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Stories » Detail

Und dann traf ich DICH (4)

von bloodyheart


„Ähm ... naja, stimmt doch. Oder nicht? Die meisten hier haben doch ihre eigenen Probleme, aber du bist ganz anders! Was ich damit sagen will, dass du dich so gibst, als wärst du kein Leiter. Das zeigt doch schon, dass du hier bei uns sitzt und nicht bei den anderen Leitern.“ Emilie versuchte sich so gut wie möglich aus dieser peinlichen Lage herauszuwinden, doch beide hatten verstanden, was sie eigentlich sagen wollte.
Emilie schaute kurz weg und dann wieder zu Kerstin. Diese lächelte sie nur an und Emilie war wieder in Gedanken.
„Also gut“, begann Olli bevor Kerstin etwas hätte sagen können, „wenn gespült worden ist, werden wir alle in den Wald gehen. Dort gibt es weitere Erklärungen. Also geht jetzt bitte in eure Zelte und zieht euch um, wenn ihr das möchtet oder was auch immer ihr da machen wollt. Wir rufen euch dann. Ihr sechs seid heute morgen dran mit dem Spülen.“ Olli zeigte auf die sechs und Kerstin sowie Emilie und Mary sahen, dass sie drei wohl mittags dran sein würden. „Oh man, blödes Spülen. So oft, wie ich hier wohl spülen werde, habe ich noch nie im Leben gespült“, seufzte Mary.
„Ganz deiner Meinung.“
„Ach kommt schon, so schlimm ist das doch gar nicht.“ Dafür erntete Kerstin zwei böse Blicke und hob die Hände als Zeichen der Resignation.
„Mary, wenn du möchtest kannst du schon zum Zelt gehen, ich komme gleich nach.“ Mit diesen Worten verschwand Emilie Richtung Toilette.
„Also gut.“ Mary sah, dass sich schon so gut wie alle in ihre Zelte zurückgezogen hatten. „Bis gleich also.“
„Ja, bis gleich.“ Mary drehte sich um, blieb jedoch noch mal stehen und ging zurück zu Kerstin.„Ich weiß, Emilie würde mich dafür umbringen, aber du bist wirklich etwas Besonderes für sie. Bitte verletze sie nicht, o.k.?“
„O ... O.k.” Kerstin war ziemlich erstaunt über diese Wendung des Gespräches und schaute Mary ungläubig hinterher.
Emilie kam aus der Türe und sah schon von weitem, wie Kerstin Mary hinterher schaute und dann verwirrt den Kopf schüttelte. Sie drehte sich um und half noch ein wenig beim Aufräumen. Emilie ging einen Schritt schneller.
„Was hast du mit Kerstin gemacht? Die sah aus, als hätte sie einen Geist gesehen.“ Sie hatte Mary zu sich gezogen und war etwas aufgebracht.
„Beruhige dich doch mal. Ich habe absolut nichts gemacht. Glaubst du etwa, ich spann sie dir aus?“
„Entschuldige bitte. Aber ausspannen kannst du sie mir sowieso nicht, bin ja nicht mit ihr zusammen. Das kann es also nicht sein, oder doch? Was also dann?“ Sie ließ nicht locker.
„Hör mal Emilie, ich weiß es nicht, was mit ihr los war. Frag sie doch mal.“
‚Als ob, aber nun gut, wenn du es nicht sagen willst!’ Emilie wusste, dass Mary log, doch wollte sie nicht noch mehr verärgern.
„Also gut. Glauben wir es dir einfach mal.“ Emilie setzte sich auf ihre Matratze und suchte ihre Wanderschuhe. Mary zog sich etwas Bequemeres an und setzte sich dann ebenfalls hin. Sie schwiegen sich solange an, bis Sandra sie endlich erlöste.
Auch der Weg in den Wald verlief schweigend, da alle drei in Gedanken versunken waren. Sie kamen auf einer kleinen Lichtung an und die Leiter baten darum, dass jeder stehen blieb.
