von bloodyheart
„Wie ihr seht, sind zwei neue Leiter zu uns gestoßen“, fing Philippe an zu erklären. Nun sahen Emilie und Mary auch den anderen Leiter. Er war ziemlich groß, schlank und gutaussehend. Und ... er war mit Kerstin gekommen. Emilie durchzuckte ein stechender Schmerz, doch sie konnte sich nicht erklären, woher dieser kam, so dass sie annahm, es sei eine Auswirkung des Sturzes.
„Also, das ist Mike und sie dort drüben heißt Kerstin, sie ist unsere Ärztin.“ Beide hoben gleichzeitig zum Gruß die Hand und alle begrüßten sie mit einem lauten ‚Hallo’.
„Sie konnten leider erst heute kommen, da sie noch arbeiten mussten, bleiben aber jetzt bis zum Ende. Sie sind eigentlich ganz akzeptabel.“ Kerstin stemmte die Hände in die Hüfte und schaute Philippe böse, jedoch grinsend, an.
„Schon gut schon gut, ich nehme alles zurück.“ Er hielt schützend seine Arme vor das Gesicht und beide fingen an zu lachen.
„Ich denke, das Nötigste wurde gesagt und falls ihr Fragen habt, könnt ihr sie stellen oder halt warten, bis wir unser Spiel wiederholen, das liegt bei euch.“
Sofort bildete sich eine Schar von Mädchen vor Mike, was sich bei Kerstin mit den Jungs aber nicht wiederholte. Und sie schien nicht einmal gekränkt zu sein.
‚Kein Wunder, sie sieht ja auch aus, wie ein halber Junge!’, dachte Mary und ermahnte sich zugleich über diesen Gedanken. Sie kannte sie noch gar nicht richtig und hatte schon Vorurteile gegen sie, nur wegen ihres Aussehens.
„Geht es dir wieder besser?“ Kerstin ließ sich nun auch nieder und kam direkt neben Emilie zu sitzen.
Mary gefiel diese Sache irgendwie nicht so richtig, bisher war sie die ganze Zeit bei Emilie gewesen und nun kam Kerstin und alles änderte sich, so wie es aussah. Sie beschloss, sich auf die andere Seite von Emilie zu setzen und versuchte fieberhaft, ihre Eifersucht nicht die Oberhand gewinnen zu lassen.
Sie konnte sich auch nicht erklären, warum sie so reagierte, aber es war halt so, dass sie zwei immer zusammen gewesen waren und niemand sich zwischen sie gedrängt hatte. Klar, es waren schon oft andere zu Emilie gekommen und hatten mit ihr gequatscht und schließlich hatten die beiden auch noch andere Freunde, doch dieses mal hatte Mary ein komisches Gefühl des Verlustes, wenn sie die beiden so zusammen sah. Doch sie selbst konnte schließlich auch nichts dagegen sagen, sie hatte im Moment auch nur noch Sven im Kopf.
„Ja, vielen Dank, es ist alles in Ordnung.“ Mary schreckte beinahe hoch, als Emilie antworte. Sie war so in ihren Gedanken versunken, dass sie nichts mehr von ihrer Außenwelt mitbekam.
„Nicht, dass du uns gleich wieder zusammensackst, verstanden!?“ Mary versuchte sich nun ins Gespräch einzubringen, doch sie war immer noch nicht ganz dabei.
„Nein nein, mach dir keine Sorgen, du wirst mich gleich schon nicht zum Zelt tragen müssen, Mary.“
„Das will ich auch meinen, bin schließlich nicht dein persönlicher Packesel!“ Alle drei mussten lachen. Diese Neckereien waren Alltag bei Emilie und Mary und beide mochten diese, denn damit kam immer etwas Stimmung auf.
„Am besten ist, du lässt sie einfach hier liegen und sie schläft am Lagerfeuer. So hast du überhaupt keine Probleme“, flüsterte Kerstin, die sich zu Mary rübergebeugt hatte, laut genug in ihr Ohr, dass Emilie sie auch verstand. Diese jedoch rang gerade nach Atem. Sie bekam gerade noch ein lautes ‚Tz, wenn ich dir Probleme mache, dann solltest du das wohl am besten tun’ heraus und war froh, als sich Kerstin wieder gerade gesetzt hatte.
