Überraschungen, Fortsetzungsroman (5)

von Loewenzahn159


...
Natürlich ist es mit meiner schnellen Erzählung am Telefon nicht getan und Ben steht zwei Stunden später vor meiner Tür.
Nach einer Kanne Tee und unzähligen Keksen hab ich ihm die ganze Geschichte bis ins kleinste Detail erzählt. Ben ist ein guter Zuhörer; er nickt ab und zu und strahlt mich die ganze Zeit an. "Da hat sich wohl jemand ganz heimlich in dein sonst so verschlossenes Herz geschlichen" ist sein Kommentar. "Hmmm" ist alles was ich erwiedern kann, während ich merke, wie mir die Röte ins Gesicht steigt. Während meiner ganzen Erzählung habe ich gemerkt, wie sich die Wärme in meinem Körper ausbreitet und auch jetzt noch sehe ich ihr Gesicht vor mir, die strahlenden Augen, das verschmitzte Lächeln, die Sommersprossen...."Huhu, Erde an Lena!" Huch, Ben sitzt neben mir und knufft mich in die Seite. "Na, wo warst du denn grad mit deinen Gedanken?" neckt er mich. "Aaaach" stammle ich. Er lacht und sieht mich mit einem wissenden Blick an. Auch nachdem Ben gegangen ist, komme ich in Gedanken nicht von Tatjana los. "Was hat sie nur mit mir angestellt" frage ich mich. Ich, die sonst so kühle und beherrschte. Meine Gedanken rauben mir den Schlaf und die Ungewissheit, was ich machen soll bringt mich schier um den Verstand. Ich bin unsicher, wie ich meine Gefühle einordnen soll, deshalb tue ich das was in solchen Situationen bisher immer gemacht habe: ich warte. Leider hat sich das wohl auch Tatjana zum Vorsatz gemacht und so vergeht Tag um Tag ohne Kontakt. Es zerreißt mich fast, nichts von ihr zu hören, nicht zu wissen wie es ihr geht und sie nicht zu sehen. Doch es schleichen sich auch die Fragen in meinen Kopf: "Vielleicht war es ja nur ein Hormonschub bei ihr... vielleicht habe ich mich in etwas verrannt, was gar nicht da ist... was sollte diese Geschichte für eine Zukunft haben..." Die Zeit rast dahin und bis ich mich versehe, sind fast zwei Monate seit unserem letzten Kontakt verstrichen. Ohne Lebenszeichen von ihr. Ohne Lebenszeichen von mir. Das Telefon reißt mich aus meinen Gedanken. "Hey Lenchen, wie ist die Fortsetzung deiner Love-Story?" fragt Ben gut gelaunt. "Ähm, es gibt keine" ist meine einfache und mich selbst erschreckende Antwort. "WAAAAS" schallt es durch den Hörer "du willst mich wohl veräppeln!" ich kann das Erstaunen und die hochgezogenen Augebrauen direkt vor mir sehen. "Nach dem was du erzählt hast, willst du sagen, es hat nicht geklappt?" fragt er ungläubig. "Das weiß ich nicht, wir haben uns seitdem nicht gehört" Jetzt als ich es erzähle, steigen mir Tränen in die Augen und ich kann mal wieder nur den Kopf über mich selbst schüttelen. Kaum schafft es jemand, die Mauer zu meinem Herzen zu überwinden, errichte ich die nächste Barriere. "Tschuldigung, ich muss los" nuschle ich ins Telefon und lege auf. Jetzt helfen nur noch zwei Dinge: Rotwein und Kekse. Mit beidem bewaffnet kuschle ich mich auf die Couch und zerfließe im Selbstmitleid zu den Klängen von Norah Jones. Die Flasch Wein ist geleert und die Packung Kekse auch. Beides bewirkt ein Aufkeinem meines Kampfgeistes. "Ok, was kann schlimmes passieren" frage ich mich, "vieles" antworte ich mir selbst "ok, und was kann schönes passieren?... Noch viel mehr!" Ich logge mich ein und verfasse eine kurze Mail:

Hallo Tatjana, ich kann nicht aufhören an dich zu denken!

"Damit ist alles gesagt" denke ich mir und drücke auf Senden. Mit dem Gedanken, ob ich auf so eine Nachricht antworten würde, schlafe ich schließlich ein.
Als ich aufwache spüre ich zuerst den schweren Kopf, dann meinen Körper. Die Kombination von Wein und Schlafen auf der Couch hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Ich stelle den Laptop auf den Tisch, dabei leuchtet der Bildschirm auf und mein Herz setzt aus und macht gleichzeitig einen Sprung.
Sie hat geantwortet.
Langsam lasse ich mich zurück auf die Couch gleiten, die Augen ungläubig auf das kleine Brief-Symbol gerichtet.
Ich hole tief Luft und mit zitternden Fingern öffne ich Tatjanas Mail....