von bloodynatou
„Also gut, für diejenigen, die es nicht mehr wissen oder die noch nie gepokert haben, hier noch einmal die Regeln: Jeder von euch bekommt fünf Karten, die er entweder behalten kann oder von denen er drei auswechseln kann, es sei denn, er hat ein As, dann kann er vier austauschen, muss das As aber behalten. Eine Kleine Straße besteht aus ...“Emilie konzentrierte sich nicht wirklich auf das, was Kerstin sagte, sondern wie sie es sagte. Emilie hätte ihr stundenlang zuhören können. Ihre Stimme war so weich und doch bestimmt.
Emilie verlor sich ganz in ihren Gedanken.
„ ... und ein Full House bedeutet drei gleiche Karten und noch zwei andere Karten, die ebenfalls der gleichen Art sein müssen, z.B. drei Könige und zwei Damen. Ihr bekommt außerdem noch fünfzehn dieser Chips, von denen ihr pro Runde einen hinlegt, sofern ihr nicht passt, d.h. dieses eine Spiel nicht mehr mitspielen. Derjenige, der das Spiel gewinnt, bekommt alle Chips, die die anderen abgeworfen haben. Wenn ihr möchtet, dass der nächste Spieler die Karten zeigt, dann müsst ihr zwei Chips ablegen und sagen „Ich will sehen“. Ich weiß zwar nicht, ob das so auch richtig ist, aber ich stell’ diese Regel einfach mal auf. Habt ihr das verstanden oder gibt’s noch Fragen dazu?“ Emilie horchte auf.
„Bitte?“ Sie sah, dass alle sie anschauten und plötzlich anfingen zu lachen.
„Tut mir leid, bin wohl nicht so recht dabei“, entschuldigte sie sich.
„Kein Problem, ich helfe dir ja.“
„Danke.“
Kerstin teilte die Karten aus und Vanessa begann direkt, Katja zu beraten. Sie selbst schaute auf Emilies Karten und sah, dass diese eine Zehn, eine Dame, zwei Könige und eine Neun hatte.
„Das ist ja schon mal nicht schlecht, was denkst du?“
„Wenn du es sagst, ich habe keine Ahnung, tut mir leid.“
„Schon gut. Worauf möchtest du spielen, auf Paare oder das riskantere, die Große Straße?“
„Ich denke, die Große Straße. Riskant ist immer gut.“
„Ganz deiner Meinung, also einen König und die Neun weg.“ Sie nahm die Karten und behielt sie in ihren Händen, bis jeder seine Karten ausgewechselt hatte.
„Wir möchten zwei neue.“ Sie legte die alten ab, nahm zwei vom Stapel in der Mitte und gab sie Emilie. Diese konnte es nicht fassen.
„Und?“ Emilie zeigte nun auch ihr die Karten und Kerstin lächelte sie erfreut an.
„Also gut, dann mal los. Du kannst einen Chip hinlegen.“
Schon bei dieser ersten Runde passten einige und nur noch fünf Spieler waren übrig.
„Kannst ruhig weitermachen, werden schon sehen, was sie davon haben.“
„Von wegen, ich werde gewinnen“, meldete sich Cindy zu Wort.
„Mal schauen. Leg deinen Chip endlich ab.“
Bei den zwei nächsten Runden schied jeweils eine Person aus, so dass nur noch Cindy, Monja und Emilie mit Kerstin dabei waren. Sie legten ihre Chips ab und plötzlich wollte Cindy ihre Karten sehen.
„Große Straße. Pah, was sagst du jetzt?“
„Tja, Pech gehabt. Full House. Zwei Könige, drei Damen. Ihr habt verloren, hab ich ja gesagt.“
„Verdammt!“
„Ähm, Cindy? Schau mal, was ich hier hab! Drei Asse und Zwei Könige.“
Alle mussten so über Cindys verdattertes Gesicht lachen, dass es eine kurze Zeit dauerte, bis ein neues Spiel beginnen konnte.
Wieder wurden die Karten verteilt. Kerstin lehnte sich ganz nah zu Emilie und flüsterte ihr ins Ohr.
„Wie wäre es mit einem Full House?“ Emilie nickte nur, erstarrt vor Kribbeln im Bauch.
Kerstin lehnte sich zurück und stützte sich mit ihrem Ellbogen ab. So konnte sie genau in Emilies Karten schauen und war ganz nah bei ihr. Emilie versteifte sich immer mehr.
„Eine Neue.“ Dieses Mal hatte sie nicht soviel Glück und zog eine nicht zu gebrauchende Karte.