Mary und Kerstin fingen laut an zu lachen und Mary merkte, dass ihre Eifersucht ein wenig zurückging. Sie musste sich eingestehen, dass Kerstin wirklich nett war und ihre Vorurteile mehr als ungerecht gewesen waren.
„Keine Chance, so schnell wirst du mich auch wieder nicht los, tut mir leid.“
„Na dann ist ja gut.“ Emilie lächelte Mary an und legte sich dann auf den Rücken. Mary tat es ihr gleich, nur Kerstin blieb sitzen und starrte ins Feuer. Mary bemerkte, dass sie in den letzten fünf Minuten nicht einmal an Sven gedacht hatte und war überrascht. Sie schaute einmal kurz auf und sah, dass Sven gerade ziemlich beschäftigt war, sich die Mädchen ein wenig vom Hals zu schaffen, so dass er schließlich sogar bereit war, die Gitarre zu holen.
Sie wollte sich gerade wieder hinlegen, als sie sah, wie Kerstin verträumt ins Feuer starrte und dabei lächelte. Sie konnte nichts dagegen tun, doch Mary fand, dass sie so, wie sie gerade so da saß wirklich toll aussah. Sie schaute runter zu Emilie und bemerkte, dass auch diese Kerstin eindringlich anschaute und ganz in Gedanken zu sein schien.
Sie legte sich wieder neben sie hin und hauchte ein leises ‚Buh’ in ihre Ohren. Emilie erschrak und setzte sich schlagartig auf.
„Sag mal, geht es dir noch gut? Mich so dermaßen zu erschrecken.“ Emilie rang nach Atem, den sie durch diesen Schock ganz vergessen hatte zu gebrauchen.
Mary hielt sich den Bauch vor Lachen und bekam kein Wort heraus. Kerstin hatte sich das Ge-schehen angeschaut und musste ebenfalls lachen.
„Was ist denn passiert?“, fragte sie unschuldig mit einem breiten Grinsen auf den Lippen.„Das verrückte Huhn da hat mich total erschreckt.“ Sie zeigte auf Mary, die sich neben ihr vor Lachen kringelte.
„Dann hast du aber auch ein schlechtes Gewissen“, brachte sie gerade noch über die Lippen, als sie wieder anfing zu lachen.
„Ich...ich, ach was, ist ja auch egal.“
Emilie konnte Kerstin nicht anschauen, denn sie hatte Angst, dass diese in ihren Augen sehen konnte, dass Emilie sie die ganze Zeit angeschaut hatte. Sie schaute einmal ganz schnell zu ihr und senkte ihren Kopf dann direkt wieder.
Kerstin legte ihre Hand auf Emilies, die sie auf den Boden gestemmt hatte. Emilie zuckte zusammen, machte aber keine Anstalten, ihre Hand weg zu ziehen. Im Gegenteil, sie schaute Kerstin an und diese lächelte sie nur an. Sie verstanden sich auch ohne Worte. Mary hatte diese Blicke nicht gesehen, denn sie war gerade dabei, Sven ausfindig zu machen, der schon lange hätte zurück sein müssen. Und als hätte er es gewusst, kam er aus dem Zelt und hatte die Gitarre dabei.
Kerstin sah, wie Marys Gesicht sich erhellte und konnte sich denken, dass Sven zurückkam. Sie hatte schon oft gemerkt, dass Sven der Mittelpunkt der Mädchen war.
„Ich komme gleich wieder, muss kurz etwas erledigen.“ Kerstin stand auf, zog die Hand aber so langsam weg, dass es Emilie kalt den Rücken runterlief. Doch sie empfand es nicht als schlimm, ganz im Gegenteil. Damit es nicht zu sehr auffiel, legte sie sich wieder hin und starrte in die Sterne.
