von barbara
Mein Sohn stellte mir gestern still und heimlich sein Frachtschiff ins Zimmer. Als ich schlafen ging schaute ich es an. Und es schaute mich an.
Da entdeckte ich am Bug ihren Namen in roten ungelenken Buchstaben und erinnerte mich. Der Kleine hatte das Schiff nach ihr benannt. Sie hatte es ihm zum Geburtstag geschenkt.
Kurz danach entdeckte ich das Pflaster auf dem Arm. Ich versuchte mit ihr darüber zu reden. Sie blockte ab. Ich beließ es dabei.
Das nächste Mal Narben am Oberarm. Nachdem ich sie in ohnmächtiger Wut angebrüllt hatte, gab sie zu, dass sie sich selbst verletzt hatte. Warum wusste sie auch nicht.
„Es hat nichts mit Dir zu tun,“ war das Totschlagargument. Es schaltete mich stumm.
Die nächsten Wochenenden gestaltete das gleiche Spiel.
Ich stumm. Sie ausweichend.
Es folgten lange Telefonate, nach denen ich mich wie ein Mülleimer fühlte, ...oder eine Autoablage. Kennt Ihr das? Klappe auf, Zeug rein, Klappe zu.
...Kupplung treten, Bremse, Motor starten, Kupplung langsam kommen lassen, Gas, zu schnell, abwürgen, Bremse.
Peinlich, wenn das mehrmals passiert, vor allem einer Fachfrau.
Wut kam und Hilflosigkeit. Und immer noch mehr Wut schlug auf mich ein, Magenschmerzen und wieder Wut.
Nachdem ich ihr ein Ultimatum gestellt hatte, Totenstille.
Dann kam ihr letzter Brief. „Ich bin bei Katja eingezogen. Würde gern weiter Kontakt halten, schon wegen dem Kleinen.“
„Hallo? Bei Katja eingezogen? ...Wie viel Kontakt darf es denn sein?“
Ruhe. Kein Empfang.
Ich versuche das Geschehene aufzuschreiben. Eine Rechnung aufzustellen.
Ziehe zusammen, will einen Strich ziehen, das Ergebnis auswerten. Es geht nicht.
Ich zähle wieder zusammen. Was darunter steht, geht nicht auf.
Sie erdrückt mich.
Ich wehre mich.
Ich resigniere.
Ich stelle das Schiff in den Keller.
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barbara. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.