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Stories » Detail

Roof Stories - Story 6 (Part 1)

von cappuccino007


Roof Stories - Story 6
Sünden
Sins

Die Tür klingelte und Vannys Mutter rief, „Vanessa, kommst du? Oma ist da!“ Wenige Sekunden später trat das schwarzhaarige Mädchen alles andere als begeistert aus ihrem Zimmer und grummelte, „Oh yeah, das wird ein Spaß…“
Vannys Großmutter, die durch und durch ein Familienmensch war, hatte sich vor wenigen Tagen angekündigt um gemeinsam mit ihrer Tochter, deren Mann und Enkelin bei Kaffee und Kuchen den Nachmittag zu verbringen. Frau Graf öffnete die Tür und empfing ihre wie immer kokett gekleidete Mutter herzlich. Vanny stand gelangweilt mit den Händen in den Hosentaschen daneben, „Hi Oma.“
Die ältere Dame mit dem kurzen schwarzen Haar blickte sie nur abfällig an „Hallo Vanessa.“
Vanny merkte ganz genau, dass ihre Oma es immer noch nicht akzeptierte, dass ihre Enkelin auf Frauen stand. Sie blickte Vanny an, als wäre sie Ungeziefer, dieser Familie nicht würdig. Doch Vanny machte eine gute Miene zum bösen Spiel und half ihrer betagten Großmutter aus dem Mantel. Diese machte sich gemeinsam mit ihrer Tochter und einem Stoffbeutel auf den Weg ins Wohnzimmer. Als Vanny auch an geschlürft kam, machte ihr fast schon glatzköpfiger Vater gerade den TV aus, vor dem er die letzten zwei Stunden verbracht hatte. „Mensch Harald, du hast dich bei der Tischdéko aber mal wieder ins Zeug gelegt!“, schwärmte Vannys Oma, deren Augen mit einem begeisterten Funkeln über den Tisch glitten.
„Ein Kinderspiel!“, antwortete Vannys Vater nur bescheiden und zog für Oma Graf den Stuhl nach hinten. Vannys wusste nicht so recht, was an ein paar gefalteten Servietten und einzelnen Rosenblüten auf dem Tisch so spektakulär sein sollte und nahm gelangweilt Platz. Das Einzige worauf sich Vanny bei dem Kaffeekränzchen freute, war die Schwarzwälderkirschtorte, die Frau Graf am Vortag noch gebacken hatte. Während diese nun unter großem Genuss verspeist wurde, erzählte Oma Graf stolz von den Vorbereitungen für das Erntedankfest, an dem sie in der Kirche eine Rede halten würde.
„Ach ja, ich habe etwas für euch!“, sagte ihre Oma und kramte den Stoffbeutel hervor. Daraus holte sie ein paar Bücher und schob sie ihrer Tochter hin, „Das sind meine neuesten Errungenschaften. Sie sind wirklich gut und ich dachte sie könnten dir gefallen!“
Vannys Mutter griff sich eines der Bücher und las interessiert den Inhalt durch. Dann fiel der Blick von Oma Graf auf ihre Enkelin, „Für dich habe ich auch etwas.“
Verwundert beobachtete Vanny, wie ihre Oma auch für sie ein dunkelblaues Buch aus dem Beutel zog und ihr reichte. Als Vanny es in den Händen hielt, traute sie ihren Augen nicht. Es war nichts Geringeres als eine Bibel.
„Was ist das?“, fragte Vanny obwohl sie die Antwort natürlich kannte.
„Die heilige Schrift, Vanessa“ antwortete ihre Oma ohne ihre eiskalte Miene zu verziehen. Vanny blickte auf die in Gold gedruckten Buchstaben und fragte ungläubig, „Was soll ich damit?“
„Lesen. Sie kann dir helfen, wieder auf den richtigen Weg zu kommen. Auf den von Gott gewollten Weg. Ich habe dir sogar die Stellen markiert, in denen steht, dass du mit deinem ausgewählten Lebensstil Sünde begehst.“
Frau und Herr Graf waren so perplex, dass sie überhaupt nicht wussten, was sie dazu sagen sollten. Vanny hingegen blätterte durch die Seiten und schüttelte fassungslos den Kopf, als sie tatsächlich ein paar mit Bleistift unterstrichene Zeilen entdeckte. „Ist das dein Ernst?“
Mit hilfloser Miene zuckte Vannys Oma mit den Schultern, „Auf mich hörst du ja nicht. Aber auf Gott solltest du hören. Ich will dir nur helfen, deinen unnormalen Lebensstil abzulegen!“
„Ach und deshalb empfiehlst du mir ein Buch, in dem Schlangen reden und Menschen übers Wasser gehen können? Das ist natürlich normal!“, tobte Vanny wütend und erhob sich.
„Rede nicht so abfällig über Gottes Wort“, giftete ihre Oma, die ihre Hände gefaltet auf den Tisch liegen hatte.
„Gottes Wort? Oma, das hier ist das größte Science-Fiction Buch, das jemals geschrieben wurde!“, entgegnete Vanny aus einer Mischung von Verzweiflung und Humor und wedelte mit dem Buch hin und her, „Das haben sich ein paar Leute vor tausenden von Jahren ausgedacht!