„Sie scheint ja wirklich nett zu sein.“ Mary hatte sich wieder neben sie gelegt und versuchte herauszufinden, worüber Emilie gerade nachdachte. Doch von dieser war nur ein bejahender Seufzer zu vernehmen und so konnte Mary es sich abschminken, ein Gespräch zu beginnen.
Leise Musik war zu vernehmen und Emilie wusste sofort, welches Lied es war.
„Céline Dion, genau das Richtige für dich, hab ich Recht?“, fragte Mary sie leise, immer noch hoffend, dass Emilie mit ihr reden würde.
„Ja, ‚The power of love’ ist eines der besten Lieder.“
‚Na also, zumindest ein Anfang.’
“The wispers in the morning of lovers sleeping tight…”
Emilie sprang als erste auf und Mary folgte ihr zugleich. Sie konnten es kaum glauben, da vorne saß Kerstin mit der Gitarre und sang eines der Lieblingslieder Emilies.
‚Woher wusste sie dass?’, fragte sich Emilie.
Sie starrten Kerstin an, doch diese hielt ihren Kopf gesenkt und konzentrierte sich.
„...as I look in your eyes, I hold on to your body and feel each move you make. Your voice is warm and tender, a love that I could not forsake.” Ganz unverhofft schaute Kerstin auf und schaute in Emilies verdutztes Gesicht. Sie musste sich beherrschen, nicht zu lachen. Sie schaute ihr tief in die Augen und Emilie konnte nichts mehr tun. Kerstin wusste genau, was sie tat. Die anderen waren anscheinend alle zu konzentriert und überrascht, dass sie gar nicht so darauf achtete, wo sie hinschaute.
„Cause I’m your lady…” Emilie rührte sich nicht, sie konnte es nicht fassen. Mary begriff schnell und war ebenfalls erstaunt.
„And you are my man...“ Kerstin senkte kurz ihren Kopf, um direkt danach wieder Emilie anzuschauen. „Whenever you reach for me, I’ll do all that I can…”
Emilie gingen so viele Gedanken durch den Kopf. Sie konnte es nicht fassen, was Kerstin gerade tat und welche Reaktion sie darauf fühlte. Sie konnte sich nicht rühren, verspürte aber so sehr den Wunsch, zu Kerstin rüber zu gehen und sie zu umarmen. Aber das konnte sie doch nicht tun. Sie war vollkommen daneben und wollte nicht glauben, dass eine Frau solche Gefühle in ihr wecken konnte. Aber dies tat Kerstin gerade und sie fühlte sich sehr wohl und doch unbehaglich.
Alle diskreten Versuche Marys, Emilie in die Realität zurückzuholen waren vergebens und nach kurzer Zeit ließ sie Emilie in Ruhe.
„…We're heading for something, Somewhere I've never been. Sometimes I am frightened but I'm ready to learn, of the power of love.” Kerstin ließ die Gitarre leise ausklingen ohne ihren Blick von Emilie abzuwenden.
Als dann plötzlich tosender Applaus erklang, konnte Kerstin nicht anders und drehte sich den anderen lächelnd zu. Sie wollten mehr hören, ihre Stimme war einfach klasse. Nie hatte jemand von ihnen eine solche Stimme live und ohne große Technik gehört. Sie waren schlichtweg begeistert und forderten eine Zugabe. Auch Emilie wollte, dass sie noch ein Lied sang, doch sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass Kerstin zu ihr kam. Und wie es aussah konnte Kerstin auch noch ihre Gedanken lesen. Sie versuchte die anderen mit einem ‚Gut, aber erst gleich’ abzuspeisen und ging in Emilies Richtung, um sich wieder auf ihren Platz zu setzen.
„Ich geh mal kurz zu Ruth und den anderen“, verabschiedete sich Mary und ließ Emilie alleine.
„Mary ... du ....“ Weiter kam Emilie nicht, denn Mary war schon weg und Emilie fühlte, wie eine Hand ihre Schulter berührte.
