Und dann traf ich dich (11)

von bloodynatou


Noch nie hatte sie solch ein Verlangen verspürt nach Liebe, Zärtlichkeit und ... Kerstin. Sie hatte nicht einmal geglaubt, dass es so etwas überhaupt gab. Sie hatte immer die Serien im Fernsehen verspottet, die es so darstellten, als wäre das Verlangen nacheinander so groß, dass man nicht widerstehen konnte.
Nun wurde sie eines Besseren gelehrt. Sofort hätte sie Kerstin mit in ihr Zelt genommen und hätte sie mit Küssen überhäuft, doch unter diesen Umständen ...
Kerstin schien es ähnlich zu gehen, das Verlangen war regelrecht in ihren Augen zu sehen. Glücklicherweise war es schon dunkel und niemand bemerkte es.
Der Abend neigte sich seinem Ende zu und alle wurden in ihre Zelte geschickt. Es kam allen ziemlich komisch vor, dass sie schon um zwölf Uhr ins Bett sollten und daher konnten sie sich denken, dass ein Nachtspiel auf dem Programm stand.
Emilie beugte sich um aufzustehen so, dass niemand etwas sehen konnte und gab Kerstin noch einen schnellen Kuss. Diese nahm sie dann auch prompt in die Arme und begleitete sie zum Zelt, ihren Arm immer um Emilie geschlungen. Sie hatten es schwer, sich voneinander zu trennen. Emilie nahm noch einmal Kerstins Hand und diese flüsterte ihr leise ‚Bis gleich!’ ins Ohr. Emilies Gesicht erhellte sich und Kerstin lächelte sie freudig an. Dann verließ sie sie und Emilie machte sich ans Ausziehen.
Sie war eine der wenigen, die sich umzogen und wuschen. Nach einiger Zeit kam sie ins Zelt zurück und sah, dass Mary schon in ihrem Schlafsack lag, noch immer in ihren normalen Klamotten. Sie legte sich neben sie in ihren eigenen und schaute sie fragend an, da Mary ziemlich traurig aussah.
„Ich wäre so gerne an deiner Stelle, Emilie. Das kannst du mir glauben.“
„Wieso denn das?“
„Du hast Kerstin die ganze Zeit bei dir, kannst sie berühren, sie küssen und ich? Ich darf nicht mal zu nah an Sven rankommen, sonst werde ich schon böse angefunkelt von den anderen Mädchen und bei uns wäre es wirklich zu auffällig. Doch du hast deinen Fuß als Ausrede und niemand fragt nach. Was würde ich dafür tun, nur noch ein einziges Mal Sven küssen zu können, ihn in meinen Armen zu halten ...“
Emilie hielt ihr behutsam die Hand vor dem Mund.
„Nicht so laut, wenn es geht.“
Mary hatte gar nicht bemerkt, dass sie vom Flüsterton ins Laute gewechselt war. Sie schaute sich verwirrt um und sah, dass die anderen zum Glück gerade eine hitzige Debatte über irgendeinen Star führten.
„Puh!“
Mary hielt sich die Hand vor die Brust.
„Das war knapp.“
„Allerdings. Du Depp!“
Emilie war sichtlich amüsiert über Mary.
„Aber was das angeht, was du mir gerade gesagt hast: ja, in der Sache hab ich wirklich sehr großes Glück, doch glaub mir, auch für mich ist es hart. Was meinst du, wie die anderen darauf reagieren werden? Nicht nur hier im Lager meine ich, sondern alle anderen, meine Eltern, die in der Schule und so? Sicher, ich habe nicht vor, es gleich rauszuposaunen, doch irgendwann erfahren sie es doch. Da hast du es viel viel einfacher, denn du wirst dann nicht als anomal abgetan und von sehr vielen gemieden. Deine Eltern haben nichts gegen ...“, sie schaute kurz zu den anderen, „du weißt, was ich meine! Glaubst du noch immer, ich habe es besser?“
Emilie schaute Mary fragend an, die etwas erstaunt und geschockt vor ihr saß. Erst nach kurzer Zeit fand sie ihre Stimme wieder.
„Es tut mir leid. So weit habe ich noch nicht gedacht. Das ist wirklich Mist. Was hast du denn jetzt vor?“
„Ich weiß es absolut nicht. Anfangs werde ich es auf jeden Fall geheim halten, doch das will ich nicht ewig machen müssen. „
„Und du bist sicher, dass deine Eltern das nicht akzeptieren werden?“
„Ich denke schon, so wie ich sie immer über die Menschen reden gehört habe.“