Um LESARION optimal zu gestalten und fortlaufend zu verbessern verwenden wir zur Auswertung Cookies. Mehr Informationen über Cookies findest du in unseren Datenschutzbestimmungen. Wenn du LESARION nutzst erklärst du dich mit der Verwendung von Cookies einverstanden.




Stories » Detail

Romanfragment 1

von Jadefeuer


Sie sah auf die Uhr. Es war zwanzig nach neun, ein paar Minuten zu früh. Thea kramte in ihrer Tasche, im dritten Fach fand sie endlich ihre Zigaretten, nahm eine aus dem Päckchen und steckte es zurück, irgendwohin in die Tasche. Noch während sie das tat wußte sie, dass sie sie später wieder suchen würde. Selbst in ihrer ledernen Umhängetasche die für alles erdenkliche ein passendes Fach hatte konnte sie ihre Sachen nie finden. Dabei hatte Nell sie ihr geschenkt, damit endlich mal ein wenig Ordnung, mindestens in Theas Taschen, herrschte. - Nell.
Sie fehlte ihr, sie waren kaum zwei Kilometer voneinander getrennt und trotzdem fühlte sie diese bohrende Sehnsucht nach ihr.
Thea zündete ihre Zigarette an und inhalierte tief. Irgendwie hatte sie ein schlechtes Gewissen, Nell mit ihren Eltern alleine gelassen zu haben. Sie mußte noch arbeiten und Thea hoffte, dass sie ungestört sein würde. Theas Eltern waren hellauf begeistert von ihr und daher sehr darum bemüht, dass es ihr an keinerlei Komfort mangelte.
Eigentlich wäre es ihr lieber gewesen, wenn sie mitgekommen wäre. Aber Johanna kam schließlich auch ohne Viktor und was Anja und Carla betraf wußte sie überhaupt nicht, ob die beiden liiert waren.
Thea sah wieder auf die Uhr, es waren fünf Minuten vergangen. Als sie den Kopf hob, sah sie zwei Leute auf der Straße, von denen sie eine schnell als Johanna identifizierte, die, ihren Arm mit Anjas verschränkt, auf sie zulief. Anja begrüßte Thea mit einem breiten Lächeln und einer Umarmung bevor sie sich gegenseitig musterten. Anja hatte sich kaum verändert, sie trug ihre blonden Haare immer noch am liebsten lang und offen, sie war dezent geschminkt und natürlich waren Make - up, Hose, Jacke und Schuhe aufeinander abgestimmt. Sie überlegte kurz wieviel Zeit sie wohl aufwendetet, um so spontan und zufällig gut auszusehen, dann entschied sie sich ihre Gedanken in ein Kompliment zu fassen.
"Gut siehst du aus!"
"Du auch. Carla noch nicht hier?"
"Schaut nicht so aus", sagte Thea während sie Johanna umarmte und ihr einen Kuß auf die Wange drückte.
Anja sah auf die Uhr.
"Ich hätte nicht gedacht, dass von allen schlechten Angewohnheiten die sie hatte ausgerechnet ihr Hang zur Unpünktlichkeit bleiben würde."
"Warum sollte ausgerechnet das sich nicht geändert haben?"
Sie lachten, Anja fischte zielstrebig ihre Zigaretten aus der Handtasche und hielt sie anbietend hoch. Thea schüttelte den Kopf.
"Immer noch Menthol?"
"Ich nehm' gerne eine. Danke!"
Johanna grinste und ließ sich die Zigarette anzünden, Thea vergrub ihre Hände in den Taschen und trat auf der Stelle.
"Ist aber 'ne beschissen kalte Jahreszeit um Leute warten zu lassen."
"Sie ist ja erst fünf Minuten überfällig", sagte Johanna beschwichtigend aber Thea wußte, dass sie sich auch darauf gefaßt machte, dass Carla sie mal wieder länger warten ließ.
"Erzähl doch mal, wie ergeht's dir eigentlich so in London? Was macht der Job? Was machen die Männer?", fragte Thea während sie aus den Augenwinkeln eine Gruppe Teenager verfolgte, die auf dem gleichen Weg wie sie selbst zu sein schienen.
Anja lachte. "Also erstens, mir geht es supergut, London ist eine tolle Stadt zum shoppen und ausgehen. Klar, teuer aber ich verdiene ja auch schließlich nicht gerade schlecht. Die Leute im Hotel sind auch super, ich verstehe mich eigentlich mit allen, bis auf so einen kleinen Fiesling aus der Buchhaltung aber der kann mir egal sein, ich bin schließlich seine Vorgesetzte", sie grinste breit, "und drittens, Männer habe ich mehr als genug, ich kann mich nur nicht so ganz entscheiden." Sie seufzte übertrieben, dann blinzelte sie Thea mit unschuldigen Augen an und fragte: "Und bei dir? Was macht dein Liebesleben?"