„Das, meine liebe Enkelin, ist der Pfad für jeden Christen, ein sündenloses und ehrwürdiges Leben im Namen Gottes zu führen. Und du bist eine Christin!“, schrie die kleine Dame zornig und haute mit der offenen Handfläche auf den Tisch, wobei ein wenig Kaffee aus ihrer Tasse schwappte. Für eine Sekunde herrschte Stille. Vannys Mutter saß mit bleichem Gesicht da, während ihr Vater mit Entsetzen dabei zusah, wie sich der Kaffee langsam in die gute Tischdecke fraß. Vanny senkte bedacht die Stimme, „Meine Religion habe ich mir nicht ausgesucht. Genau so wenig wie meine Sexualität. An der kannst weder du, noch Gott noch der Heilige Geist etwas ändern! Den Scheiß muss ich mir nicht länger geben, ich hau ab!“
Ohne ein weiteres Wort schmiss sie die Bibel auf den Tisch, die fast in der Torte gelandet wäre, schnappte sich ihre dunkelgraue Jacke vom Kleiderständer und zog die Tür mit einem lauten Knall hinter sich zu.

In der Mittagspause hatten es sich Hanna und Miri auf der Tribüne in der großen Sporthalle gemütlich gemacht. Miri hing über ihren Wirtschaftsbüchern und lauschte nebenbei Hannas Bericht über den gemeinsamen Kinobesuch von ihr und Fiona.
„Und dann hat sie gemeint, dass sie gar kein salziges Popcorn bestellt hat und schwupps haben wir sogar noch eins gratis bekommen! Fiona hat es echt drauf!“, erzählte Hanna begeistert.
„Mhm, scheint so…“, murmelte Miri nur.
„Und die Sprüche, die sie immer auf Lager hat, erste Sahne, Miri, erste Sahne!“, fügte Hanna hinzu und kam gar nicht mehr aus dem Schwärmen heraus. Miri aber schenkte ihr nur ein kurzes ausdrucksloses Lächeln, „Das freut mich doch.“
Skeptisch blickte Hanna ihre beste Freundin an, „Ist alles okay? Du wirkst ein bisschen angefressen.“
„Ach, wirklich?“, fragte Miri herausfordernd und Hanna wusste, dass etwas nicht stimmte, „Ja! Habe ich irgendetwas falsch gemacht?“
Miri schlug ihr Buch zu und atmete tief durch, „Weißt du Hanna, ich höre seit Wochen nur noch Geschichten von diesem LLoft. Seitdem du dort hingehst geht es nur noch darum, wie toll es dort ist und wie cool die Personen sind. Fiona, Charly, Jess, was weiß ich wie sie alle heißen. Es freut mich für dich, dass du endlich eine Anlaufstelle gefunden hast und dass es dir dort so gut gefällt. Aber ich habe das Gefühl, dass dir das alles mittlerweile wichtiger ist als deine anderen Freunde. Wie ich zum Beispiel.“
„Aber Miri, das ist doch gar nicht wahr!“, entgegnete Hanna, die nicht verstand worüber sich Miri so aufregte.
„Ach nein? Hanna wir sehen uns nur noch in der Schule! Das letzte Mal, dass du bei mir warst ist schon fast einen Monat her! Früher haben wir uns jede Woche gesehen!“, antwortete Miri ein wenig harsch.
„Ja, ich weiß.“, gab Hanna bedrückt zu, „Aber du musst verstehen, dass mir das LLoft momentan einfach wichtig ist. Endlich habe ich einen Ort gefunden, wo ich mich nicht verstellen muss und so sein kann wie ich bin.“
„Das verstehe ich. Wirklich. Aber du solltest nicht vergessen, dass du auch noch ein Leben außerhalb von diesem LLoft hast“, sagte Miri eindrücklich. Hanna wurde erstmals bewusst, wie sehr sie ihre beste Freundin vernachlässigt hatte. Sie seufzte schließlich und nickte dann, „Du hast recht. Was hälst du davon, wenn wir zwei einfach mal wieder einen gemütlichen Nachmittag miteinander verbringen? Nur du und ich, Jogginghosen, eine gute Serie und Pizzabaquettes?“
Miris Miene hellte sich augenblicklich auf, „Klingt gut. Was hälst du ganz spontan von heute Nachmittag?“
„Hmm… da wollte ich was mit Fiona machen…“, antwortete Hanna verlegen. Miri verdrehte genervt die Augen, „Kannst du das nicht verschieben?“
„Nein. Leider nicht.“, druckste Hanna herum und biss sich schuldbewusst auf die Unterlippe. Wahrscheinlich hätte sie es schon verschieben können, aber Hanna wollte es nicht verschieben.
„Mhm verstehe… dann wird das mit dem gemütliche Nachmittag wohl noch warten müssen. Am Wochenende und die kommende Woche habe ich nämlich keine Zeit“, antwortete Miri beleidigt und erhob sich, „Ich muss los. Hab jetzt Wirtschaft beim Borger, da will ich nicht zu spät kommen. Man sieht sich! Irgendwann vielleicht…“

Während Hanna noch in der Schule saß, waren Milli und Becky bereits bei ihrem Nebenjob. Sie arbeiteten beide als Bedienung im Café Mozart, einem kleinen edlen Café, das seinen Sitz in den Passagen des Einkaufszentrums „Brav‘Arcaden“ hatte.
„Alles zusammen macht das dann 18, 30 Euro!“, sagte Milli freundlich, die gerade einen der Tische abkassierte. Der ältere Herr, der dort mit seiner Familie saß, zog sein Portemonnaie aus der Brusttasche und hielt ihr mit einem zufriedenen Lächeln einen Schein hin, „Machen sie zwanzig draus!“
„Oh, vielen Dank! Einen schönen Tag noch!“, bedankte sich Milli und transportierte motiviert das volle Tablett zurück an die Theke, an der Becky gerade ein wenig Milch auf schäumte.
