von cappuccino007
Diese Woche donnerstags war das LLoft so gut besucht, wie schon lange nicht mehr. Einen speziellen Themenabend gab es diesmal nicht, nur gemeinsames beisammen sitzen und plaudern stand heute auf der Tagesordnung. An der Bar stand wie sooft Rosalie, deren Hilfskraft die kleine und quirlige Nadine darstellte. Diese erzählte Rosalie gerade mit Händen und Füßen eine besonders unterhaltsame Geschichte, während der Rotschopf den drei neu angekommenen Damen an der Bar ihre Getränke servierte.
In der Ecke hatten es sich Charly, Hanna, Fiona, Vanny und Milli wie immer an ihrem Stammtisch gemütlich gemacht. Milli hatte den Rest der Gruppe seit letzter Woche nicht mehr gesehen und wollte nun natürlich erfahren, was am Wochenende auf Giselle so alles los war. Natürlich wussten alle, die auf der angesagten Szeneparty gewesen waren, dass das Prägnanteste wohl der Kuss zwischen Hanna und Fiona war, aber darüber verlor niemand ein Wort. Im Gegenzug wollten die Vier von der halben Finnin wissen, wie denn die Party bei Patrick war und vor allem, was nun genau zwischen Becky und ihm lief. Ein wenig widerwillig und mit gedämpfter Stimme berichtete Milli von dem unangenehmen Zwischenfall zwischen dem Gastgeber und ihrer aller Freundin. Charly, Hanna und Fiona waren geschockt.
„Was?“, fragte Hanna empört, „Das soll Patrick gesagt haben? Nein!“
Fiona, die natürlich neben dem Mädchen mit halbem Dutt saß, pflichtete ihr bei, „Stimmt. Der hat total anständig gewirkt!“
Vanny hingegen nahm lässig einen Schluck von ihrem Bier und grinste dann fies in die Runde, „Tz! Ich hab doch von Anfang an gesagt, dass das total der Möchtegern-Macho ist! Geschieht Becky irgendwie Recht!“
Milli blickte sie entsetzt mit ihren braunen Kulleraugen an, „Vanny! Wie kannst du sowas sagen?“
„Na ist doch so!“, entgegnete Vanny verständnislos, „Becky lässt sich immer viel zu schnell auf irgendwelche Trottel ein. Ich konnte schon damals im Schwimmbad nicht verstehen, was sie an dem Lackaffen so toll findet.“
„Also ich kenne diesen Patrick ja nicht und kann daher nicht sagen ob ich ihn gut finde oder nicht“, begann Charly mit moralischer Stimmlage und richtete sich die Brille, „aber so etwas hat Becky nun wahrlich nicht verdient, Vanny.“
Die Butch verdrehte nur genervt die stark geschminkten Augen und murmelte, „Whatever…“
Bedacht wandte sich Milli an die Runde, „Sprecht sie aber bitte nicht darauf an, wenn sie später kommt. Sie wollte nämlich gar nicht, dass ihr das wisst, aber ich wollte euch vorwarnen, nicht dass ihr ausversehen was Falsches sagt.“
„Kann ich schon verstehen, warum sie nicht wollte, dass wir das wissen!“, gluckste Vanny verschmitzt und nahm zufrieden einen weiteren Schluck. Milli und Charly blickten sie verständnislos an.
Wie der Zufall es wollte, betrat Becky just in diesem Moment das LLoft. Mit einem Kopfnicken grüßte sie Rosalie und Nadine an der Bar und schlenderte dann mit ihrer schwarzen Handtasche auf die Mädchenrunde zu, nachdem sie diese ausgemacht hatte. Schwungvoll ließ sie sich neben Charly nieder, "Guten Abend! Wie geht es euch Bitches so?"
"Ganz gut soweit", antwortete Fiona und Charly murmelte, "Kann mich nicht beklagen."
Während Becky ihre Lederjacke abstreifte, grinste Vanny sie herausfordernd an und gluckste dann, "Und dir Beckylein?"
"Auch ganz gut, danke", antwortete diese, „Was gibt es so neues in der Welt der Lesben?“
Bei dieser Frage musste Hanna über beide Ohren grinsen und erzählte stolz von ihrem gestrigen Coming-Out bei ihren Eltern und wie cool und positiv diese reagiert hatten. Die übrigen freuten sich allesamt mit dem Mädchen mit dem Dutt. Es war jedes Mal wieder spannend mitzubekommen, wenn sich eine von ihnen bei irgendwem outete und wie die darauffolgende Reaktion so war. Am meisten freute es Hanna, dass sie ihre Eltern nun nicht länger anlügen musste, das war eine wunderbare Erleichterung. Bei diesen Worten zuckte für eine Sekunde Beckys Mundwinkel und Hitze stieg in ihr auf. Sie log ihre Eltern gerade noch an. Kurz überlegte sie ernsthaft, ob sie ihnen nicht vielleicht doch die Wahrheit sagen sollte, doch dann schüttelte sie den Kopf und erholte sich schnell von diesem Moment der Schwäche.
