zu den anderen in den Karton zu legen. Noch einmal strich sie über das Glas, das sich seltsam kalt unter ihren Fingern anfühlte. Kalt, ja das war das richtige Wort dafür, wie sie sich gerade fühlte. tief im Innern war sie kalt...erstarrt wie ein Eisblock. Und niemand schien sich darum zu scheren, niemand würde sie auftauen. Vielleicht lag es alles an ihr. Das wollten ihr zumindest immer alle einreden. Und SIE war da sicherlich keine Ausnahme! Sie hatte einmal gedacht, dass dieses Mädchen etwas besonderes war. SIE war auch etwas besonderes! Bei IHR hatte sie gespürt, was sie noch nie vorher gefühlt hatte, und von dem sie gedacht hatte, dass sie es niemals mehr fühlen würde. Sie fühlte sich so furchtbar alt. Als wäre alles schon mal da gewesen, das Leben ein einziges Déjà-vue. Seufzend löste sie das verblichene Foto aus dem Rahmen und steckte es in die Tasche. Sie war immer noch nicht darüber hinweg. Ihr Bild spiegelte sich in der kleinen Glasscheibe, als sie den Rahmen langsam wieder zurück stellte. Sie betrachtete ihr Gesicht. Es war gezeichnet von den letzten Wochen, irgendwie farblos. sie hatte sich gehen lassen. Ehlich gesagt interessierte es sie nicht mehr sonderlich, wie sie aussah. Es war nun einmal so. Einmal mehr sagte sie sich diesen Satz, ohne den sie scheinbar nicht mehr leben konnte. So schien es wenigstens, als wäre nicht sie alles schuld, sondern als gäbe es ein Schicksal, dessen Fäden wir nicht in der Hand haben und dessen Lauf wir daher nicht mehr beeinflussen können. Der Gedanke beruhigte sie irgendwie. Vielleicht sollte sie doch wieder zur Kirche gehen; einem Gott die Schuld an allem geben können und für alle Sünden ein Gebet zu sprechen und wieder ein reines Gewissen haben – das klang doch verlockend. Dies ist mein Leib, der für dich hingegeben...Wie passend! Aber so kam sie sich wie eine Verräterin vor. Hatte sie vielleicht nicht ihr Bestes gegen? Aber wie viel kann man einem Menschen zumuten? Hatte sie nicht ihr ganzes Leben gegeben? Ach, sie wusste auch nicht mehr... Mittlerweile fühlte sie sich, als würden in ihr zwei gegensätzliche Personen streiten; sie war sich nicht mehr sicher, wer angefangen hatte. Sie wollte einfach nur ihre Ruhe haben. Nun, die war ihr ja offensichtlich nicht vergönnt...
Sie drehte sich um und ging zum Fenster. Die milde Oktobersonne schien hinein und tauchte den Raum in ein mattes gelb. Wie unpassend, dachte sie. Wäre es nach ihr gegangen, hätte es sicherlich ein Gewitter gegeben. Mit dunkel verfärbtem Himmel und einer Atmosphäre, die gleichzeitig knisternd gespannt ist, und doch so unwirklich scheint, wie ein Gemälde. Sie liebte Gewitter. Aber es war doch nie etwas so, wie sie es sich vorstellte. Nie klappte es, immer wurde sie enttäuscht. Sie merkte, wie ihre Gedanken immer wieder im Kreis liefen, wie sie doch wieder an der gleichen Stelle angelangen würde wie vorher und wie gestern und vorgestern... Warum? Warum war alles nur so ungerecht? Sie wollte ja niemandem Vorwürfe machen, das konnte sie gar nicht, aber sie hatte Angst. Was, wenn es sich niemals ändern würde? Wenn doch alles nur eine Illusion sein würde..? Um sich abzulenken griff sie wahllos in die Menge der CDs die auf dem kleinen Tisch lagen. Hier hatten sie zusammen gesessen und Musik gehört. Ihre Lieder.. Warum war nur alles so gekommen? Sie hatte doch nur helfen wollen...wie so oft. Immer wollte sie helfen und immer war sie dann am Ende an irgendetwas schuld, dabei hatte sie doch gar nichts getan. Was für eine seltsame Welt, in der gerade die gutmütigen Menschen bestraft wurden. Darüber lohnte es sich gar nicht erst nachzudenken. Als sie ein Lied auswählte, hatte sie plötzlich das Gefühl, als hätte sie das schon immer getan. Als bestünde ihr einziger Sinn im Leben darin, traurige Musik aufzulegen. Sie fühlte sich zurückversetzt in die Zeit vor ein paar Monaten, als noch nichts zwischen ihnen gestanden hatte. Als SIE noch da war. Sie zwang sich, die Augen nicht zu schließen und sich nicht ganz der Erinnerung hinzugeben. Das war das Letzte was sie jetzt tun wollte...und doch sehnte sie sich danach, wieder IHR Gesicht zu sehen, das Leuchten in IHREN Augen...IHR Gesicht... es tat so weh! Doch was war ihr denn sonst noch geblieben, außer der Erinnerungen? Ein vergilbtes Foto vom letzten Sommer in ihrer Hosentasche – sie lachte abschätzig. Wenn das alles war, dann könnte sie auch sofort gehen und niemals wiederkehren. Wer würde sie schon vermissen? Wer achtete schon darauf, wie es ihr so ging? Eigentlich war doch alles ein riesiges Missverständnis... Vielleicht wusste SIE auch nicht, was SIE wollte. Na ja, nicht mehr drüber nachdenken, das würde eh nichts bringen! Wie lange trug sie diese Last nun schon mit sich herum? Es schien wie eine Ewigkeit, seit sie SIE zuletzt gesehen hatte... seit SIE alles beendet hatte.. Irgendwann hatte sie aufgehört, die Zeit zu messen, ihr Zeitgefühl war eh schon hin... So lebte sie von einem Tag zum nächsten, ohne Zeit, ohne Raum, die Leere gefüllt mit Erinnerungen. Doch so konnte es nicht weitergehen. Sie wollte es nicht mehr!
Irgendwann erreicht man einen Punkt, an dem man sich entscheiden muss: Entweder man bleibt stehen, oder man beschleunigt den Gang...man kann nicht mehr durch die Welt schleichen, dazu reicht die Kraft nicht mehr..
Mit einem Mal überkam sie ein aufsteigendes Gefühl von Klarheit. Es nahm von ihr Besitz und plötzlich erlebte sie alles viel bewusster... sie würde nicht stehen bleiben, sie würde nicht fallen. Nein, sie würde auch nicht vergessen, niemals, doch vielleicht würde der Schmerz eines Tages nachlassen. Ganz bestimmt würde er das... Und bis dahin würde sie nicht in Erinnerungen versinken – sie würde handeln! Mit einer energischen Bewegung befreite sie sich von den Gedanken, die sie noch immer an dieses Zimmer banden; Sie zerschnitt das unsichtbare Band und trat hinaus in die Sonne..



copyright © by Lauren_18. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


wow
du hast echt Talent ! Weiter so !!
Sehnsucht14 - 22.02.2004 13:29
Warum Oktobersonne und nicht Frühlingssonne??
san19 - 13.02.2004 19:14

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