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Schneewalzer

von Zephira


Müde, erschöpft und in meinem warmen Mantel gehüllt, gehe ich den steilen Abhang hinunter der mich heimführt. Raus aus dem Neonlicht und dem Geruch des Desinfektionsmittels, hinein in die schützende Dunkelheit der Nacht, mit ihrem seichten Sternenglanz, mit ihrer leisen Melodie erfüllender Stille und dem Herzschlag geheimer Träume. Raus aus der Arbeit, hinein in die warme Wohnung, in der mich ein heißer Kakao mit viel Schlag, eine kuschelige Decke und ein gutes Buch erwarten. Und das Lächeln der kleinen Venus Senta, mit ihren mondenen Augen, in der sich kleine Krater spiegeln; mit dem weichen Fell, in dem ich meine Hoffnungen vergraben habe; mit der schönen Zeichnung um ihr kleines Gesicht, die kein Maler je auf eine Leinwand zaubern kann und mit der kleinen feuchten Knopfnase, die mich liebevoll anstupsen wird, um nach Leckereien zu betteln, um sich danach zufrieden neben mich auf die Couch zu kuscheln.
Wie sehr ich mich darauf freute, endlich abschalten zu können, als das kleine Wunder geschah.
Vielleicht nicht DAS Wunder, das die Welt erwartet, aber ein kleines Wunder nur für mich.
Es tanzte um mich herum und setzte sich frech auf meine Nasenspitze, schmolz dahin und benetzte meine Lippen. Ich glaubte meinen Augen kaum. Doch dann kam ein Neues und noch eins und noch Milliarden andere kleine Wunder, die sich auf meine Nase verirrten, meine Wimpern bedeckten, meine Haare im fahlen Laternenlicht glitzern ließen und die mir den lang ersehnten Frieden im Herzen schenkten.
Ich breitete meine Arme aus und begann im Gewirr der kleinen Schneeflocken zu tanzen.
Ungeachtet der wenigen Autos, die mit kurzen Gehupe an mir vorbei fuhren.
Sollen sie lachen, sollen sie denken, was sie wollen. Dieses Gefühl in mir kann mir niemand stehlen. Diese von Sehnsucht geküsste Freiheit.

Wenn du mich sehen könntest, du würdest bestimmt Lächeln und mich flüsternd eine Träumerin schimpfen. So wie du es immer getan hast, aber tief in deiner Seele hast du meine kindliche Freude verstanden. Du hast meine Hände spielen lassen, wie sie nach den Deinigen griffen, um dich an mich zu ziehen und dich zu einem missglückten Schneewalzer aufzufordern. Kannst du dich noch daran erinnern?
Ich bin immer wieder über meine eigenen Füße gestolpert. Habe dich in meiner Tollpatschigkeit mit zu Boden gerissen, um dich dann nieder zuraufen, in meinem Übermut.
Fort, fort mit der ganzen Verantwortung, die Pflichten aus dem Sinn, das Erwachsensein verdrängt und rein in den frischen, kalten und rote Wangen zaubernden Schnee. Heiße Küsse haben wir in dieser lieblichen Kälte ausgetauscht. Was doch so kleine Schneeflocken alles bewirken können.
Ich höre noch deine elfengleiche Stimme, wie sie, sich ein Lachen verkneifend, mit gespielt vorwurfsvoller Melodie in mein Ohr säuselt: „Schatz, wenn du krank wirst, pflege ich dich nicht. Du weißt, ich bin eine schlechte Krankenschwester!“ Und mit einem frechen Lachen habe ich die einzelnen Flocken von deinen Händen geleckt. Bin dann mit offenem Mund durch den Schnee gehüpft, um mit meiner Zunge alle kleinen kribbelnden Sternchen, die vom Himmel fielen, zu fangen, die dann in meiner Wärme zergingen.