Nachdem Hanna geendet hatte und Fiona sich glücklich an ihre Schulter lehnte, konnte es sich Vanny nicht mehr verkneifen und spottete in Richtung Becky, "Na, die Party bei deinem ach-so-tollen Patrick war wohl nicht so der Hammer, was?"
Mit einer empörten Miene blickte Milli die Piercing-Trägerin an und Becky schaute genervt von Vanny zu Milli, „Super. Du hast es ihnen erzählt?"
"Tut mir leid!", verteidigte sich die Blondine, „Ich wollte nur, dass sie Bescheid wissen, nicht dass sie etwas sagen oder fragen was dir dann unangenehm ist."
"Hast du ja toll hingekriegt!", pflichtete Becky ihr genervt bei und sah aus dem Augenwinkel, wie Vanny sie angrinste. "Ja, die Party war ziemlich scheiße, weil sich rausgestellt hat, dass Patrick ein Arschloch ist und ich bin auf ihn reingefallen. Zufrieden?", erklärte Becky kurz und knapp und schaute dann fragend in die Runde. Aus Vannys Richtung kam nur ein schadenfrohes Kichern, die Übrigen blickten Becky bemitleidend an. Dann ergriff Charly das Wort, "Hast du deswegen noch einmal mit ihm geredet?"
Becky rümpfte angewidert die Nase, "Pff! Nein habe ich nicht. Er hat zwar die ganze Woche über versucht mich anzurufen aber ich bin nicht ran gegangen. Und nach seiner gefühlt hunderstens SMS habe ich ihm geschrieben, dass ich nichts mehr von ihm wissen will."
"Glaubst du nicht, es wäre vielleicht doch gut, wenn du ihn doch mal zu Wort kommen lässt?", fragte Fiona. Hanna nickte, "Vielleicht handelt es sich ja wirklich nur um ein Missverständnis."
Becky lachte spitz vor Empörung los, doch Charly sagte, „Hanna hat Recht. Ich mein, sein wir ehrlich, manche Typen reden eben so. Auch wenn es nicht gerade die feine englische Art ist, aber so sind die Burschen in dem Alter nun mal."
„Meiner Meinung nach ist Patrick aber nicht der Einzige, mit dem Becky reden sollte“, merkte Milli beiläufig aber mit unterschwelligem Ton in der Stimme an und blickte diese aus dem Augenwinkel aus an.
„Mit wem denn noch?“, fragte Vanny neugierig grinsend.
„Mit ihren Eltern hat sie eigentlich auch noch ein Gespräch zu führen“, antwortete Milli.
„Milli!“, zischte Becky mit funkelnden Augen, da sie genau wusste, was die kleine Blondine hier vor hatte.
„Warum mit ihren Eltern?“, fragte Charly interessiert. Herausfordern blickte Milli das dunkelblonde Mädchen am Tischende an, in der Hoffnung, dieses würde von sich aus mit der Sprache rausrücken, da dem aber nicht so war, übernahm Milli es selbst, „Weil sie von eine gewissen Autounfall wissen sollten.“
„Milli!“, brüllte Becky empört und die übrige Runde schien ein wenig durch den Wind. „Welcher Autounfall?“, fragte Hanna besorgt. Ohne zu Zögern begann Milli damit, die Geschichte von dem kleinen Aufeinandertreffen des Jaguars und der Tunnelwand, welche die Wand ganz klar gewonnen hatte, zu erzählen. Becky verschränkte währenddessen die Arme und lehnte sich entrüstet nach hinten. Die ganze Zeit über, in der die Blondine davon berichtete, was auf dem Rückweg von Patricks Party geschehen war, blickte Becky Milli mit zutiefst finsterem Blick an. Als Milli geendet hatte, war Vanny bereits hochrot angelaufen und heftigst am Husten, da sie sich vor Belustigung an ihrem Bier verschluckt hatte. Fiona beugte sich über den Tisch zu ihr rüber und klopfte ihr auf den Rücken. Das Mädchen mit den Nasenring hob nur die Hand um zu zeigen, dass es ihr gut ging und sie gluckste schrill „Danke, danke Fiona, passt schon! Oh Gott, Becky das hast du nicht ernsthaft fertig gebracht oder? Bei dir stimmt wohl der Ausdruck Frau am Steuer Ungeheuer!“