„Gut, wir werden jetzt im Wald Stellungen beziehen. Ihr werdet uns suchen, dürft euch dabei aber nicht blicken lassen. Sobald euch ein Leiter gesehen hat, müsst ihr wieder hierhin zurück, wo Kerstin und Daniel warten werden. Schafft ihr es, unbemerkt zu den Leitern zu gelangen, werden sie euch eine kleine Karte geben, d.h. ein Leben. Auf dem Rückweg müsst ihr natürlich auch unbemerkt bleiben. Sieht euch ein Leiter trotzdem, müsst ihr diesem euer Leben abgeben, zurückkommen und euch ein weiteres Leben bei den beiden Leitern fragen. Diese haben jedoch nur eine begrenzte Anzahl, so dass ihr euch anstrengen müsst, um neue zu bekommen. Ihr könnt natürlich überall rumgehen, doch geht nicht zu weit weg, sonst passiert vielleicht noch was. Haben das alle verstanden?“
„Keiner behauptete das Gegenteil und so konnte das Spiel beginnen. Manche Leiter hatten sich schon auf ihre Posten begeben und die restlichen stellten, sich auf eine Anhöhe, über die man hätte gehen müssen, um am schnellsten zu den anderen Posten zu gelangen.
„Noch was. Da wir euch hier sehen können, gelten hier andere Regeln. Derjenige, der es hier rüber schafft, ohne festgehalten zu werden, kann weiter, die Restlichen müssen wieder runter, brauchen aber nicht ihr Leben abzugeben. Sie versuchen es halt dann noch mal neu. Sobald sie jedoch an einer Etappe waren, zurückkommen und geschnappt werden, geben sie ihr Leben ab. Jetzt holt sich jeder eine Karte und dann los.“
Direkt stürzten sich einige auf die Anhöhe, während andere den unangenehmeren, weiteren Weg nahmen. Der erste „Angriff“ war ziemlich erfolgreich für die sogenannten Gipfelstürmer, da die Leiter nicht jeden fassen konnten. Die paar wenigen, die übrig blieben besannen sich danach darauf, doch lieber den anderen Weg zu nehmen.
Emilie nahm extra einen Umweg, damit sie wirklich sicher sein konnte, nicht entdeckt zu werden. So ging sie durch dickes Farn und Brombeerstöcke. Sie konnte sich glücklich schätzen, eine lange Hose angezogen zu haben, denn sonst hätte sie ihre Beine durch die Stacheln ganz zerkratzt.
Als sie dann endlich über den Hügel war, sah sie auch schon etwas weiter links von ihr einige andere, die sich durch das dichte Unterholz kämpften. Sie versteckte sich hinter Bäume und große Sträucher, damit niemand sie sah. Die Strategie schien aufzugehen, denn sie schaffte es unbemerkt bis auf zehn Meter an Anne zu kommen. Plötzlich schaute diese in ihre Richtung und Emilie befürchtete schon, dass sie entdeckt worden war.
„Paul, ich hab dich gesehen, komm bitte raus.“ Paul kam stöhnend hinter der großen Eiche hervor und ging den normalen Weg zurück zum Ausgangspunkt. Emilie hatte selbst ihren Atem angehalten. Sie war so erleichtert, als Paul außer Reichweite war und Anne sich wieder umdrehte, dass sie sich erst mal hinsetzte und beschloss, eine kleine Pause einzulegen. Daraus wurde jedoch nichts, denn sie merkte schnell, dass in ihrer Nähe wohl ein Ameisenhaufen sein musste.
So ging sie fast geräuschlos zu Anne, indem sie sich hinter jedem neuen Baum versteckte und dort ein wenig ausharrte, so dass sie nicht zu schnell ins Visier genommen wurde. Sie tappte leise bis auf ein Meter an Anne heran und als sie dann direkt hinter ihr stand, erschrak Anne so sehr, dass ihr der Atem kurz stockte.
„Musst du mich denn so erschrecken Emilie? Eigentlich könnte ich dir deswegen dein Leben verweigern.“ Anne funkelte sie böse an, musste im nächsten Augenblick aber wieder lachen. Sie gab ihr das Leben und ihre Freiheit und Emilie machte sich zugleich auf den Rückweg.