Wieder zuckte sie zusammen, doch sie musste feststellen, dass sie ganz alleine war und sie nicht weglaufen konnte, es aber auch gar nicht wollte. Sie drehte sich langsam um und sah, dass Kerstin sich auf den Boden gelegt hatte.
„Wie hat dir das Lied gefallen? Es ist mein Lieblingslied.“
„Ich ... ich ... fand es toll. Woher ... hast du das gewusst?“ Emilie kam nur zögernd voran.
„Was gewusst?“
„Dass ich ... ich meine, dass ich dieses Lied so sehr liebe?“ Kerstins Mund verzog sich zu einem breiten Lächeln.
„Weibliche Intuition würde ich sagen! Nein, ehrlich, ich wusste es nicht. Aber ich habe es ... ge-hofft.“ Bei diesem Wort drehte sie sich zu Emilie und schaute sie an.
Emilie merkte die Röte förmlich kommen und senkte ihren Kopf.
„Ich ... es tut mir leid, wenn ich dich irgendwie verunsichert habe, das wollte ich nicht.“
„Ist schon gut. Ich habe mich ... gefreut.“ Emilie ließ ihren Kopf noch immer gesenkt, lächelte aber. Sie schaute auf und sah direkt in die klaren, braunen Augen, die auf sie gerichtet waren.
Solch ein Gefühl hatte sie noch nie empfunden. Ihr ganzer Magen hatte sich zusammengekrampft und kribbelte so gewaltig, dass Emilie erst recht nicht mehr wusste, was los war.
‚Das ist eine Frau, Emilie, reiß dich gefälligst zusammen’, ermahnte sie sich selber, doch auch dieser Versuch ging ziemlich daneben.
Mary hatte die beiden die ganze Zeit aus den Augenwinkeln angesehen und sich eher weniger auf das Singen konzentriert. Als sie merkte, dass keiner mehr etwas sagte und die Stille langsam peinlich wurde, stand sie auf und ging auf sie zu.
„Deine Stimme ist wirklich toll. Das hätte ich nicht gedacht. Singst du gleich noch einmal?“
Emilie drehte sich erschreckt zu Mary um, die sie lächelnd ansah.
„Ähmm ... vielen Dank, Mary. Ich denke schon, aber das kommt ganz auf euch an.“
„Das bedeutet dann also ja. Ich war gerade bei den anderen und die fanden dich auch umwerfend.“
„Vielen Dank. Habt ihr denn irgendeinen Wunsch?“
„Warte, lass mich mal überlegen. Wie wäre es mit ... ‚Need to be next to you’ von Leigh Nash? Kennst du den Text?” Als Mary dies ausgesprochen hatte, schaute sie runter zu Emilie und sah, dass diese sie böse anschaute. Sie wusste genau, dass Emilie das Lied sehr mochte. Sie hatte einen richtigen Faible für langsame Lieder und noch dazu, wenn sie von der Liebe handelten.
Sie legte eine Hand auf Emilies Schulter und schaute sie entschuldigend an.
„Sie mag dieses Lied sehr. Ich versteh sie nicht, immer diese Schnulzen!“ Mary musste lachen und Emilie schaute noch finsterer.
„Ich kann sie verstehen. Diese Lieder sind einfach großartig, jedenfalls besser als andauernd dieses Zeug wie Techno und so.“ Kerstin schaute Emilie an, die jedoch mit dem Rücken zu ihr gewandt war, und sah, dass diese ihr nickend zustimmte.
„Naja, dann haben sich wohl zwei der gleichen Sorte gefunden, nicht wahr?“, meinte Mary grinsend und Emilie hätte ihr am liebsten den Hals umgedreht. Mary machte ihr einen Strich durch die Rechnung, indem sie wieder zu den anderen Mädchen ging, nicht ohne auf halbem Weg Jörg zu sagen, dass Kerstin jetzt wieder singen sollte. Jörg nickte und machte Lars Zeichen, dass er nach diesem Lied wieder Kerstin singen ließ. Dieser gab sein O.K. und wartete darauf, dass das Lied endlich vorbei war. Die Leiter waren ihre Stimme schon gewöhnt, doch waren auch sie immer noch hin und weg, wenn sie ihr zuhörten.„Kerstin, bist du soweit?“ Emilie blickte erstaunt zu Jörg. Er wollte doch nicht ... Aber doch, Kerstin sollte wieder singen und diese machte auch schon Anstalten aufzustehen.