Mürrisch klopfte Becky mit ihrem rechten Zeigefinger auf den linken Unterarm und keuchte, „Vanny du bist so ein Arsch!“
„Aber ein schöner!“, konterte die Butch selbstbewusst und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Becky wandte sich währenddessen sauer zu Milli, „Danke Milli! Und sowas nennt sich beste Freundin! Das geht keinen was an!“
„Deine Eltern geht es was an!“, entgegnete Milli belehrend und schaute Becky eindringlich an, „Und wir alle hier können dir das bestätigen, oder Mädels?“
Sofort meldete sich die rothaarige Brillenträgerin zu Wort, „Aber hallo! Becky du kannst doch nicht irgendwem anderen die Schuld in die Schuhe schieben, für etwas, das du getan hast!“
„Richtig! Du musst deinen Eltern sagen, wie es wirklich war!“, fügte Hanna hinzu, während man immer noch Vannys unterdrücktes Kichern vernahm. Becky verdrehte die Augen und schimpfte, „Wenn ich ihnen sage wie es wirklich war, dann bringen die mich um! Der Wagen ist neu gekauft, ich hätte damit nie fahren dürfen, vor allem nicht, da ich eigentlich das ganze Wochenende über Hausarrest hatte, kapiert ihr das nicht?“
Einen kurzen Augenblick herrschte Stille, dann aber prasselten die Argumente der Anderen nur so auf Becky ein. Alle, bis auf Vanny, die nach wie vor mit ihrem Lachanfall zu kämpfen hatte, diskutierten wie genau das reiche Mädchen ihren Eltern am besten die Wahrheit sagen konnte, während Becky sich selbst nur noch die Ohren zu hielt. Dann schrie sie, „Boah Leute! Hört auf euch in Angelegenheiten einzumischen, die euch nichts angehen! Wenn ich es meinen Eltern nicht sagen will, dann tue ich das auch nicht! Die haben eine Erklärung für den kaputten Seitenspiegel gefunden und somit hat sich das Ganze selbst geklärt!“
Noch einmal wollte Milli etwas erwidern, sah aber ein, dass sie bei dem Mädchen in dem schwarzen Cardigan auf Granit bissen. Becky ließ ihre dunkelbraunen Augen mahnend zwischen allen hin und her huschen, dann sagte sie ruhig, „Ich geh‘ mal eine rauchen.“
„Soll ich dich begleiten?“, fragte Vanny fies grinsend, doch Becky ging nicht darauf ein. Dafür erhob sich Fiona von ihrem Stuhl und schlüpfte in ihren dunkelblauen Mantel, „Ich würde mitkommen. Ich habe auch eine nötig. Du auch Hanna?“
„Nein, gerade nicht. Später dann“, antwortete diese und nahm einen Schluck von ihrem Bier. So machten sich lediglich Becky und Fiona auf den Weg rauf aufs Dach, während die übrigen vier am Tisch verweilten.
Vanny wischte sich nach wie vor, die vor Lachen verwischte Schminke unterhalb des Auges weg und mit harschem Unterton fragte Charly sie, „Geht es bei dir dann auch wieder?“
„Ja, ja!“, kicherte Vanny, „Hach, unsere liebe Becky macht mich manchmal einfach fertig! Die sollte eine eigene Fernsehserie bekommen. Sowas wie mit den Kardashians. Das wäre glaube ich ein Brüller!“
Bei dieser Anmerkung musste Hanna willkürlich schmunzeln, fragte aber dann, „Wo ist Chrissi heute eigentlich?“
Die Butch, die ihr gegenüber saß zuckte nur mit den Schultern, „Die meinte sie und ihre Familie sind heute bei ihrem Onkel zum Essen eingeladen.“
Nach dieser Information verharrten die Mädchen für ein paar Minuten allesamt über ihren Smartphones. Als Vanny schließlich von dem ihren wieder auf blickte und in Richtung Bar schaute, murmelte sie, „Hey Leute, seht mal da!“
Ein wenig widerspenstig hoben auch die anderen ihre Köpfe und drehten sich langsam zu der mächtigen Holztheke um. Dort unterhielt sich Rosalie mit einer großen schlanken Blondine, die einen cremefarbenen Cashmiermantel trug und in deren Gesicht die leichte Spur von Nervosität zu erkennen war. Es war Isabell.