Sie schlug sich wieder durch das Schilf, übersah eine herausstehende Wurzel und stolperte. Sie flog genau in das Gestrüpp und ihre Armen wurden von ihnen zerkratzt. Sie schrie auf, blieb kurz liegen und versuchte dann, sich wieder zu stellen. Noch nicht halb auf den Beinen fiel sie auch schon wieder auf den Boden. Sie musste sich wohl den Fuß verstaucht haben.
„Verdammter Mist!“ Sie schlug mit der Faust auf dem Boden und spürte zum ersten mal die schmerzenden Schnitte am Arm. Sie beschloss ihren Weg fortzusetzen, selbst wenn das hieß, dass sie kriechen musste.
Zum Glück wusste sie, welchen Weg sie vorhin genommen hatte und verfolgte diesen weiterhin. Als sie nach einiger Zeit den Weg erreichte, der sie letztendlich zum Treffpunkt führte, hörte sie dumpfe Schritte hinter sich. Sie bekam Angst und versteckte sich ein wenig hinter dem Farn.
Als sie Stephanie und Isabell kommen sah, kroch sie aus ihrem Versteck hervor und wartete darauf, dass die beiden sie sehen würden. Dies dauerte nicht sehr lang und beide kamen sie auf Emilie zugelaufen.
„Emilie, was ist passiert? Wieso hast du überall diese Schrammen?“ Stephanie war in Panik und schaute Emilie verzweifelt an. Isabell packte indes Emilies Arm und zog sie langsam hoch.
Diese stützte sich verlegen auf ihre Schulter und machte Anstalten, wieder hinzufallen.
Doch Stephanie packte sich den zweiten Arm und so trugen sie Emilie zurück zu den Leitern. Ich bin über so eine verdammte Wurzel gestolpert.“ Die beiden nickten verständnisvoll und trugen sie weiter.
Einige hundert Meter weiter sahen sie schon Daniel an einem Baustamm lehnen. Um ihn waren einige Jungen und Mädchen versammelt, die entweder ein Leben abgaben oder wieder eins brauchten. Kerstin saß auf der anderen Seite des Baustammes, mit dem Rücken zu den Dreien.
Plötzlich schaute Benedikt zu ihnen rüber und sagte direkt Daniel Bescheid. Dieser wollte gerade aufstehen, als er sah, dass Kerstin bereits zu ihnen unterwegs war, nachdem sie alles mitgehört hatte.
„Was ist passiert?“ Sie war völlig außer sich und sah Emilie erschrocken an. Diese sah zum Boden, da sie die Szene als „peinlich“ empfand. Sie wollte nicht erzählen, wie sie sich verletzt hatte und antwortete deshalb nicht.
„Sie sagte, sie sei über eine Wurzel gestolpert.“ Isabell flüsterte, da sie verstehen konnte, wenn Emilie nicht wollte, dass es jeder direkt mithörte.
Kerstin hob mit ihrer Hand Emilies Kinn hoch und schaute sie erschrocken an. Emilie war den Tränen nahe.
„Komm’, ich bringe dich zurück ins Lager. Dann schau ich mir mal deine Wunden an, einverstanden? Ich nehme dich Huckepack.“ Emilie nickte nur und kletterte mit hochrotem Kopf und der Hilfe von Isabell auf Kerstins Rücken. Sie hätte alles getan um nicht mehr selber gehen zu müssen, deswegen nahm sie Kerstins Angebot ohne Widerrede an.
Als sie losgingen, spürte sie alle Blicke auf sich und verlagerte ihren Kopf so, dass sie niemand sehen konnte. Kerstin rief Daniel noch ein ‚Das schaffst du auch bestimmt ohne mich.’ zu und verschwand mit Emilie im Wald.
„Was machst du bloß für Sachen?“ Kerstin packte Emilie noch fester.
„Tut mir leid.“
„Ist schon gut, du musst dich nicht entschuldigen. Ich hoffe nur, dass ich dich wieder hinbekomme.“ Ohne es zu bemerken, strich Kerstin ganz kurz über Emilies Bein. In Emilies Körper kribbelte es unglaublich. Sie fühlte sich so unsicher, doch wiederum so beschützt. Sie war vollkommen verwirrt. Sie war erschöpft und ließ sich langsam auf Kerstins Rücken sinken. Ein wohliger Schauer überkam beide und Kerstin hatte Mühe, Emilie festzuhalten.