"Oh, naja, ich bin monogam und glücklich dabei", sagte sie lachend.
"Du und monogam? Und glücklich? Wem ist denn das Wunder gelungen?"
"Sie heißt Nell, arbeitet bei einer Werbeagentur..."
"Und wie sieht sie aus?"
Thea räusperte sich verlegen.
"Gut?"
"Oh Mann", Anja verdrehte die Augen, "Haarfarbe, Augenfarbe, Maße. Komm schon, ich will schließlich ein komplett optisches Bild von der Frau haben die dich eingefangen hat."
"Du redest grad so als wäre ich früher von One - night stand zu One - night stand gehechtet."
"Okay, okay, sorry, tut mir leid. Trotzdem : Wie - sieht - sie - aus?"
"Sie ist 'n bißchen größer als ich, blond, graublaue Augen, schlank."
"Sag bloß du hast dir so'n Supermodell geangelt?", feixte Anja.
"Fast", antwortete Johanna für Thea. "Jetzt ist sie schon eine viertel Stunde zu spät."
"Wollen wir überhaupt noch ins ehemals "Niagara"? Ich befürchte, da gehen auch die ganzen Kids hin." Thea deutete mit dem Kinn zu zwei weiteren Gruppen Jugendlicher, die kurz hintereinander die Stufen erklommen, die zur Kneipe führte. "Ich wollte eigentlich gerne noch einen Sitzplatz haben."
"Jaja, das Alter."
"Wohl eher Nichte und Neffe den ganzen Tag um einen rum."
"Ach, dein Bruder ist auch bei deinen Eltern?"
"Logisch, sonst wäre ich glaube ich kaum gekommen. Obwohl, als du angerufen hast war das eigentlich schon entschieden."
"Du bist also nur extra wegen mir in deine Heimatstadt zurückgekehrt?" Anja klimperte mit den Wimpern.
"Naja, fast. Außerdem war es wohl an der Zeit das meine Familie und Nell sich kennen lernen."
"Ui, so ernst ist es also?"
Thea lächelte verlegen. "Ich hoffe es."
"Da kommt sie", Johann deutete die Straße runter. Carla kam auf sie zugestapft mit einem breiten Schal um den Hals und ein noch breiteres Lächeln auf dem Gesicht. Sie hatte ein schlechtes Gewissen.
"Hallo." Jede einzelne wurde mit einer Umarmung begrüßt. "Entschuldigt, wartet ihr schon lange?"
"Naja, seit halb halt", antwortete Thea ehe Johanna "ein paar Minuten" sagen konnte.
"Wo gehen wir jetzt hin?"
"Am besten wir gehen in die Stadt und gucken einfach mal nach, was jetzt noch auf hat."
Die vier setzten sich in Bewegung. Anja und Carla liefen, eifrig schwatzend, voran, Thea und Johanna folgten. Thea betrachtete Carla von schräg hinten. Sie hatte sich ein wenig verändert, ihre Augen lagen noch etwas tiefer in den Höhlen, sie war dünner geworden aber alles in allem sah sie eigentlich ganz gut aus. Den Gesprächsfetzen die nach hinten geweht wurden konnte sie entnehmen das Carla Single war nachdem ihr letzter Freund, Felix, mit ihr Schluß gemacht hatte.
"War Felix jetzt der Elvis - Borussia - Dachdecker oder der Boxen - Schlager - Banker?", raunte Thea Johanna zu. Sie konnte Carlas, ohnehin nie lange haltenden Beziehungen nie auseinanderhalten, eigentlich interessierte es sie noch nicht einmal sonderlich aber sie wollte sich später nicht blamieren.
"Weder noch, Felix war der Krankenpfleger mit dem Ähh - Tick und der Leidenschaft für Modellflugzeuge."
"Ahja."
Sie maschierten durch die Innenstadt. Überall waren die Rolläden unten, die Geschäfte geschlossen. Logisch, es war der erste Weihnachtsfeiertag, sie waren in der Provinz, da konnten sie froh sein, wenn sie überhaupt noch eine Kneipe fanden.
Thea sog die kalte Abendluft ein und dachte zurück, zurück an die Zeit als sie vier die dicksten Freundinnen gewesen waren. Als sie den Urlaub an die Nordsee gemacht hatten, mit Zug und Zelt. Wie hatten sie abends so erbärmlich gefroren. Sie waren naß geworden denn natürlich hatte es seit ihrer Ankunft nur geregnet. Die einzige Ausnahme war der vor-vorletzten Tag, an dem es komplett trocken geblieben war. Dafür war ihnen dann in der letzten Nacht noch das Zelt durchgeweicht. Aber trotzdem war es ein riesen Spaß gewesen. Thea erinnerte sich nur zu gut an den "Sangria" Abend, an dem Anja schließlich noch Carlas Schlafsack vollgekotzt hatte oder wie sie Traubenzucker in ihr Dosenbier bröselten, damit der Alkohol schneller zu Kopf stieg. Thea lachte kurz auf, als Johanna sie fragend ansah schüttelte sie den Kopf.