„Ja, wenn ihr das wirklich möchtet.“
„Natürlich!“, bekam sie von allen als Antwort.
„Na gut, aber nur unter einer Bedingung.“ Selbst die Leiter schauten sie erstaunt an.„Jeder, aber ausnahmslos jeder schließt seine Augen. Ob ihr dabei sitzt oder liegt ist egal.
Sobald ich sehe, dass jemand seine Augen öffnet, höre ich sofort auf, einverstanden?“ Es war keine Frage, sie akzeptierte kein ‚Nein’.
„Die Leiter werden euch als gutes Beispiel dienen.“ Als sie dies ausgesprochen hatte musste sie augenblicklich lachen. Die Gesichter der Leiter waren teilweise so entsetzt, dass sie einfach nicht anders konnte.
„Ich weiß, dass manche unter euch die Augen doch öffnen würden, doch ich bitte euch darum, es nicht zu tun. Ich meine, was bitte habt ihr denn schon davon, außer euren eigenen Nachteil? Hört einfach mal der Musik zu, schlaft aber nicht ein.“ Sie lächelte und bat nochmals um die Einhaltung dieser Vereinbarung.
Nacheinander schlossen sie die Augen und die meisten legten sich hin. Als Kerstin zufrieden war, begann sie langsam auf der Gitarre den richtigen Ton zu finden. Nach einer kurzen Weile konnte man schon gut die Melodie zu ‚Need to be next to you’ erkennen, obwohl gewisse Töne auf der Gitarre nicht machbar waren. Aber das war ganz egal, sie wussten, welches Lied es war, zumindest die, die es kannten, und warteten darauf, dass Kerstin endlich anfing zu singen.
Emilie horchte nervös der Musik. Sie mochte es nicht, ihre Augen schließen zu müssen, genauso wenig wie dunkle Sonnenbrillen. Sie fühlte sich beobachtet und oft traf dies auch zu. Genau wie jetzt. Sie spürte förmlich Kerstins Blick auf sich liegen, zwang sich aber, ruhig liegen zu bleiben und nicht die Augen zu öffnen.
‚Mein Gott, ist sie schön!’ Kerstin konnte nicht anders, sie dachte nur noch an Emilie, rückte näher zu ihr und musste sich unter Kontrolle halten, nicht die Gitarre zu vernachlässigen. Als sie wieder langsam zur Besinnung kam, begann sie endlich zu singen.
„I’ve run from these feelings for so long, telling my heart I didn’t need you, pretending I was better off alone but I know that it’s just a lie. So afraid to take a chance again. So afraid of what I’d feel inside … but I need to be next to you … I need to share every breath with you…..”
Emilie verlor sich in Gedanken. Sie sah Kerstin vor sich, wie sie sang, wie sie sich das erste Mal begegnet waren und wie sie nach dem ersten Lied zu ihr gekommen war. Sie wusste nicht, wie sie ihre Gefühle aufnehmen sollte. Sie wollte es einerseits nicht wahrhaben, andererseits war sie sich aber schon lange bewusst geworden, dass sie nichts dagegen unternehmen konnte. Jedoch versuchte sie noch immer, möglichst alle Gefühle zurückzustecken, was ihr aber weiß Gott nicht gelang, schließlich hatte Mary schon etwas gemerkt.
‚Wieso musste sie das bloß machen. Hätte sie nicht gesungen, wäre das bestimmt nie passiert!’, versuchte sie sich einzureden, wusste aber, dass dies nicht stimmte. Früher oder später wäre es sowieso passiert und außerdem war schon etwas gewesen, als sie sich an Kerstin festgehalten hatte, damit sie nicht wieder hinfiel nach dem Sturz.