„Ich habe einen Euro siebzig Trinkgeld bekommen!“, freute sich Milli während sie das verdiente Kleingeld aus der Kasse nahm und in den Becher warf, in dem schon ein paar Münzen den Boden bedeckten. Becky grinste, „Das ist eins der wenigen guten Dinge, wenn man so viele Kunden hat wie heute. Zum Glück habe ich nicht mehr allzu lang.“
„Bis wie viel Uhr bist du heute noch da?“
„Bis fünf.“, antwortete das Mädchen mit der Mäuschennase und richtete die Tassen an. Milli spähte auf die elektronische Uhr an der Kasse, „Dann hast du es ja bald, du Glückliche!“
Becky stellte die Tassen auf das runde Tablett und wollte sich auf zum dem Tisch begeben, drehte sich aber mit genervter Miene noch einmal um, „Von wegen! Dafür habe ich am Samstag die Frühschicht!“
Milli verzog mitfühlend das Gesicht und Becky brachte die zwei Milchkaffees an ihren Ort der Bestimmung. Als das Mädchen zurück an die Kasse kam, trat ein neuer Kunde heran.
„Hi, was darfs…“, sagte Becky und stand einen Moment lang nur sprachlos da, als sie sah um wen es sich bei diesem Kunden handelte. Patrick, Beckys Schwimmbadbekanntschaft, stand mit den Händen in den Jeanstaschen und einer braunen Lederjacke da und lächelte sie mit seinen charismatischen Augen an. Becky brauchte einen Moment bis sie die Fassung zurück erlangte, dann grinste sie verwundert, „Hey, was machst du denn hier?“
Der smarte Sunnyboy zuckte nur mit den Schultern und lächelte verlegen, „Naja, du hast mir doch erzählt, dass du im Café Mozart arbeitest. Also dachte ich, ich schau mal auf gut Glück vorbei, ob du heute vielleicht da bist. Und wie man sieht, hatte ich Glück.“
Da trat plötzlich Milli neben sie, die nicht weniger staunte, „Hi Patrick! Schön dich zu sehen! Wie geht’s dir?“
„Hi Milli! Danke, mir geht’s ganz gut und dir?“, freute sich auch Patrick die kleine Blondine wieder zu sehen. Diese seufzte nur, „An sich ganz gut, wir sind nur ein bisschen im Stress. Heute ist ziemlich was los.“
„Oh klar, ich wollte euch auch gar nicht von der Arbeit abhalten!“, sagte Patrick hektisch und wandte sich an Becky, „Ich dachte nur ob du vielleicht Lust hast später noch irgendwas zu unternehmen?“ Auf Beckys Gesicht machte sich ein überraschtes Lächeln breit, „Sehr gern! Allerdings geht meine Schicht noch knapp eine Stunde.“
„Das macht nichts! Ich würde einfach so lange warten.“
„Wenn dir das nicht zu blöd ist.“
„Nein ist es nicht. Was willst du denn machen? Eigentlich hätte ich gefragt, ob du einen Kaffee trinken gehen willst, aber ich glaube davon hast du heute schon genug.“, grinste Patrick amüsiert und Becky lachte, „Da hast du Recht. Hast du Lust irgendwo was essen zu gehen? Ich habe riesigen Hunger.“
„Klar! Okay, dann setz ich mich mal hin und warte so lange“, sagte Patrick und hielt nach einem freien Platz Ausschau. Bevor er sich jedoch von der Theke wegbewegen konnte, fragte ihn Milli noch enthusiastisch, „Möchtest du vielleicht irgendwas trinken während du wartest? Kaffee, Cappuccino, Milchkaffee? Wir haben alles was mit Kaffee zu tun hat!“
„Gegen einen Cappuccino hätte nichts einzuwenden.“
Milli zeigte ihm gut gelaunt den Glücksdaumen, „Becky bringt dir sofort einen!“
Mit einem zufriedenen und schüchternen Lächeln setzte sich der blonde junge Mann an einen der noch freien runden Tische und zückte sein Smartphone. Becky ließ sofort einen Satz Espresso von der Kaffeemaschine herunter um und Milli flüsterte ihr verschmitzt ins Ohr, „Er mag dich!“

Kaum zu glauben, dass Vanny und ihre Großmutter mal ein gutes Verhältnis zueinander gehabt hatten. Als kleines Kind freute sich Vanny immer so sehr wenn sie ihre Oma besuchten. Manchmal überraschte diese ihre Enkelin mit einem neuen Spielzeug und wenn nicht, dann gab es auf jeden Fall eine heiße Tasse Schokolade mit Zimt verfeinert. Doch die Erinnerungen an diese unbeschwerte Zeit verblassten immer mehr.
Vollkommen empört über die Bibel-Aktion war Vanny zu Chrissi geflüchtet. Diese hatte Vanny erst einmal auf eine besondere Art geholfen wieder herunterzukommen. Nun lag Chrissi hüllenlos und keck grinsend auf der ebenfalls nackten Vanny, die ein wenig brauchte um sich von der Ablenkung zu erholen. Dann aber erzählte sie Chrissi, was genau sie so auf die Palme gebracht hatte.