Charly schmunzelte, „Was macht die denn hier?“
„Gute Frage“, murmelte Vanny, ihre hellgrünen Augen weiterhin auf der modelgleichen Dame klebend, „Vermutlich sucht sie Jess. Alleine würde die doch nie freiwillig her kommen.“
Die Mädchen beobachteten, wie das Gespräch zwischen der Barkeeperin mit dem weinroten Pony und der hoch gewachsenen Blondine offensichtlich energischer zu werden schien. Zwar verstanden sie kein Wort, das die beiden sprachen, aber anhand von Rosalies Mimik erkannten sie, dass sie sich anscheinend nicht länger mit Isabell unterhalten wollte. Irgendwann hob diese mahnend den Zeigefinger, doch Rosalie schüttelte nur den Kopf und verwies mit der Hand zur Tür. Als Isabell nicht von der Bar weichen wollte, mischte sich schließlich auch Nadine ein, die die ganze Diskussion bis dahin nur aus einigen Metern Entfernung beobachtet hatte. Auch ein paar Gäste, die im näheren Umkreis der Bar saßen, wurden nun auf den kleinen Disput aufmerksam und runzelten die Stirn. Als es zwei gegen eine hieß, sah die Blondine in den schwarzen High Heels ein, dass sie hier nicht weiterkam und sie wandte sich ab. Auf dem Weg zurück zur Tür ließ sie ihren Blick noch einmal durch den ganzen Raum streifen und entdeckte somit auch die kleine Mädchenrunde in der hinteren Ecke. Die dort Sitzenden konnten erkennen, dass Isabells Gesicht fahl und erschöpft aussah. Ohne anzuhalten schritt die langbeinige Blondine schließlich aus der Regenbogenpforte.
„Was war das denn bitteschön für ein Auftritt?“, fragte Milli ein wenig verwundert über die Szene, die sie gerade gesehen hatten. Vanny nahm den letzten Schluck aus ihrem Bier und lästerte, „Auf jeden Fall wieder einer, der typisch für Isabell ist. Du kennst sie doch. Die braucht immer die große Show.“
„Sie ist einfach seltsam“, pflichtete Charly ihr bei. Mit der Hand auf der Rückenlehne ihres Stuhls wandte sich Hanna wieder zu ihren Freundinnen um, „Ihr mögt Isabell nicht besonders, kann das sein?“
Verächtlich stieß Vanny die Luft aus und Milli murmelte "Meiner Meinung nach kann man die auch nicht mögen."
Hanna schmunzelte die übrigen drei an, "Was ist denn so schrecklich an ihr?"
Mit einer eleganten Handbewegung verwies Vanny auf Charly, „Ich glaube, das kann dir unsere allwissende Brillenschlange am besten erklären."
Interessiert wandte sich Hanna an besagte Informatin, die sich räusperte und die Ärmel ihres Jeanshemdes nach oben schob, so als wollte sie nun mit der Arbeit beginnen, „Also, wir haben von Isabell an sich auch nie wirklich viel mitbekommen, aber das was wir mitbekamen hat uns schon gereicht. Ich weiß noch als wir vor ein paar Monaten alle zusammen auf Giselle waren und Jess mit ihrer blonden Kratzbürste anwesend war. Anfangs hing Isabell wahrlich an Jess‘ Fersen und hat sie keinen Schritt allein gelassen. Irgendwann als Jess dann mal Freiraum hatte, hat sie sich mit ein paar Mädchen unterhalten, die sie auch aus dem LLoft kennt. Als Isabell das mitbekam, ist sie wutendbrand zu Jess gestürmt und hat sich fürchterlich aufgeregt, was ihr einfiele mit anderen Weibern zu quatschen. Lustiger Weise hat Isabell wenig später selbst mit ein paar anderen Mädels rumgeturtelt und zwar in dem Sinne, dass sie die ganze Zeit mit ihnen geknuddelt und ziemlich aufreizend mit ihnen getanzt hat.“
Hanna hob erstaunt die Augenbrauen, „Hat Jess diesbezüglich nichts zu ihr gesagt?“
Charly, die sie ernst mit ihren blauen Glubschaugen ansah, schüttelt den Kopf, „Nein. Sie hat das einfach so hingenommen.“
„Aber warum?“, fragte Hanna verwundert. Vanny, die mit ihren Fingern auf ihrer leeren Bierflasche herum trommelte, zuckte mit den Schultern, „Wenn wir das wüssten. Meiner Meinung nach hat sie sich sowieso viel zu viel von dieser arroganten Schnepfe gefallen lassen.“
„Wisst ihr noch“, begann Milli auf einmal, „als Jess sie einmal hier her mitgebracht hatte, damit Isabell mal ein paar Leute aus der Szene kennenlernt und sie dann unaufhörlich genörgelt hat, dass sie viel lieber ins Kino gehen würde.