„Kerstin?“ Emilie war so nah an ihrem Ohr, dass Kerstin erschrocken zusammenzuckte.
„Ja?“
„Danke.“ Emilies Stimme wurde immer leiser und schließlich schlief sie auf Kerstins Rücken ein.
Deren Frage ‚Wofür?’ bekam sie nur noch im Unterbewusstsein mit.
Kerstin legte sie vorsichtig auf ihre Matratze und holte aus dem Verbandszelt die nötigen Utensilien um Emilies Verletzungen zu behandeln. Sie tat alles, damit Emilie nicht aufwachte und hatte es desto schwerer sie zu verarzten. Sie wusch den Dreck aus den Schnittwunden und klebte auf die blutenden ein Pflaster. Danach untersuchte sie Emilie Fuß und fühlte, dass dieser tatsächlich verstaucht war. Sie schmierte eine Gelenksalbe drauf und versah ihn mit einem Verband.
Sie verließ Emilie und ging in das Küchenzelt, wo Mandy, Sue und Alain schon das Mittagsessen zubereiteten.
„Was machst du denn hier, Kerstin? Ich dachte, du wärst mit den anderen im Wald.“ Alle drei machten erstaunte Gesichter.
„Eine von ihnen hat sich den Fuß verstaucht, ich habe sie zurückgebracht und sie verarztet. Sie schläft.“ Ein mitfühlendes ‚Oh’ ging durch den Raum und Kerstin schüttete sich unterdessen ein Glas Grenadine ein.
„Was gibt es denn heute zu essen?“ Kerstin spickte in die kochenden Kessel und sah, dass heute Reis mit Hühnchenfleisch dran war.
„Finger weg.“ Sue schlug leicht mit dem Kochlöffel auf Kerstins Hand.
„Autsch. Lass das. Wollte mich doch nur vergewissern, ob ich das später auch wirklich essen kann. Bei euch weiß man ja nie!“
„Los, raus hier. So eine wie dich brauchen wir hier ganz sicher nicht!“ Alain gab ihr einen leichten Fußtritt und Kerstin verschwand aus dem Zelt. Sie ging zu Emilie, setzte sich neben sie und schaute ihr beim Schlafen zu. Sie hatte sich zur Seite gelegt und so konnte Kerstin nur ihren Rücken sehen, doch selbst jetzt musste sie sich zusammenreißen.
Emilie bewegte sich und drehte sich in ihre Richtung. Langsam machte sie ihre Augen auf und sah, dass Kerstin neben ihr saß und sie anschaute. Sie richtete sich so schnell wie nur eben möglich auf und straffte Kleidung sowie Haare, so gut wie es ihre Verletzungen erlaubten.
„Wie geht es dir?“, fragte ihr Gegenüber.
„Es ging mir schon mal besser.“ Emilie grinste und Kerstins Herz sprang vor Freude.
„Kannst du mir mal sagen, wie ich bitte diese Pflaster später wieder abbekommen soll ohne dass ich mir noch mehr weh tue?“ Emilie schaute entsetzt auf ihre Arme.
„Tja, da kann ich dir leider auch nicht helfen, das musste leider sein. Und dein Fuß?“ Emilie bewegte ihren Fuß ganz kurz ein wenig hin und her, hörte jedoch direkt wieder auf.
„Ich denke, da bin ich doch nicht so glimpflich weggekommen“, seufzte sie.
„Ja, er ist verstaucht. Ich denke, das wird einige Tage dauern. Du musst es wissen, du kannst hier bleiben oder nach Hause gehen. Zweites ist sicher besser, aber ...“
„Kommt gar nicht in Frage, ich bleibe hier. Ich habe mich nicht umsonst solange auf dieses Lager gefreut. Außerdem werd ich hier doch bestens versorgt!“
„Aber ...“ Und noch einmal wurde Kerstin unterbrochen.