„Macht nichts. Hast ja trotzdem gute Karten. Versuch es einfach mal.“ Da Emilie keine Ahnung hatte, befolgte sie einfach Kerstins Vorschläge und wie es schien, sollte sie dafür schon bald belohnt werden. Sie gewann beinahe jedes Spiel und Cindy regte sich immer mehr auf. Kerstin hatte es sich bequem gemacht und gab nur noch selten Tipps. Auch Emilie wurde immer ausgelassener und blödelte mit den anderen Mädchen rum.
„Emilie!“ Cindy platzte der Kragen. „Was soll das? Du kannst mir nicht erzählen, dass du noch nie gepokert hast. Was soll denn das?“
„Wenn ich es dir doch sage. Ich habe noch nie gespielt. Das liegt wohl ganz alleine an meinem Glücksbringer.“ Sie grinste Kerstin an, welche ihre Hände unschuldig hochhob.
„Auf sie mit Gebrüll!“ Cindy nahm ein Kissen und schmiss es Kerstin ins Gesicht.
Plötzlich flogen weitere Kissen in ihre Richtung und auch Emilie wurde bombardiert. Sie konnte nur noch ein kurzes ‚Passt bitte auf meinen Fuß auf!’ rufen und knallte im nächsten Augenblick zurück. Zum Glück lag hinter ihr Kerstin, die sie aufschnappte, bevor sie mit dem Kopf auf dem Boden schlug. „Hatten wir das nicht schon mal?“
Kerstin musste lachen und bekam direkt noch ein Kissen an den Kopf geworfen.
Emilie packte das Kissen und warf es mit solch einer Wucht gegen Cindy, dass diese mit einem lauten Seufzer auf den Boden knallte. Langsam raffte sie sich wieder hoch und rieb sich den Bauch.
„Mensch, hast du eine Kraft.“
„Tut mir leid, ich wollte dir nicht weh tun. War nur ein Reflex.“
„Was denn? Wolltest du etwa Kerstin beschützen?“ Nun schalteten sich auch die anderen Mädchen ein und Emilie suchte nach der richtigen Antwort, um aus diesem Schlamassel rauszukommen. Jetzt das falsche zu sagen, wäre „tödlich“ gewesen.
„Sie ist schließlich mein Glücksbringer. Ich Brauche sie noch“, verteidigte sie sich schließlich.
„Gut zu wissen.“ Kerstin setzte sich nun wieder richtig hin und schmiss die Kissen wieder auf ihre einstigen Plätze.
„Lasst uns weitermachen.“
Katja teilte die Karten aus und ein weiteres Spiel ging an Emilie. Einige mussten sogar schon Kredite anfragen, damit sie noch mitspielen konnten. Hie und da gingen welche in ein anderes Zelt und Neue kamen hinzu. Als mehr Jungs als Mädchen pokerten, neigte sich auch Emilies Glückssträhne dem Ende zu.
„Sag mal, bist du eingeschlafen oder wieso verlier ich immer?“
„Das wird wohl daran liegen, dass du mehr nach den Jungs schaust als auf deine Karten.“
Emilie stockte.
„Das wirst du mir büßen.“ Auf einmal schmiss sie sich auf Kerstin, setzte sich auf ihren Bauch, immer darauf bedacht, ihren Fuß nicht zu gefährden, und kitzelte diese bis sie keine Luft mehr bekam. Die anderen hatten schon lange ein neues Spiel angefangen und beachteten die beiden nicht weiter.
„Nimmst du das jetzt zurück?“ Emilie blieb hartnäckig auf Kerstin sitzen.
„Ist ... Ist gut, aber versprich mir, mich nie wieder zu kitzeln, einverstanden?“ Emilie beugte sich tiefer zu Kerstin.
„Man kann mir nicht trauen, ich breche immer alle Versprechen.“ Sie grinste sie so verführerisch an, dass Kerstin sie am liebsten ganz zu sich hinunter gezogen und sie geküsst hätte.
‚Wieso können die anderen nicht einfach verschwinden.’ Auch Emilie wäre es in diesem Augenblick lieber gewesen, mit Kerstin alleine zu sein, doch was nicht ging, ging halt nicht. Langsam setzte sie sich wieder auf ihren gewohnten Platz und Kerstin folgte ihr.
„Wenn du nicht lieb bist, helfe ich dir gar nicht mehr...“
„Das wagst du nicht, glaub mir.“ Emilie funkelte sie böse an und Kerstins Lächeln wurde immer breiter.
„Werden wir ja dann sehen.“
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bloodynatou. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.