„Kannst du dir das vorstellen? Da bringt die mir ernsthaft eine Bibel mit!“
Chrissi schüttelte nur den Kopf, „Wow, deine Großmutter hat echt ein Problem damit, dass du auf Frauen stehst, was?“
„Das ist nicht nur ein Problem für sie, das ist für sie eine persönliche Apokalypse!“, erwiderte Vanny wild gestikulierend, „Ausgerechnet sie, das engagierte Kirchenmitglied und streng gläubige Christin hat eine lesbische Enkelin. Ich glaube, wenn ich mal mit eine Freundin ankomme, erleidet sie einen Herzinfarkt!“
"Hoffentlich nicht, ich möchte nicht, dass jemand wegen mir stirbt!", grinste Chrissi und Vanny sah sie verwirrt an, "Wie meinst du das?"
Chrissi blickte sie eindringlich an und Vanny ging ein Licht auf. „Oh… oh... ich verstehe. So, du bist also meine Freundin? Was ist wenn ich das gar nicht will?“, fragte sie scherzhaft.
Chrissi seufzte nur, „Ach komm, du hast mich genauso gern wie ich dich. Wenn du mich nicht als deine Freundin haben wollen würdest, müsstest du ja verrückt sein!“
"Da hast du recht!“, musste Vanny auflachen und strich Chrissi sanft eine ihrer dunkelroten Strähnen aus dem Gesicht, „Oh, du bist lesbisch und hast dazu noch rote Haare! Meine Oma wird in dir wohl eine Hexe sehen!“
Chrissi hörte gar nicht mehr zu, sondern fing an Vanny den Hals entlang zu küssen und blickte auf, „Lass uns nicht mehr von deiner Oma reden. Was hälst du stattdessen von einem zweiten Durchgang?“ Auf Vannys Gesicht machte sich ein dankbarer Ausdruck breit und sie blickte gen Himmel, „Ich sage das nur selten, aber, danke Gott! Endlich habe ich meine Seelenverwandte gefunden!“

Gegen noch mehr Sex hatte Vanny natürlich nichts einzuwenden. Wie peinlich war es nur damals gewesen als sie sich durch eine ähnliche Situation ungewollt bei ihrer Mutter outete. Vanny hatte Besuch von einer Internetfreundin mit der sie im Bett ziemlich heftig rumknutschte, als plötzlich Vannys Mutter ohne Vorwarnung die Tür aufriss. Der Schock über das was sie dort sah war ihr mehr als deutlich ins Gesicht geschrieben.
„Mom!“, rief Vanny nicht weniger schockiert, während sich ihre blonde Bekanntschaft eilig die Decke über den Kopf zog.
„Schon gut, ich habe nichts gesehen!“, entgegnete Frau Graf peinlich berührt und schloss mit der Hand vor den Augen die Tür. Nach dieser Aktion war Vanny und ihrem Besuch natürlich nicht mehr zum rummachen zu Mute, also verabschiedete sie das total überrumpelte Mädchen an der Haustür. Nach dem sie die Tür geschlossen hatte, wusste Vanny was zu tun war.
So hatte sie sich das Coming-Out bei ihrer Mutter nicht gerade vorgestellt, aber nun war die Katze aus dem Sack. Mit erhobenem Haupt stapfte Vanny in die kleine Küche, in der ihre Mutter beschäftigt am Herd herum werkelte.
„Mom, du kannst doch nicht einfach ohne anzuklopfen in mein Zimmer kommen!“, begann Vanny sauer, doch ihre Mutter verteidigte sich hastig, „Woher sollte ich denn wissen, dass du Besuch hast! Ich wollte nur fragen ob du… ob ihr auch mit zu Abend essen wollt. Und überhaupt Vanessa, war das was ich da gesehen habe, das was ich denke?“
Vanny, die sonst das coolste Mädchen im Viertel war, nickte zögerlich. Frau Graf wandte sich ab und schnitt ein paar Möhren klein „Und wann hattest du mir vor das zu erzählen?“
„Irgendwann mal“, entgegnete Vanny, die sich gegen den blauen Kühlschrank gelehnt hatte, „Aber unter den Umständen kann ich es dir auch jetzt sagen. Mom, ich bin lesbisch. Und nein, das ist kein Phase oder dergleichen.“
„Sicher?“
„Ja!“, erwiderte Vanny mit fester Stimme.
„Hast du es Papa schon gesagt?“
„Nein.“
„Soll ich es ihm sagen?“
„Kannst du gerne machen“, sagte Vanny lächelnd und guckte ihrer Mutter dabei zu, wie sie weiter das Gemüse klein schnitt. Sie merkte ganz genau, dass ihre Mutter diese Neuigkeiten sehr trafen „Bist du sauer?“
„Nein. Ich weiß nur nicht so recht, was ich dazu sagen soll. Und ich will gar nicht wissen, was deine Oma dazu sagen wird Vanny. Du weißt wie sie zu so einem Thema steht“, sagte Frau Graf leise und blickte ihre sechszehn Jährige Tochter an. Diese erwiderte den Blick nicht, sondern schaute auf das Kreuz, das über der Tür hing.