„Kein ‚Aber’. Ich bleibe hier ... bei dir.“ Sie schaute kurz zu Kerstin, senkte dann aber ihren Kopf, da sie nicht wollte, dass diese sah, wie sie rot wurde.
„Ähm ... möchtest du etwas zum Trinken?“ Kerstin wurde diese Stille langsam unangenehm.„Sehr gerne. Dann könnte ich mich auch noch schnell umziehen, endlich aus diesen dreckigen Klamotten raus. Über den Boden zu kriechen macht wirklich keinen Spaß, das kann ich dir sagen!“ Beide mussten grinsen und Kerstin ging wieder zurück ins Küchenzelt.
„Du schon wieder?“ Sue drohte ihr lächelnd mit dem Kochlöffel.
„Ich hole nur schnell etwas Grenadine. Emilie ist wach und hat Durst.“
„Naja, gut, aber nur weil du es bist.“
„Ist ja gut, bin ja schon wieder weg.“
„Emilie? Kann ich reinkommen?“ Sie stand vor dem Zelt und wartete darauf, dass Emilie endlich fertig war mit dem Umziehen.
„Ein Moment noch ... o.k., du kannst. Entschuldige, dass es so lange gedauert hat.“
„Macht doch nichts. Ich stell dir das Glas neben deinem Bett.“
„Danke.“ Emilie humpelte Richtung Bett und verlor plötzlich das Gleichgewicht. Kerstin konnte sie noch gerade auffangen, flog jedoch mit ihr hin. Zum Glück war das Zelt so mit Matratzen gefüllt, dass Kerstin noch weich landen konnte. Sie hatte Emilie fest umklammert, so dass ihr nichts passieren konnte und auf ihr zu liegen kam nach dem Sturz.
„Tut mir leid. Entschuldigung. Ich wollte nicht ...“
„Ist doch nichts passiert.“
„Trotzdem, du hättest dir weh tun können. Wieso müssen solche Sachen aber auch immer mir passieren. Zuerst die Sache im Wald, dann das hier...“
Emilie hatte Tränen in den Augen und bemühte sich sehr, diese zu unterdrücken.
„Hey, ist schon o.k., wirklich. Nicht weinen, bitte.“ Emilie musste sich immer mehr anstrengen.„Was ist denn los? Das ist doch nicht nur deswegen. Emilie ...“
Emilie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten, sank zusammen und legte ihren Kopf auf Kerstins Schulter. Sie ließ ihren Tränen freien Lauf und verkrampfte sich um Kerstins Taille. „Kerstin ...“ Emilie schluchzte und Kerstin hielt sie weiterhin fest. Langsam beruhigte sich das Schluchzen und Emilie hörte nach und nach auf zu weinen.
„Ist wieder alles in Ordnung? Kann ich dir irgendwie helfen?“
Emilie hob ihren Kopf und schaute nun genau in Kerstins Gesicht, ihre Augen noch immer rot vom Weinen. Kerstin spürte ihren leisen Atem auf ihrer Haut und ihr Herz drohte zu zerspringen. Sie schaute nur noch Emilies wunderbare, himmelblaue Augen an und vergaß alles um sich herum.
Emilie war wie gelähmt. Sie starrte Kerstin an und brachte kein Wort heraus.
Je näher sich ihre beiden Gesichter kamen, desto mehr pochten ihre Herzen. Man konnte es sogar leise hören. Die Luft knisterte regelrecht vor Spannung und noch immer sagte keine etwas, sie kamen sich einfach nur näher.
Der Zelteingang wurde aufgerissen und Mary stand mittendrin. Kerstin und Emilie ließen direkt voneinander ab und Kerstin sprang mit einem Satz auf.
Dann bemerkten sie, dass es „nur“ Mary war.
„Oh, entschuldigt, ich wusste nicht ...“ Mary drehte sich um und wollte schon gehen.
„Ist schon gut, Mary. Bleib doch bitte.“ Emilie versuchte sich zu stellen, schaffte es jedoch nur mit Kerstins Hilfe. Ihre Gesichtsfarbe hatte sich in Sekundenschnelle von blass auf purpurrot gesteigert.