„Oh ja!“, seufzte Charly, „Und am Ende hat Jess dann wieder nachgegeben.“
Vanny sagte, „Isabell hat das LLoft nie gemocht. Das war ihr immer zu lesbisch!“
Amüsiert über diese Aussage verzog Hanna das Gesicht, „Was? Ist Isabell denn lesbisch?“
„Keine Ahnung“, antworte Milli und Vanny fügte hinzu, „Auf jeden Fall ist sie anstrengend.“
„Wir sind desweiteren auch der Meinung, dass Isabell irgendetwas hat“, flüsterte Charly bedacht.
„Wie meinst du das?“, fragte Hanna und schaute skeptisch zwischen ihren drei Tischnachbarinnen hin und her, „Nun ja“, begann Charly und murmelte dann mit finsterer Miene, „bei ein paar von den paar Mal, wo wir Isabell gesehen haben, konnten wir ganz deutlich sehen, dass sie am rechten Unterarm rote Striemen hatte…“
Hanna wusste sofort was das bedeutete und erschrocken fragte sie, „Isabell ritzt sich?“
„Zu vermuten wäre es. Allerdings haben wir keine Ahnung warum sie das machen könnte“, antwortete Milli und Vanny sagte, „Außerdem hat Charly auch mal ein äußert seltsames Gespräch zwischen ihr und Jess mitbekommen, stimmts?“
Charly nickte und übernahm das Wort, „Ja. Ich glaube das war im Kings and Queens, als ich auf die Toilette gegangen bin. Irgendwann sind zwei Mädchen in den Nebenkabine und relativ schnell habe ich gemerkt, dass das Jess und Isabell waren. Zuerst habe ich nur ein leises Schluchzen gehört und habe dann begriffen, dass es sich dabei um Isabell handelt. Jess hat versucht sie zu trösten und meinte die ganze Zeit nur, dass sich Isabell keine Sorgen machen muss und sie sie nicht verlieren wird und dass alles gut wird. Ich bin dann irgendwann leise raus geschlichen, weil mir die Situation irgendwie unangenehm war…“
Hanna nickte, da sie Charlys Verhalten nur allzu gut nachvollziehen konnte. Die Übrigen am Tisch waren ebenfalls still geworden, dann sagte Milli, „Aber egal was mit Isabell ist und wir sie nun mal seltsam finden, so muss doch Jess mit ihr glücklich sein.“
„Nur ob sie das auch so ist?“, fragte Vanny herausfordernd und Milli wusste nicht, was sie daraufhin erwidern sollte. Stattdessen erhob sich die Butch und zog sich ihre schwarze Baggyjeans, die ihr schon fast wieder bis in den Kniekehlen hing, ein Stückchen nach oben, „Ich hol mir jetzt auf jeden Fall noch ein Bierchen.“
„Warte!“, sagte Hanna hastig und nahm den letzten Schluck aus ihrer Flasche, „Magst du mir bitte auch noch eins mitbringen?“
Oben auf dem Dach vibrierte erneut Beckys Handy in ihrer Gesäßtasche. Sie war sich ziemlich sicher zu wissen wer ihr geschrieben hatte und während sie den Rauch ihrer Zigarette in die Nacht blies, schaute sie gelangweilt auf den Display. Genervt schüttelte sie den Kopf und steckte das Smartphone sofort wieder dahin, wo sie es her hatte. Fiona, die ebenfalls mit einer Zigarette in der Hand zu ihren Füßen auf dem Treppenabsatz vor der Notausgangtür hockte, fragte, „Patrick?“
Becky rümpfte die Nase und blies erneut den Rauch nach oben in die Luft, „Wer sonst?“
„Findest du nicht, dass er vielleicht doch noch eine Chance verdient hätte?“, fragte Fiona und nahm selbst einen Zug von ihrer Zigarette. Das Mädchen ihr gegenüber wippte in ihren cremefarbenen Boots vor und zurück und sagte ein wenig zickig, „Fiona, lass bitte einfach gut sein, ja?“