Das Kreuz stand in Vannys Familie nicht nur für den christlichen Glauben. Es stand gleichzeitig für die Tyrannei ihrer Großmutter Inge Graf. Vannys gesamte Familie mütterlicherseits war katholisch, doch niemand von ihnen lebte den Glauben so sehr wie ihre Oma Inge. Vannys Opa war schon vor Jahren verstorben, was ein ziemlicher Schlag für Inge gewesen war. Vor allem zu dieser Zeit war ihr die Religion eine große Stütze. Schon seit mehreren Jahrzehnten war die kleine Powerfrau stolzes Mitglied in der Sankt Andreas Gemeinde, in der sie als Rednerin agierte. Wehe wenn an Weihnachten nicht die Verwandtschaft in den Bänken saß und artig die Loblieder mitsang. Natürlich hatte Inge Graf darauf bestanden, dass jedes ihrer fünf Enkelkinder sich taufen ließ und auch die Kommunion und Firmung vollzog. Tobias, einer von Vannys Cousins, hatte keine Lust auf das Tamtam der Firmung gehabt und ließ sie deshalb sausen. Für ihre Oma war er daraufhin gestorben. Was würde sie also sagen, wenn sie erfuhr, dass eines ihrer wohlerzogenen Enkelkinder homosexuell war? Wasche mich wohl von meiner Missetat und reinige mich von meiner Sünde.…
Vannys Verwandte väterlicherseits lebten allesamt in Hamburg. Ihr Vater Harald verließ als junger Mann die Hansestadt aus beruflichen Gründen, die ihn in die Stadt führten, in der er nun war. Da man aber die Verbindung zur Familie nicht verlieren wollte, packte Familie Graf alle paar Monate ihre Koffer und fuhr in Richtung Norden. Vanny mochte diese Familienhälfte viel mehr. Alle waren irgendwie offener und entspannter. Das war Vanny schon als kleines Kind aufgefallen. Sie vermutete damals, das läge am frischen Wind der Nordsee. Es war also kein Wunder, dass ihre Großeltern väterlicherseits keinerlei Probleme damit hatten, dass sie lesbisch war. Natürlich kam es auch für sie am Anfang ein wenig überraschend, doch bald schon war es nicht einmal mehr der Rede wert.
Auch Vannys Vater reagierte auf die Neuigkeiten glücklicherweise viel lockerer, als Vanny befürchtet hatte. Auch wenn das zunächst ganz anders klang.
„Hat Mom mit dir geredet?“, fragte Vanny, als sie sich am selben Abend zu ihrem Vater auf die Couch setzte. Beziehungsweise kauerte. Harald Graf war nämlich aufgrund seiner Glatze und den Muskelpaketen an den Oberarmen eine äußert respekteinflößende Erscheinung. Lediglich wenn er sonntagmorgens mit seiner Lesebrille in der Zeitung stöberte und nebenher sein weichgekochtes Frühstücksei löffelte, wirkte er halbwegs zahm. Er wandte sich mit strengem Blick zu seiner Tochter um, „Allerdings. Du bist also lesbisch?“
„Ja…“, murmelte Vanny kleinlaut. Herr Graf blickte sie scharf mit seinen mintgrünen Augen an „Ehrlich gesagt Vanessa habe ich damit ein Problem…“
Oh je. Damit hatte sie nicht gerechnet. Gleich würde er ihr eine Standpauke halten oder ihr sagen, dass sie sofort die Koffer packen konnte. Vanny hatte es nur zweimal erlebt, dass ihr Vater richtig sauer geworden war und ehrlich gesagt, hätte sie darauf verzichten können. Wenn ihr Vater mal rumbrüllte, dann war das wirklich angsteinflößend. Mehr als ein zittriges Piepsen bekam man danach nicht mehr heraus, wenn überhaupt. Vanny wollte ihn etwas besänftigen ehe die Bombe hochging, doch ihr Vater kam ihr zuvor, „Ich meine was denkst du dir eigentlich? Wenn dir jetzt jemand das Herz bricht, dann kann ich ihm nicht in die Eier treten!“
Einen Moment blickte Vanny ihren Vater verwirrt an. Verstand sie auf einmal kein Deutsch mehr oder warum klang der Satz so seltsam? Erst als er sie gütig anlächelte machte es bei ihr Klick und überglücklich umarmte sie ihren Vater.

Ab halb fünf spähte Becky alle paar Minuten ungeduldig auf die Uhr an der Kasse. Patrick hatte mittlerweile seine Tasse Cappuccino geleert und hing nach wie vor am Handy. Zwar hatte er gesagt, dass es ihm nichts ausmachte zu warten, doch trotzdem hatte Becky ihm gegenüber ein schlechtes Gewissen. Da tippte sie auf einmal Milli in die Seite, „Komm hau schon ab.“
Becky entgegnete, „Nein, das geht nicht. Leon kommt doch erst in etwa halber Stunde. Wenn überhaupt. Du weißt, dass er es nicht so ganz mit der Pünktlichkeit hat.“
„Na und? Ich glaube der größte Ansturm ist jetzt erst einmal vorbei. Eine halbe Stunde oder ein bisschen länger schaffe ich auch allein.“, erklärte die hilfsbereite Blondine. In Beckys Gesicht zeigte sich ein Anflug von Dankbarkeit ab, „Wäre es wirklich okay?“
„Ja Becky! Du springst einfach irgendwann mal ein bisschen länger für mich ein. Und keine Sorge, ich notier bei dir die normale Stundenzahl, die du da gewesen hättest sein müssen. Jetzt zieh dich um und lass den jungen Mann nicht länger warten!“, sagte Milli und schob Becky um die Ecke, „Danke Milli! Du bist die Beste!“
„Ich weiß, ich weiß!“
Keine fünf Minuten später eilte Becky in ihrer schwarzen Lederjacke und mit Handtasche die Treppe herunter. Sie richtete sich noch einmal hastig den Dutt, als sie auf Patrick zutrat und sagte „Wir können!“