„Die anderen haben mir von deiner Verletzung erzählt, ich wollte schon die ganze Zeit kommen, durfte aber nicht. Das letzte Stück bin ich dann schon vorgelaufen. Die anderen kommen auch jetzt. Wie geht es dir?“
„Mir geht es schon besser, aber mein Fuß ist verstaucht. Vielen Dank, dass du schon vorher gekommen bist.“
„Kein Problem, muss doch meine beste Freundin vor den bösen Leitern beschützen.“ Sie grinste Kerstin an, die die ganze Zeit neben Emilie gestanden hatte, und diese wurde rot wie eine Tomate.
„Schon gut, ich merke, wenn ich unerwünscht bin.“ Sie versuchte alles zu überspielen, was ihr aber nicht ganz gelang.
„Es war nicht so gemeint ...“
„Danke, aber ich muss sowieso zu den anderen. Bis gleich also. Und Emilie ... schone bitte deinen Fuß, ja?“
„Mach ich, danke. Bis gleich.“ Beide schauten sich noch einmal in die Augen und Kerstin verschwand hinter dem Vorhang. Emilie setzte sich auf ihr Bett und schaute zu Mary, die sie breitgrinsend ansah.
„So schlecht scheint es dir ja doch nicht ergangen zu sein.“
„Hätte ich nicht den Fuß verstaucht, würde ich dir an den Hals springen! Einfach so herein-zuplatzen.“ Mary musste noch mehr grinsen.
„Stell dir mal vor, nicht ich, sondern ein Leiter oder jemand anders wäre dazwischengekommen!“
Da musste Emilie ihr Recht geben. Sie wollte gar nicht erst daran denken, was dann passiert wäre. Warum musste aber auch alles so kompliziert sein? Emilie wurde es langsam zu bunt.„Das sah ja eben so aus, als würdet ihr langsam, na du weißt schon ...“
„Denk, was du möchtest, ich sage nichts dazu!“
„Ja ja, wie immer.“
„Genau.“
Von draußen her vernahm man lautes Gerede und paar Sekunden später stand auch schon eine ganze Horde um Emilie, die sich verzweifelt gegen diesen Ansturm zu wehren versuchte. Es dauerte eine Weile, bis sie allen im kleinsten Detail erzählt hatte, wie sie sich verletzt hatte. Mary räumte in der Zwischenzeit schon ihren Schlafplatz auf.
Nachdem alle gegangen waren, konnte sich Emilie gerade mal fünf Minuten ausruhen, bevor es wieder zum Essen ging.
Mary stützte sie und Emilie hatte die größte Mühe, nicht den Berg runterzurollen. Richtige Prob-leme gab es dann, als sie sich an den Tisch setzen sollte. Alle schauten sie an, als sie sich normal hinsetzen wollte und merkte, dass es doch zu beschwerlich war. Deshalb mussten alle auf der Bank aufstehen, damit sie so direkt vor der Bank stand und sich bequem setzen konnte. Sie spürte die Blicke förmlich.
Kerstin und Emilie wagten es nicht, sich anzusehen; nach der Szene mit Mary. Das Mittagessen verlief sehr leise, da selbst Sven für einmal nichts zu sagen hatte oder die drei einfach nicht in ihren Überlegungen stören wollte.
„Hört ihr mir mal bitte alle zu?“, unterbrach Olli ihr Nachdenken. „Ihr könnt jetzt bis halb drei machen, was ihr wollt, doch unter der Bedingung, dass ihr die erste halbe Stunde in eurem Zelt bleibt, in Ruhe. Und falls ihr danach etwas anderes machen möchtet, kein Problem, doch wer unbedingt rauchen möchte, der geht bitte nicht in den Wald, sondern unten auf die Wiese.
Eigentlich hieß es, keine Zigaretten, aber bevor ihr beim heimlichen Rauchen im Wald was in Brand steckt, erlauben wir euch, unten zu rauchen, einverstanden?“ Ein erfreutes ‚Super!’ ging durch die Runde der Raucher und anschließend ging jeder Richtung Zelte.