Beim ersten Schnee habe ich dir meine Liebe gestanden. Und ich kann mich genau an deinen Blick erinnern. Er war genauso unglaublich, wie die unverhofften Glitzerflöckchen, die jahrelang erwartet und doch nie das Fest der Liebe verschönert haben. Doch in diesem Jahr fielen sie still und leise, um sich in unseren Augen zu spiegeln. Sie trugen soviel Hoffnung und Liebe. Wie ich.
Eigentlich wollte ich dir zwei Schneefrauen bauen, um dir so meine Liebe zu gestehen, aber ich konnte einfach nicht mehr warten. Wie oft habe ich dir diese Geschichte eigentlich erzählt? Ja ich weiß, jedes Jahr zu Weihnachten. Besonders wenn es zu schneien begann.
Und deine Reaktion, war mehr als einfach nur himmlisch.
Ich spüre sie jedes Jahr, wenn der erste Schnee fällt. Deine zarten Berührungen. Deine warmen Lippen, wie sie sich auf meine schneegeküssten Lippen legten, um ein Flächenbrand zu entfachen. Wenn ich meine Augen schließe, dann kann ich noch immer deine weichen Brüste an meiner Wirbelsäule spüren, wie du dich an mich gepresst hast, die Hitze die du dann ausgestrahlt hast, dein Atem in meinem Haar und deine Küsse in meinem Nacken, die mir Gänsehaut auf meinen Körper gezaubert hat.
Wir beide unter meinem übergroßen Pullover, weil dein Mantel viel zu dünn für diese Jahreszeit war. Ich habe immer wieder behauptet, ich wollte dich nicht frieren lassen. Ich hätte ja mit dir den Mantel tauschen können. Für dich würde ich immer wieder gerne frieren. Aber in Wirklichkeit wollte ich dich so nah wie möglich spüren. An diesem liebegetränkten heiligen Abend, auf dem Weg zu deinen Eltern. Als Freunde von deiner Wohnung weggegangen, als Geliebte bei ihnen angekommen. Und ihn so mit dir verbracht zu haben, hat ihn wahrlich heilig gemacht.

An meiner Wohnungstüre angekommen, kann ich schon das Winseln und Kratzen meiner kleinen Mischlingshündin hören. Auch sie spürt die Veränderung. Ich werfe meinen Rucksack in die Ecke, schnappe mir meine Handschuhe, Mütze und den alten kaputt gekuschelten Schal von dir von der Garderobe, dann die dicke Jacke und Sentas bunte Leine. Der Kakao und die Couch müssen warten. Schneebehaftete Wimpern, die den Blick durch die Welt in ein glitzerndes Wintermärchen verzaubern, klingen viel verlockender. Sentas freudiges Fiepen, als ich ihre Leine ergreife, schenkt mir ein Lächeln. Und noch viel mehr muss ich Lachen, als sie mit mir zusammen durch den bereits knöchelhohen Schnee hüpft; mit mir durch die Luft springt, um die Milliarden kleinen Wunder zu fangen; unsere Zungen die Luft lecken, um unsere Erinnerungen zu schmecken und ich in ihren tiefen Mondkrateraugen dein Schmunzeln über unsere Ausgelassenheit entdecken kann.
Und wie immer höre ich deine Stimme, die mich leise gespielt vorwurfsvoll daran erinnert, dass ich krank werden könnte.
Ich drücke ihr einen sanften Kuss auf die schwarze Nase. Sie ist das einzige was mir von dir blieb.
Wie die kleinen wundervollen und heißgeliebten Schneeflocken.
Und mit ihnen kommen die Erinnerungen an dich, die meine Leere füllen, die mich träumen lassen und lächeln.
Beim ersten Schnee habe ich die Liebe mit dir gefunden und dir mein Herz geschenkt.
Und beim ersten Schnee musste ich sie wieder gehen lassen. Mit meiner Seele in deinen Händen bist du mir davon geflogen. In Wirklichkeit sollte ich weinen.
Aber ich beginne den liebegetränkten Schneewalzer, setze einen Schritt nach dem anderen in den weichen Schnee, hinterlasse meine Spuren, die einst aus viel mehr Fußspuren bestanden.
Wiege mich in der kalten Luft, streichle durch die Flockenflut und träume dich zu mir.
Eigentlich sollte ich weinen, aber ich male mit meinem Körper kleine Engel in die weiße Landschaft und versinke in dem Lichterglanz der Sternfunken, in der Hoffnung, dass du meine Liebe spürst und lege dann schneeflockengeküsste Callas auf dein Grab.





copyright © by Zephira. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


Senta
Regentrude - 19.02.2007 19:55
Schnee etc.
Animula - 06.01.2007 11:31
Puh...
...das geht mitten ins Herz, sehr bewegend...
Magicmaus - 05.01.2007 12:01

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