Er blickte ein wenig verwundert auf sein Handy, „Schon? Ich dachte du hast noch bis fünf?“
Becky druckste grinsend herum, „Eigentlich schon. Aber Milli hat mir die Erlaubnis gegeben schon früher zu gehen!“
Begeistert von so viel Kameradschaft blickte Patrick zum Tresen, an dem der blonde Engel lehnte und grinsend winkte. Der junge Mann brachte anständig seine leere Tasse zurück an die Kasse und kramte in seinem Geldbeutel nach ein wenig Kleingeld. Milli schüttelte sofort den Kopf, „Oh nein, nein Patrick! Du musst den Cappuccino nicht bezahlen!“
„Ich möchte aber!“, sagte der Sunnyboy mit seinem perfekten Zahnpasta Lächeln, „Hier, vier Euro. Der Rest ist für dich Milli!“
Dankend nahm Milli das Trinkgeld an und schmiss es in den Becher. „Viel Spaß euch beiden!“, sagte die freundliche Bedienung und winkte den beiden nach, als sie in die volle Einkaufspassage bogen. Eine gute Tat am Tag war vollbracht, dachte sich Milli zufrieden und ließ ihren Blick über die übrigen besetzten vier Tische schweifen. Mit den paar Kunden würde sie noch locker fertig werden bis ihr Kollege kam. Plötzlich jedoch sah sie etwas, dass ihr das bezaubernde Lächeln augenblicklich aus dem Gesicht radierte. In der Ferne kam eine indische Großfamilie mit Kinderwägen die Passage entlang gerollt und steuerte gefährlich genau auf das Café Mozart zu. Bis zum letzten Moment hielt Milli den Atem an, in der Hoffnung die Karawane würde einfach weiterziehen. Doch das Glück war nicht auf ihrer Seite. Wenige Sekunden später drängten sich gut zehn indische Familienmitglieder an die Kasse, von denen niemand auch nur ein Wort Deutsch verstand.

Nicht nur im Café Mozart sondern auch im restlichen Einkaufszentrum herrschte nun reges Treiben. Hanna saß auf einer der Sitzreihen, die in diesem Strom von Shoppingwütigen eine rettende Insel darstellte. Ihre Armbanduhr zeigte viertel vor fünf. Um halb fünf hatten sie und Fiona sich eigentlich treffen wollen. Während sie also weiter warteten, wanderten ihre Gedanken zurück zu dem Streit mit Miri vorhin.
Ein schlechtes Gewissen Miri gegenüber hatte sie schon. Aber was hätte sie machen sollen? Das heutige Treffen mit Fiona war früher vereinbart gewesen. Und das was Miri sonst alles behauptet hatte, von wegen Hanna hätte aufgrund des LLofts keine Zeit mehr für sie und andere Freunde. Ja, es stimmte, dass sie nun jede Woche ins LLoft ging, aber deswegen vernachlässigte sie doch nicht die Anderen. Miri hatte außerdem auch leicht reden! Sie hatte immer in ihr Umfeld reingepasst. Nie hatte sie erst einen Ort suchen müssen, um so zu sein können, wie sie nun mal war. Sie wusste deshalb nicht wie befreiend dieses LLoft für Hanna war. Allerdings drängte sich Hanna langsam eine innere Stimme auf, dass es allmählich an der Zeit wäre ihren Eltern die Wahrheit zu sagen. Jede Woche log sie sie aufs Neue darüber an, wo sie unterwegs war. Doch wenn sie vom LLoft erzählen würde, würde sie auch zugeben müssen, warum sie dorthin ging. Und ihnen das zu sagen, davor hatte Hanna nach wie vor Angst.
Aber daran wollte sie in diesem Moment nicht denken. Stattdessen spähte sie umher und endlich sah sie in der Ferne eine vollkommen gehetzte Fiona, die sich elegant durch die Menschenmassen schlängelte. Leicht aus der Puste kam das quirlige Mädchen vor Hanna zum Stehen und keuchte, „Tut mir leid, dass ich zu spät bin! Mir ist der Bus vor der Nase weggefahren!“
„Das macht doch nichts!“, antwortete Hanna lächelnd von unten her und ließ ihren Blick über Fiona streichen. Der königsblaue Mantel, den sie trug hatte es ihr irgendwie sofort angetan. Er war bestimmt teuer gewesen, so wie er aussah. Da konnte sie mit ihrem olivgrünen Parka nicht mithalten. Hanna mochte solch edle Kleidung, auch wenn sie selbst kaum welche trug, geschweige denn in ihrem Schrank hatte. Aber vielleicht fand sie sich ja heute was Schönes.
„Wo willst du überall rein schauen?“, fragte Hanna, „Du meintest, dass du irgendein Geschenk brauchst?“
„Genau! Also ein Geschenk für eine gute Freundin, aber da weiß ich schon, wo ich das her bekomme!“, quasselte Fiona fröhlich los, „Und sonst würde ich vorschlagen, dass wir einfach ein bisschen bummeln und wenn uns irgendein Laden anzieht, dann gehen wir hinein.“
„Einverstanden!“, erwiderte Hanna, schob die Hände in die Taschen ihres Parkas und die beiden Mädchen fügten sich in die Masse der Besucher ein.
Fiona ging ein Stückchen hinter Hanna und begutachtete diese schüchtern. Dieser halbe Dutt, den Hanna fast immer trug hatte was. Er war keck und elegant zugleich. Auch wenn der von Hanna nicht immer perfekt saß und hier und da ein paar Strähnen heraus hingen, sah es trotzdem schön aus. Viele Mädchen liefen jetzt mit dieser Frisur herum, doch erst durch Hanna war Fiona wirklich darauf aufmerksam geworden. Diese Frisur war echt cool. Zumindest bei Hanna. Aber Hanna war generell cool.