Mary stützte ihre Freundin so gut sie konnte, damit Emilie so wenig Schmerzen wie möglich hatte. Sie ließ sie auf ihre Matratze plumpsen und legte sich neben sie.
„Und? Was machen wir jetzt?“
„Wäre es dir egal, wenn ich ein wenig schlafe? Ich bin total k.o.!“
„Schon gut, kein Problem, dann lese ich in der Zwischenzeit.“ Mary packte ihr Buch, hatte dann jedoch eine bessere Idee.
„Sag mal, was habt ihr beiden eigentlich eben gemacht, als ihr alleine ward?“ Mary wurde wieder neugieriger und Emilie verdrehte schon die Augen. Es schien so, als würde sie doch nicht schlafen.
„Was schon? Sie hat mich verarztet!“
„Ach, so nennst du das mittlerweile? Ja ja, diese Doktorspielchen heutzutage.“ Mary grinste bis über beide Ohren. Zum Glück konnte sie sich soweit beherrschen und flüsterte nur ganz leise.
„Mary, wo du immer dran denkst, meine Güte.“
„Na stimmt doch, das sah eben nicht so aus, als würde sie dich verarzten, es sei denn, sie wolle dich durch einen Kuss heilen. So etwas soll es geben, weißt du?“ Emilie griff nach ihrem Kopfkissen und schlug damit auf Mary ein. Diese bekam einen Lachkrampf und Emilie hatte alle Mühe, sie endlich wieder auf den Boden zu holen.
„Hahaha, guter Witz, muss ich schon sagen.“ Emilie verkreuzte die Arme und machte auf schmollend.
„Ach komm schon, war doch nicht böse gemeint, aber es stimmt. Ihr wolltet euch küssen, das musst du zugeben, also hatte ICH Recht.“
„Pf, denk doch, was du möchtest.“ Emilie drehte sich auf die andere Seite und schloss die Augen.
„Der Sieg ist mein“, witzelte Mary weiter, doch Emilie reagierte nicht.
‚Was mach’ ich jetzt bloß?’, fragte sich Emilie. ‚Ich wollte sie küssen, ich wollte eine Frau küssen! Was soll das? Das wollte ich doch sonst nie. Nie. Was werden die anderen sagen?
Meine Eltern? Verdammt, verdammt, verdammt. Und wie soll ich mich jetzt Kerstin gegenüber verhalten? Scheiße, verdammte Scheiße!’ Emilie war wieder den Tränen nahe, unterdrückte sie jedoch und versuchte zu schlafen.
„Emilie?“ Emilie merkte, wie jemand an ihr rüttelte. „Emilie? Werd endlich wach. Wir müssen gehen.“ Emilie versuchte ihre Augen aufzumachen, musste aber feststellen, dass sie dies nur unter großer Anstrengung schaffte.
„Wohin müssen wir denn, Mary?“
„Die Leiter haben gerufen. Ich denke, sie werden jetzt sagen, was wir im Nachmittag machen.“
„Können die nicht noch eine Stunde warten? Ich bin todmüde.“ Langsam raffte sie sich jedoch hoch, schaute nach, ob alles richtig saß und stützte sich auf Marys Schulter.
Sie setzten sich mit den anderen auf die Wiese und warteten ungeduldig auf Ollis Ansprache. Dieser ließ sie anscheinend extra lange warten, indem er den anderen Leitern noch einige Instruktionen gab. Die Leiter holten eine Kiste aus dem Leiterzelt und stellten sie neben Olli.
„Also gut, dieser Nachmittag gilt den Gesellschaftsspielen. In jedem Zelt wird mindestens ein Leiter sitzen, der mit euch spielen wird.“
„Super, dann kann ich mich wieder hinlegen. Ich bleib bei uns im Zelt. Und du?“
„Mal sehen. Kommt drauf an, in welchem Zelt Sven ist.“ Sie grinste Emilie an und diese musste lachen.
„Im Leiterzelt werden Lars und ich „Tabu“ spielen, im ersten Mädchenzelt Sandra und Jörg Flaschendrehen , im zweiten spielt Kerstin mit euch verschiedene Kartenspiele ...“
„Welch große Überraschung“, neckte Mary.