„Okay“, erwiderte diese sofort, da sie Becky nicht verärgern wollte. Sie kuschelte ihr Gesicht in den schwarzen Wollschal, den sie um den Hals trug und zog mit der freien Hand auch ihren blauen Mantel ein wenig mehr zu. Eigentlich fror sie auch am Po, doch sie hatte keine Lust zu stehen, deshalb verweilte sie weiterhin auf der kalten Stufe. Becky wippte nach wie vor auf ihren Füßen hin und her um sich warm zu halten, dann hob sie grinsend den Kopf und fragte neugierig, „Ach übrigens, erzähl doch mal, wie war es am Samstag auf Giselle? Hat es dir gefallen? Das war das erste Mal, dass du dort warst nicht?“
Bei diesem Themenwechsel breitete sich auf einmal ein gewaltiges Strahlen auf Fionas Gesicht aus, vermutlich war ihr selbst nicht einmal bewusst, wie gewaltig, und sie begann zu schwärmen „Ja, das war es. Ich weiß nicht genau ob es daran lag, weil es das Halloween-Special war, aber die Party wirklich super cool! Manche Mädchen haben es bei ihren Kostümen vielleicht etwas übertrieben aber ja, alles in allem hat es einen positiven Eindruck hinterlassen.“
Becky hob herausfordernd die Augenbrauen und spitzte die Ohren, „Na das freut mich zu hören. Und gab es irgendwelche besonderen Vorkommnisse?“
„Wie meinst du das?“, fragte Fiona ein wenig stockend, obwohl sie bereits erahnte, worauf Becky anspielte. Diese grinste keck „Du weißt schon, hast du jemanden aufgerissen?“
Fiona klopfte auf ihre Zigarette und räusperte sich. Becky schaute sie nach wie vor interessiert an und wartete auf eine Antwort. Das Mädchen mit dem dunkelbraunen Haar wollte nicht allzu schwärmerisch klingen, doch trotzdem war ihre Stimme ein paar Töne höher als sie schließlich ein wenig verlegen sagte, „Also aufgerissen in dem Sinne würde ich nicht direkt sagen…“
Ihr Gegenüber riss begeistert die Augen auf, „Aha? Aber das heißt, es lief was mit jemandem?“
Fiona nickte, während sie Becky mit ihren eisblauen Augen fixierte. Diese fragte süffisant, „Mit wem?“
„Hanna und ich haben uns geküsst“, machte Fiona endlich freien Tisch. Becky strahlte über beide Ohren und begann schon leicht zu quietschen, als Fiona korrigierte, „Oder was heißt geküsst, wir haben miteinander rumgeknuscht.“
Becky, die ihren Nikotinstängel mittlerweile verwertet hatte, klatschte begeistert in die Hände und freute sich wie ein kleines Kind, „Das wurde aber auch mal Zeit! Wir dachten alle das wäre schon längst passiert!“
Ihr Gegenüber auf dem Absatz schreckte verwundert ein Stück zurück, „Was? Warum das denn?“
Das Mädchen mit der Mäuschennase verdrehte amüsiert die Augen, „Na hör mal Fiona! Jeder hier im LLoft, der dich und Hanna kennt merkt genau, wie sehr ihr euch mögt und dass ihr total aufeinander abfahrt.“
„Pff!“, gluckste Fiona nur und versuchte so zu wirken, als würde sich Becky total auf dem Holzweg befinden, „Da seid ihr aber falsch gewickelt!“
Natürlich durchschaute Becky Fiona sofort und herausfordernd verschränkte sie die Arme, „Ach ja? Du stehst also nicht auf Hanna? Auf unsere süße Hanna mit ihren schönen Augen und ihrem schönen Mund? Die Art wie sie ihr Haar trägt oder wie spricht?“
Bei dieser Auflistung verzogen sich Fionas Mundwinkel mehr und mehr und schließlich gab sie zu, „Ja gut okay! Hast mich erwischt.“
„Also stehst du auf Hanna?“, fragte Becky und schaute sie verschmitzt grinsend an. Fiona stützte die Ellbogen auf die Knie und legte ihr Gesicht in die Hände, „Und wie! Sie ist so…Hach! Ich kann es gar nicht beschreiben!“
Becky lachte, „Haha süß! Wusste ich es doch! Seid ihr denn jetzt zusammen?“
Fiona seufzte, „Nein, sind wir nicht. Noch nicht. Wir haben noch nicht über dieses Thema geredet.“
"Hm, dann wird es aber mal Zeit, dass ihr das tut!", spornte Becky Fiona an und rüttelte sie an der Schulter. Dann half sie dem Mädchen mit dem schokobraunen Haar von der Stufe auf und die beiden gingen wieder hinein.