Als erstes betraten die Beiden eine Parfümerie, in der Fiona das Geschenk besorgen wollte. Welches von den tausenden Parfüms, die sich dort präsentierten genau sie kauften wollte, war die andere Frage. Fiona und Hanna rochen an ungefähr jeder der kleinen Flaschen und sprühten ihre Handgelenke damit ein. Fanden sie einen Duft bei dem sie sich einig waren, waren die knapp dreißig Milliliter nicht zu bezahlen. Aus dem Probe-Schnuppern entwickelte sich bald eine neue Kampfart, bei der es galt, die andere mit so viel eklig riechendem Parfüm wie nur möglich voll zu sprühen. Ein paar Kunden gingen kopfschüttelnd und naserümpfend an den zwei kichernden Mädchen vorbei, die schon bald von einer undurchdringbaren Parfümwolke umhüllt waren. Nach zwanzig Minuten und mehreren Hustanfällen später, hatte Fiona endlich einen halbwegs passenden Duft gefunden. Obwohl die Luft in der Passage alles andere als rein war, kam sie den zwei Mädchen, als sie die Parfümerie verließen, wie die Frischeste vor, die sie je eingeatmet hatten.
Anschließend schlenderten sie im Zick-Zack-Muster von einem Schaufenster zum nächsten und landeten keine fünf Minuten später in einem Klamottenladen.
„Wie findest du das?“, fragte Hanna als sie mit einem schwarz-weiß-gestreiften Pullover aus der Umkleidekabine trat. Fiona, die es sich auf einem Sitz gemütlich gemacht hatte, grinste, „Weißt du woran du mich in diesem Pulli in Kombination mit der Duftwolke um dich herum erinnerst? An ein Stinktier!“
Hanna guckte beleidigt drein und zog augenblicklich den Vorhang zu. „Aber ein hübsches Stinktier!“, rief Fiona noch laut, doch Hanna entschied sich gegen den Pulli. Fiona probierte eine weinrote Hose, die ihre Figur nochmal besonders gut zur Geltung brachte. Hanna schaute ihr dabei zu, wie sie vor einem Spiegel posierte und sich mit kritischem Blick begutachtete. Fiona war ein so ausgesprochen süßes Mädchen. Ihr Gesicht war so makellos und das schokobraune Haar floss ihr so geschmeidig über die Schultern, wie man es sonst nur in Werbespots für Haarkuren sah. Und während sie Fiona so betrachtete, formte sich, ohne dass Hanna es merkte, ein Lächeln auf ihrem Gesicht.

Vanny war schon immer mehr ein Papa-Kind gewesen. Manchmal dachte sie, dass er mit ihr eigentlich das große Los gezogen hatte. Sie war zwar ein Mädchen, spielte aber bereits als Kind gerne Fußball und begeisterte sich für Rennautos. Herr Graf hatte also quasi Tochter und Sohn in einem. Schon als kleines Mädchen hatte sie Kurzhaarschnitte, Monster-Actionfiguren und Klamotten aus der Jungenabteilung bevorzugt. Ihre Eltern und selbst ihre Oma hatten das zunächst auch so hingenommen. Immerhin ist es bekannt, dass einige Mädchen eine Phase durchmachen, in der sie lieber ein Junge wären. Doch als Vanny älter wurde, betrachtete ihre Oma sie kritischer. Immer öfter redete sie auf Angelika Graf, Vannys Mutter, ein, sie sollte das Mädchen doch langsam an Kleider und Langhaarfrisuren gewöhnen. Immerhin sei sie ja ein Mädchen. Doch Vanny wehrte sich mit Händen und Füßen wenn Frau Graf sie in ein solches stecken wollte. Harald Graf konnte diese Situationen nicht mit ansehen und half seiner Tochter da raus.
„Hört doch auf ihr das aufzuzwingen, wenn sie es nicht will!“, schimpfte Vannys Vater dann immer verständnislos und nahm seine Tochter auf den Arm. Selbst wenn sie keine Kleider oder Röcke mochte, war sie für ihn stets seine kleine Prinzessin.
Umso mehr Vanny jedoch ihre eigene, etwas rebellische Persönlichkeit entfaltete, desto distanzierte wurde das Verhalten von ihrer Großmutter. Vannys erster Piercing war ein Schock, den Inge gerade noch verdauen konnte. Als aber mehr und mehr metallene Stecker und Ringe Vannys Gesicht zierten, gerieten die zwei immer öfter an einander. Und als Inge Graf von Vannys ersten heimlich gemachten Tattoo Wind bekam, da schaute sie ihre Enkelin an, als wäre sie Satans Tochter höchstpersönlich. Und Vanny wusste, dass alles noch schlimmer werden würde, wenn sie ihrer Großmutter von ihrer sexuellen Orientierung erzählen würde. Wer Sünde tut, der ist vom Teufel; denn der Teufel sündigt von Anfang an…
Vanny hatte sich nie für Jungs interessiert, ging aber davon aus, dass sie mal einen heiraten würde. Nicht weil sie das wollte, sondern einfach weil es für sie selbstverständlich war, dass eine Frau und ein Mann eines schönes Tages in einer Kirche heiraten. Andere Formen der Liebe und Eheschließung kannte sie schlichtweg einfach nicht. In der sechsten Klasse hatte sie für knapp zwei Wochen sogar einen festen Freund, für den sie allerdings keinerlei romantische Gefühle empfand. Bis auf Händchen halten und ein paar amateurhafte Küsse passierte in dieser Beziehung, falls man das überhaupt so nennen konnte, auch nichts. Ein einschneidendes Erlebnis, das Vanny auf ihre eigentliche Sexualität aufmerksam machte, erlebte sie in Form einer neuen Mitschülerin, die in der achten Jahrgangsstufe zu ihnen hinzu stieß. Vom ersten Tag an war Vanny hin und weg von ihr. So wurde ihr klar, dass Mädchen im Gegensatz zu Jungs ziemlich interessant beziehungsweise sogar äußert anziehend waren.