„Ruhe, du bist nicht besser.“
„ ... im ersten Jungenzelt bietet Philippe „Spiel des Lebens“ an, im zweiten werden Anne und Mike auch „Tabu“ spielen, da immer sehr viele daran interessiert sind, und zuletzt werden Sven und Daniel im Esszelt „Monopoly“ spielen. Dann mal los.“
Emilie war sich unschlüssig, ob sie wirklich zu ihr ins Zelt gehen sollte, oder in ein anderes Zelt ging. In beidem hätte sie sich legen können. Einerseits wollte sie in Kerstins Nähe sein, andererseits hatte sie seit dem Beinahe-Kuss panische Angst, sich vor ihr zu blamieren. Sie wusste, dass ihr dies beim Kartenspiel eigentlich nicht passieren konnte, aber trotzdem hatte sie Bedenken.
„Und? Wohin gehst du?“ , fragte Mary obwohl sie die Antwort schon kannte.
„Ich denke, ich werde es mal bei Kerstin versuchen.“ Marys Grinsen wurde noch breiter und Emilie hätte sich am liebsten selber einen Fußtritt gegeben, als sie bemerkte, was sie gesagt hatte.
„Du weißt ganz genau, was ich damit meine!“ Sauer versuchte Emilie den Berg hoch zum Zelt zu gehen.
„Ach komm schon, war nicht so gemeint. Warte, ich helfe dir.“
„Schon gut, danke, das schaff ich schon. Ich glaube, Sven wartet auf dich.“ Mary blieb stehen, schaute Emilie kurz hinterher und ging dann wieder zurück zum Esszelt.
„Na, wohin gehst du?“ Emilie spürte eine sanfte Hand auf ihrer Schulter und schreckte auf. „Oh, tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken.“ Kerstin hatte sich nun neben Emilie begeben und passte sich deren langsamen Schritten an.
„Ist schon gut, war nur gerade nicht so ganz dabei. Ich dachte, ich spiel mit euch Karten. Die anderen Spiele liegen mir nicht so und außerdem hab ich da meine eigene Matratze.“
„Freut mich.“ Emilie schaute sie verlegen an. Kerstin nahm die Kartenspiele in die linke Hand und legte ihr den rechten Arm um die Hüfte.
„Komm, ich stütz dich.“ Emilies Herz pochte und pochte, es wollte gar nicht mehr aufhören.
Zum Glück waren es nur mehr wenige Meter zum Zelt.
Irgendwie fand es Emilie schade, dass sich die Szene von eben nicht wiederholte, aber schließlich waren noch andere Personen im Zelt. Emilie setzte sich zu Vanessa und Selina, die es sich schon bequem gemacht hatten auf Emilies Matratze, und Kerstin setzte sich neben sie.
„Also, was wollt ihr spielen?“ Plötzlich brach ein Sturm von Antworten ein und Kerstin beschloss, eine andere Methode anzuwenden.
„Stop, so geht das nicht. Wer für Poker ist, der hebt bitte jetzt die Hand ...“ Sie zählte die Hände. „Das ist ja schon die Mehrheit, umso besser. Wer hat schon oft gepokert?“ Vanessa und zwei weitere hoben die Hände.
„Und wer noch nie?“ Katja und Emilie hoben langsam die Hände.
„Hmm, seid ihr damit einverstanden, wenn zwei von uns den beiden helfen?“ Ein zustimmendes Nicken genügte und Kerstin „verbannte“ Vanessa auf die gegenüberliegende Seite, um Katja zu helfen. Sie selbst rutschte noch näher zu Emilie und verteilte von dort aus die Karten.



copyright © by bloodyheart. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


mehr mehr meeeeeeeeeehr
is einfach göttlich!
Kleine_ - 09.08.2004 03:31
so..
bloodyheart - 07.08.2004 20:08
super!!!
blueorange87 - 07.08.2004 12:34
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Jette-NRW - 06.08.2004 21:58
mehr
Jette-NRW - 06.08.2004 21:58

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