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Schlussstrich

von Claudi2004


Schlussstrich

Sie wusste, er hatte sich das Treffen anders vorgestellt. Er hatte sich gefreut, als sie ihm mitteilte, sie werde am Wochenende nach München fliegen. Er hatte Pläne geschmiedet: am Samstag würden sie in die Neue Pinakothek gehen und abends ins Theater. Ein Kulturtag also, den hatte sie sich doch immer schon mal gewünscht. Und am Sonntag könnten sie ausschlafen. Er würde ihr Frühstück ans Bett bringen. Theresa ließ ihn am Telefon zunächst reden. Knapp 600 Kilometer lagen zwischen ihnen, doch sie spürte seine Angst, als würde sie neben ihm stehen. Seine Bemühungen, ihr ein vollendetes Wochenendprogramm zu bieten, resultierten mehr aus Furcht denn aus Liebe. Er spürte, dass er sie schon längst verloren hatte. Doch er wollte es noch nicht wahr haben. Er versuchte, um sie zu kämpfen, obgleich die Schlacht schon verloren war, ehe sie begonnen hatte. Theresas Entschluß stand fest.
Er hatte sie vom Flughafen abholen wollen, doch das konnte sie ihm ausreden.
‚Es ist blödsinnig, wenn du erst nach Erding an den Flughafen fährst und wir dann gemeinsam nach München zurück fahren’, hatte sie gesagt. ‚Ich nehme die S-Bahn, ich bin schnell bei dir.’
Er hatte vorgeschlagen, sich gleich in einem Lokal zum Essen zu treffen. Er würde sie einladen. Wenn sie in München ankäme, sei es doch schon acht Uhr abends – sie würde sicher Hunger haben. Theresa hatte keinen Appetit. Das Gespräch, dass sie mit Martin zu führen hatte, lag ihr wie ein Klotz im Magen.
Als er ihr die Türe zu seinem Studentenheimzimmer öffnete, sah sie die Unsicherheit und Angst in seinen Augen, und es schnürte ihr angesichts seines Gesichtsausdrucks fast die Kehle zu. Doch sie MUSSTE es tun. Sie musste dieses Gespräch führen, auch wenn es schlimm werden würde. Sie konnte ihn nicht weiter belügen.
Sie umarmte ihn nicht. Als er sie zur Begrüßung auf den Mund küssen wollte, drehte sie ihren Kopf weg. Seine Lippen berührten nur ihre Wange.
Sie saßen nebeneinander auf seinem Bett. Sie schwiegen. Sie sah an seinen angespannten Gesichtszügen, dass er nun mit absoluter Gewissheit wusste, was sie ihm mitteilen würde. Doch es führte nichts daran vorbei: das Ende ihrer fast zehnjährigen Beziehung war erst dann real, wenn es in Worte gefasst worden war.
‚Martin. Ich kann so nicht mehr’, kam es leise über ihre Lippen. ‚Ich kann dich nicht heiraten. Ich kann nicht die Frau sein, die du dir vorstellst. Wir müssen uns trennen.’
Er begann am ganzen Körper zu zittern. Jegliche Farbe war aus seinem ohnehin stets blassem Gesicht gewichen.
‚Bitte, Theresa. Tu’ mir das nicht an’, sagte er und vermied es, sie anzusehen. ‚Du bist meine Traumfrau. Ich liebe dich.’
Sie sagte nichts, weil es nichts zu sagen gab. Für sie war ihr Entschluß endgültig.
Er rang nach Atem. Es hörte sich an, als würde ein Ertrinkender ein letztes Mal an die Wasseroberfläche kommen, um seine Lungen ein letztes Mal mit Luft zu füllen, ehe er endgültig dem Tod geweiht war.
‚Wir müssen nicht heiraten, wenn du nicht willst. Wir können auch einfach so zusammen bleiben’, suchte er verzweifelt nach einer Möglichkeit, die Trennung abzuwenden.