Sie waren alle vier die besten Freunde gewesen. Und heute? Klar, Johanna und Thea sahen sich regelmäßig, das ergab sich so, wenn man sowieso wieder in der gleichen Stadt lebte. Thea und Anja telefonierten ab und zu aber eigentlich sahen sie sich sehr selten. Der wesentliche Unterschied zwischen der Beziehung zu Anja und Thea und Thea und Carla bestand darin, dass sie sich mit Anja auch wirklich noch unterhalten konnte. Irgendein Thema fanden sie immer und es gab immer noch einige gemeinsame Interessen. Und genau das fehlte ihr bei Carla. Sie konnte nicht mehr wirklich mit ihr reden, jedes Gespräch war schwerfällig, die Themen schnell erschöpft. Nur wenig gemeinsames ließ sich nach Stundenlangem suchen zu Tage fördern. Es war schade, aber unabänderlich. So etwas passierte nunmal.
Sie hielten vor einem kleinen "Irish Pub" der ihnen zusagte.
Es hatte sich viel in der Stadt verändert. Das hatte Thea schon bemerkt als sie Nell vor zwei Tagen durch ihren Heimatort geführt hatte. Früher schon hatten sich die Ladenbesitzer die Klinke in die Hand gedrückt, kein Geschäft schien lange überleben zu können. Aus ihrer ehemaligen Stammkneipe "Niagara" war das "Speedway" geworden und das kleine Café in dem es so leckere Croissants gegeben hatte, war nun zum "Irish Pub" geworden.
Sie gingen hinein. Ein Schwall warmer, Rauch durchsetzter Luft drang ihnen entgegen. Entgegen Theas Befürchtungen eine Horde betrunkener Möchtegern - Iren an der Theke vorzufinden empfing sie durchaus ein wenig Irischer Charme. Die Kneipe war in einem alten Fachwerkhaus untergebracht, sie war klein und kuschelig verwinkelt. Leise Musik dudelte aus den Lautsprechern und der Kellner lächelte ihnen freundlich zu. Sie setzten sich an den einzigen freien Tisch und gaben ihre Bestellung auf.
"Tja, also wirklich Thea", begann Carla, "jetzt, wo ich auch wieder Single bin, da verstehe ich, wie gut es dir dabei geht. Man ist so frei und ungezwungen und..."
"Äh, weist du", unterbrach Thea ihren überraschenden Redeschwall, "eigentlich bin ich schon seit einer ganzen Weile nicht mehr Solo."
"Ach nein?". Carla zog erstaunt die Augenbrauen nach oben. Ihrer Meinung nach war es völ-lig unmöglich eine gleichgeschlechtliche Beziehung über Jahre hinweg harmonisch zu erhalten."Besonders bei zwei Frauen", hatte sie einmal gesagt. "Von wegen der Stutenbissigkeit und dem Konkurrenzkampf der im-mer, meistens unterbewußt, ausgefochten wird. Man wird unzufrieden mit sich selbst und das alles nur, weil Frauen nunmal nicht zusammen leben können, wenn sie sich nicht auch mal von einander erholen können."
Das diese Erscheinung auch bei heterosexuellen Beziehungen auftreten könnte, bestritt sie vehement.
"Wer ist denn die Glückliche? Kenn ich sie vielleicht?"
"Das denke ich nicht, nein."
"Und wo ist sie jetzt? Ich meine, an den Feiertagen sollte man doch schließlich zusammen sein, oder?"
Thea riß sich zusammen und beschloß sich an diesem einen Abend den sie nunmal zusammen verbrachten nicht von Carla ärgern zulassen.
"Im Moment sitzt sie im Gästezimmer meiner Eltern und macht die Entwürfe für eine neue Werbekampagne fertig, sonst wäre sie auch sehr gerne mit gekommen.
"Achso", erwiderte Carla schmallippig, dann wandte sie sich schnell Johanna zu. Thea war es nur Recht. Sie zündete sich eine Zigarette an und als der Kellner ihre Bestellung brachte trank sie fünf große Schlucke ihres Kristallweizens, dann fühlte sie sich wieder halbwegs gewappnet.



copyright © by Jadefeuer. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


!!!
Ja wo bleibt sie??? Wir wollen mehr!!!
- 12.05.2003 10:54
Wo bleibt die Fortzetzung?
MilitaryGirl - 21.04.2003 09:59

>>> Laufband-Message ab nur 5,95 € für 3 Tage! <<<