Am Sonntagabend schlürfte Becky mit schweren Schritten die Treppe vom ersten Stock herunter. Als sie langsam auf das Wohnzimmer zusteuerte fühlte sie sich wie auf dem Weg zur Guillotine. Eine Woche war der Autounfall nun her und diese eine Woche hatte sie die Wahrheit über den verkrüppelten Seitenspiegel verschwiegen. Sie hatte wirklich gedacht, sie könnte das ein Leben lang, aber allein in den letzten paar Tagen, hatte ihr schlechtes Gewissen überhandgenommen und sie nicht mehr los gelassen. Auch wenn sie es gern anders gehabt hätte, wusste sie was zu tun war. So trat die 17-Jährige in ihren Kuschelpantoffeln in das große weitläufige Wohnzimmer, in welchem ihre Eltern gemütlich vor dem riesigen Plasma-Fernseher von Sony saßen und ausnahmsweise mal nicht mit der Arbeit beschäftigt waren.
„Darf ich kurz stören?“, begann Becky mit leiser Stimme. Ihr Vater blickte auf, „Natürlich Maus. Was gibt es?“
Nervös lehnte sich Becky mit dem Kopf gegen den Türrahmen und sagte mit trockener Kehle, „Ähm, also es geht um den Jaguar.“
„Was ist damit?“, fragte ihre Mutter.
„Es geht um die Sache mit dem Seitenspiegel. Ich muss euch was beichten“, sagte Becky schließlich und Herr und Frau Engelmann sahen sie verwundert an. „Es war keine Fahrerflucht von irgendwem anderen. Ich… ich habe den Spiegel geschrottet.“
Herr Engelmann runzelte die Stirn, „Wie meinst du das?“
Seine Tochter seufzte schwer und legte sich die Hand an die Stirn, „Wisst ihr noch, als ihr mir Hausarrest gegeben habt und ich aber meinte, dass ich am Samstag auf einer Halloweenparty eingeladen bin? Ich habe mich am Samstag aus dem Haus geschlichen und bin mit dem Jaguar da hin gefahren. Und als ich wieder heim bin, da bin ich in einem Tunnel leicht gegen die Wand gestoßen.“
Zunächst machte sich Besorgnis auf den Gesichtern ihrer Eltern breit und ihre Mutter fragte erschrocken, „Um Gottes Willen! Ist dir dabei irgendwas passiert Schatz?“
„Nein!“, entgegnete Becky sofort und rieb sich nervös den rechten Oberarm, „Nein, nein mir ist nichts passiert.“
Nachdem auch sich auch ihr Vater noch einmal um das Wohlergehen seiner Tochter erkundigt hatte, änderten sich die besorgten und schockierten Mienen von Herr und Frau Engelmann zu Mienen des wütendem und enttäuschten Entsetzens.
Ihre Mutter fragte streng, „Du bist ganz alleine mit dem Auto gefahren?“
„Milli ist mit gefahren“, antwortete Becky und sagte sofort beschwichtigend, „Aber sie hat nichts mit der Sache zu tun! Sie fand die Idee auch nicht gut, war aber so loyal und hat mir den Gefallen getan mich zu begleiten!“
Stille. Becky fühlte sich so elendig wie noch nie in ihrem Leben, „Es tut mir Leid! Sowohl dass ich mich weggeschlichen habe, als auch das mit dem Unfall!“
„Warum hast du uns das nicht von Anfang angesagt, dass du das warst?“
„Weil ich nicht wusste, wie ich es euch sagen soll und weil ich Angst vor eurer Reaktion hatte…“, murmelte Becky und blickte verschüchtert zu Boden. „Wenigstens hast du es uns jetzt gesagt“, begann ihr Vater und das Mädchen blickte schuldbewusst auf. Die strengen Blicke ihrer Eltern ruhten auf ihr. Und obwohl Becky bereits wusste, dass die kommenden Wochen unter dem dunklen Stern von Hausarrest und sonstigen Strafen stehen würden, so fühlte sie doch, das sich ausbreitende Gefühl von Erleichterung. Hanna hatte recht gehabt, es war ein gutes Gefühl.
Einige Kilometer Luftlinie entfernt, standen Vanny und ihre Liebste an der Bar von Alfredo’s Ristorante und warteten auf ihre Pizza Diavolo. Die beiden Mädchen hatten während sie GTA 5 auf Vannys Playstation gespielt hatten auf einmal das tierische Bedürfnis nach einer guten italienischen Pizza bekommen. Da sie allerdings zu faul gewesen waren sich selbst etwas zu kochen und sie schon ewig keine Pizza mehr gegessen hatten, zumindest keine, die nicht aus dem Tiefkühlfach kam, beschloss Vanny kurzerhand, dass sie ihrem Lieblingsitaliener Alfredo mal wieder einen Besuch abstatten könnten.