Seit dieser Erkenntnis hatte Vanny schon einige feste Freundinnen gehabt. Ihre längste Beziehung hielt knapp sieben Monate. Hier und da hatten sie auch mal eine flüchtige Romanze oder einfach nur einen One-Night-Stand. Sie wusste, dass einige ihrer Freundinnen dieses Lodderleben nicht gerade befürworteten, wie zum Beispiel Milli, doch Vanny scherte sich nicht darum. Sie war der Meinung, jeder sollte sein Leben so genießen, wie er es für richtig hielt.

Zum Abschluss ihres Shopping-Trips gönnten sich Hanna und Fiona noch jeweils einen Frozen Joghurt.
„Danke, dass du mitgekommen bist!“, bedankte sich Fiona und schlürfte genüsslich an ihrem Erdbeer-Drink, „Es hat echt Spaß gemacht.“
„Ja, das finde ich auch. Genauso wie letztens im Kino. Von mir aus können wir gern öfter was zusammen machen“, schlug Hanna vor.
„Da bin ich auch total dafür!“, erwiderte Fiona freudig, „Hast du Lust am Donnerstag zu mir zu kommen? Und dann könnten wir gemeinsam ins LLoft fahren.“
„Ich bin dabei!“ stimmte Hanna zu und musste dann verlegen lachen, „Wenn ich das Miri erzähle, dann wird sie wahrscheinlich wieder sauer sein.“
„Wer ist Miri?“
„Meine beste Freundin“
„Ach die! Warum ist sie dann sauer?“, wollte Fiona wissen und schaute Hanna interessiert mit ihren eisblauen Augen an. Diese Augen waren so schön.
„Sie sagt, ich verbringe zu viel Zeit mit den Mädels aus dem LLoft. Und eigentlich wollte sie heute Nachmittag was mit mir machen.“
„Oho! Du hast mich deiner besten Freundin vorgezogen?“, fragte Fiona erstaunt und wirkte dann sehr zufrieden mit sich selbst, „Ich bin wohl wirklich was Besonderes hm?“
„Bild dir mal nichts ein Fräulein!“, nuschelte Hanna mit dem Strohhalm im Mund und erkannte in Ferne eine vertraute Reklame, „Hey guck mal! Das ist doch das Café Mozart! Da arbeiten Milli und Becky, komm lass uns mal schauen ob wer von ihnen da ist!“
Die beiden bogen nach links weg und gingen auf das Café mit seiner burgunderroten Außenfassade zu. Als sie eine der zwei Bedienungen als Milli ausmachen konnten, beschlossen sie einen kurzen Boxenstopp einzulegen. Milli strahlte, als sie Hanna und Fiona plötzlich am Tresen stehen sah. „Ah! Noch zwei bekannte Gesichter, die heute vorbei schauen!“
„Wer war denn noch da?“, fragte Hanna neugierig. Milli setzte eine verschmitzte Miene auf, „Patrick hat Becky vorhin von der Arbeit abgeholt. Sie sind zusammen essen gegangen.“
Fiona hob die Augenbrauen „Patrick? Das ist doch der aus dem Schwimmbad oder?“
„Genau der!“, verkündete Milli und kassierte nebenbei eine Kundin ab, „Das macht dann 3,20 Euro, bitte! Danke! Auf jeden Fall habe ich Becky in Whats-App gefragt wie es denn so läuft, aber bis jetzt hat sie nicht geantwortet beziehungsweise, sie war gar nicht online.“
„Uhh, dann scheint es ja ziemlich gut zu laufen!“, freute sich Hanna gespannt.
„Vielleicht ist Patrick aber auch ein irrer Serienkiller, der Becky entführt hat und die Gute liegt jetzt irgendwo geknebelt und gefesselt im Keller von diesem Einkaufszentrum und er hat ihr das Handy weggenommen!“, spekulierte Fiona und ließ ihr linkes Auge krampfhaft zusammen zucken. Milli schaute sie ausdruckslos an, „Du guckst wohl zu viel Navy CIS, was? Oha, wie ich sehe, wart ihr zwei shoppen? Und anstatt sich etwas bei uns zu kaufen, geht ihr zur Konkurrenz und schüttet euch mit diesem künstlichem fettem Zeug voll!“
Mit strenger Miene deutete Milli auf die Frozen-Joghurt Becher in den Händen der Mädchen.
„Das nächste Mal kaufen wir was bei euch!“, verkündete Hanna besänftigend.
„Das will ich hoffen! Denn unser Kaffee ist aus den besten Kaffeebohnen Madagaskars gemacht!“, gab Milli belehrend Auskunft. „Kommt ihr am Donnerstag ins LLoft?“
Die beiden nickten. „Gut! Dann sehen wir uns da! Ich muss jetzt weiter machen, kann meinen Kollegen nicht so lange alleine lassen, bis dann!“
Die Mädchen verabschiedeten sich und Milli blickte Fiona und Hanna interessiert nach.

Fortsetzung Part 2...





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