„.... need to be, need to be next to you, share every breath with you ... I need to feel you in my arms, babe, in my arms, babe. I need to be next to you!” Emilie wusste genau, wann das Lied zu Ende war, sie hatte es oft genug gehört. Augenblicklich öffnete sie ungewollt die Augen und schaute in ein strahlendes Lächeln. Sie wollte am liebsten wieder ihre Augen schließen, es war zu peinlich.
‚Hat es dir gefallen?’, formte Kerstin mit ihren Lippen und Emilie nickte nur.
„Also gut, ihr könnt eure Augen wieder öffnen“, erklärte sie, den anderen zugewandt.
Nacheinander machten sie alle ihre Augen auf, außer Pascal. Xavier versuchte ihn wachzurütteln, ohne dass es jemand bemerken würde. Doch Kerstin entging nichts. Als Pascal sich langsam aufrichtete, schauten ihn bereits alle an.
„Wie war das noch gleich mit dem ‚Nicht einschlafen’?“, witzelte Kerstin und alle fingen an zu lachen. Emilie genoss es richtig, wie rot er wurde.
„Das war wirklich gut. Das hat er verdient. Er meint, er wäre der Beste, dabei ist er nicht mehr als ein Haufen Dreck.“
Kerstin drehte sich erstaunt um und schaute Emilie fragend an.
„Na stimmt doch, er macht jeden runter, der nicht auf seiner Seite ist. Er ist wirklich schrecklich. Hoffentlich kapiert er es jetzt endlich.“
Kerstin musste über diese Reaktion lächeln und Emilies Mund formte sich ebenfalls zu einem leichten Grinsen.
‚Hör bitte auf, so süß zu lachen, das halte ich nicht mehr aus!’, bat sie Kerstin im Stillen.
„Na gut, da ich ja anscheinend so einschläfernd bin, schlage ich vor, dass wir für heute Schluss machen.“
Ein lautes ‚Schade’ ging durch die Runde.
„Kommt schon, ab mit euch zu den Zelten.“
Langsam standen sie auf und bewegten sich in Richtung Zelte.
„Eine gute Nacht wünsche ich allerseits.“ Sie schaute Emilie an, die noch immer neben ihr saß und formte nochmals ‚Gute Nacht’. Emilie stand auf, ging an Kerstin vorbei und hauchte ein leises ‚Danke, auch!’ an ihr Ohr. Danach ging sie schnell zu den anderen, damit kein Verdacht aufkam.
Kerstin blieb unbeweglich stehen und versuchte ihre Gedanken zu ordnen.
„Du magst sie sehr, hab ich Recht?“ Jemand war hinter sie getreten und versuchte so leise wie möglich zu reden. Kerstin wirbelte herum und sah dann, dass es nur Mike war.
„Du merkst wohl alles, oder?“
„Alles!“ Mike musste grinsen. „Es scheint, als mag sie dich auch.“
„Ja, ich meine, ich weiß es nicht. Ich hoffe es.“
„Na hör mal, wenn man euch beide nur mal anschaut, macht man sich so seine Gedanken.
Aber keine Bange, die meisten denken bestimmt nicht mal daran.“
„Hmm ... sie ist wirklich ... unbeschreiblich!“
„Du hattest schon immer einen Faible für kleine Blonde, richtig? Aber ich versteh dich nur zu gut. Ich würde sie auch nicht von der Bettkante schubsen.“
„Jetzt hör aber auf. Lass deine Finger von ihr, verstanden?“, Kerstin wirkte drohend, doch verfiel gleich darauf mit Mike in herzliches Gelächter. Sie wusste, dass Mike nur einen Spaß machte, sie wusste es ganz genau. Er war ein guter Freund und würde nie im Leben ...
Kerstin drehte sich um und ging Richtung Esszelt um sich etwas Wasser zu holen. Sie merkte nicht, wie Mike ihr hinterher schaute und sein Gesicht sich etwas verfinsterte.
„Mal sehen.“ Er drehte sich um und setzte sich wieder zu den anderen Leitern.
copyright © by
bloodyheart. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.