Die bestellte Jumbo-Pizza backte bereits genüsslich in dem Steinofen, den Küchenchef Alfredo genauestem im Blick hatte. Jede seiner Pizzen sollte perfekt sein, das heißt, knusprig, aber nicht angekokelt. Die Wartezeit versüßten dem Pärchen die ebenfalls anwesenden italienischen Stammgäste rund um den extrovertierten Giovanni. Stolz hatte Vanny ihnen Chrissi vorgestellt, die heute zum ersten Mal Bekanntschaft mit den schwulen Italienern machte. Der rockige Rotschopf war allerdings sofort hin und weg von den Herren, was auf Gegenseitigkeit beruhte.
„Erklär mir bitte, warum ist ein so schönes wie du, freiwillig mit so einer zusammen?“, fragte der stattliche Michele Chrissi irgendwann und deutete auf Vanny. Diese entgegnete grinsend, „Halt die Klappe du Sack!“
„Also Vanessa Principessa, was sind denn das für Ausdrücke?“, merkte Alfredo an, der das Gespräch mitbekommen hatte. Alle lachten und Chrissi nahm ihre Freundin stolz in den Arm, „Weil ich sie liebe, darum!“
Selten sah man Vanny so strahlen wie in diesem Moment. Es war ein kurzer Augenblick, in dem der weiche Kern, der sonst so taffen Butch zum Vorschein kam. Verliebt schaute sie Chrissi in die Augen und murmelte, „Ich liebe dich auch.“
Als die zwei sich dann küssten, konnten die Männer nicht anders als ein schnulziges „Oh“ von sich zu geben. Vanny zeigte ihnen daraufhin, so wie man es eher von ihr gewohnt war, den Stinkefinger, freute sich aber insgeheim, dass ihre italienische Freunde, sich wiederum für sie freuten. Wenige Minuten später war die Jumbo-Pizza der Mädchen fertig und Alfredo packte sie sorgfältig in einen Pappkarton. „Lasst sie euch schmecken Principessas!“ Mit diesen Worten überreichte er Chrissi die Pizzaschachtel und die Mädchen verabschiedeten sich von allen.
„Kommt doch mal wieder öfter vorbei!“, orderte Michele an und Francesco fügte sarkastisch hinzu, „Aber nur wenn du Chrissi im Schlepptau hast, die ist mir sympathischer als du Vanny!“
Wieder lachten alle und die rockige Butch verdrehte bespaßt die Augen.
Aus dem Ristorante draußen harkte sich Chrissi bei ihren Freundin an und lehnte während dem Gehen ihren Kopf an dessen Schulter.
„Und…“, begann Vanny, „wie findest du diesen Trupp von Spaghettifressern?“
„Ich finde ihn toll! Vor allem Giovanni! Der Typ hat gepflegtere Nägel als ich!“, kicherte Chrissi und schaute Vanny dann mit leuchtenden Augen von der Seite an, „Aber am Tollsten finde ich dich!“
Glücklich schielte das Mädchen mit den hellgrünen Augen auf Chrissi herunter und die beiden küssten sich verliebt.
Auf einmal ertönte einige Meter von ihnen entfernt eine Stimme, „Chrissi?“
Das Pärchen blickte sofort auf. Vor ihnen stand ein Mädchen mit hellblonden Locken und einem ziemlich dicken dunkelgrauen Schal, der ihr über die Schultern hing. Aus irgendeinem Grund blickte diese Dame die beiden mit gerunzelter Stirn und halb offenem Mund verdutzt an. Vanny wandte ihren Kopf langsam und verwundert zu Chrissi und fragte, „Kennst du die?“
Chrissi schluckte schwer und murmelte „Ja…“
„Wer ist das?“, wollte Vanny wissen, doch bevor Chrissi etwas antworten konnte, trat der blonde Lockenschopf einen Schritt auf die beiden zu und sagte, „Wer ich bin? Ich bin Klara, Chrissis Freundin“
Belustigt und skeptisch zugleich verzog Vanny das Gesicht und prustete los, „Mädchen, was ist denn bei dir schief? Das muss eine Verwechslung sein. Ich bin nämlich Chrissis Freundin.“
„Das glaube ich allerdings nicht“, entgegnete die Blondine verärgert und schob sich die Hände in ihre Manteltaschen, „Chrissi, was soll der Scheiß?“
Nicht sicher, was genau gerade los war, trat Vanny einen Schritt von ihrer Begleitung weg und blickte sie fragend an, „Chrissi? Was läuft hier?“
Die sonst so coole und selbstbewusste Punkbraut war im Gesicht mittlerweile käsebleich geworden und schaute überfordert zwischen den beiden Mädchen vor sich hin und her. Sie war ertappt.
Ende Story 9
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cappuccino007. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.