‚Nein’, erwiderte sie und konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme so zittrig klang wie seine. ‚Es geht nicht. Glaube mir: Es ist besser für dich, wenn wir uns trennen. Ich wünsche dir eine andere Frau, eine, die besser ist für dich als ich es je sein werde.’
Er riss sie verzweifelt an sich und umarmte sie so fest, dass ihr fast die Luft weg blieb. Sie ließ es mit sich geschehen wie eine leblose Puppe.
‚Wenn du mich betrogen hast, wenn du mir das damit sagen willst – ich verzeihe dir alles, Theresa. Alles. Aber bitte, bitte: Verlass mich nicht. Du bist meine einzige Liebe. Für immer.’Dann begann er bitterlich zu weinen.
Martin hatte noch nie in ihrer Gegenwart geweint. Es setzte ihr mehr zu, als sie erwartet hatte. Sie verlor ihre mühsam aufrecht erhaltene Selbstbeherrschung von einer Sekunde zur nächsten.
‚Ich habe dich nicht betrogen’, schluchzte sie und erwiderte nun seine Umarmung. ‚Aber ich liebe dich nicht mehr, begreifst du das nicht?’
Die Tränen liefen ihr übers Gesicht und vermischten sich an ihren aufeinander liegenden Wangen mit den seinen.
‚Das ist doch nur eine Phase’, brach es aus Martin hervor. ‚Das wird sich alles wieder einrenken, wenn wir zusammen wohnen. Es ist jetzt schwierig, weil du in Berlin lebst und ich in München. Aber wenn du willst, dann werde ich nicht ans Krankenhaus zu deinem Vater gehen, sondern nach Berlin. Wir können uns eine kleine Wohnung zusammen nehmen, und….’
‚Nein!’ Sie riss sich von ihm los. ‚Martin, ich liebe dich nicht mehr! Und da wird sich auch nichts einrenken!’
Die Verzweiflung spornte ihn an, so schnell nicht aufzugeben.
‚Okay, lass uns darüber reden’, sagte er und schnäuzte sich. Er hoffte, sie auf sachlicher Ebene zurück zu gewinnen. ‚Sag mir, warum du mich nicht mehr liebst.’
Sie begann zu reden. Das war sie ihm schuldig. Sie sprach von unterschiedlichen Zielen, Lebensstilen, die auseinander gedriftet waren, ihren familiären Hintergründen, die einfach nicht zusammen passten. Sie sagte, sie fühle sich nicht beziehungsfähig, und zumindest das war keine Ausrede, denn seit ihre Eltern getrennt lebten, konnte sie sich nicht mehr vorstellen, selbst eine funktionierende Beziehung zu führen. Sie wusste, dass dieses Argument jegliche Rationalität entbehrte, doch es entsprach ihren Empfindungen. Sie sagte, sie hätte sich entliebt; es sei nicht seine Schuld. Sie sei ein schwieriger Mensch, er solle froh sein, dass sie sich von ihm trenne.
Sie erläuterte, sie erklärte, sie argumentierte.
Als sie geendet hatte, war ihre Kehle trocken vom vielen Reden, doch den wahren Grund für diese Trennung hatte sie für sich behalten: Anna-Maria Wenzel. Sie brachte nicht über die Lippen, dass ihre Gedanken ständig nur bei ihr waren, dass sie sich in ihrer Gegenwart wohler fühlte als bei ihm, dass sie Anna-Maria vermisste, nicht Martin, wenn sie abends allein in ihrem Zimmer in Berlin saß und darauf wartete, dass die Nacht kam.
Sie hatte sich in eine Frau verliebt. Sich diese Tatsache selbst einzugestehen, war im Moment für sie schwierig genug.



copyright © by Claudi2004. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


Niedlich?
Auch wenn ich nicht auf Männer stehe, die Gefühle sind die gleichen... Bin ganz berührt...
Magicmaus - 06.12.2004 16:17
och...ó.ò\'
freshkiss - 30.11.2004 16:12

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