von Any1217
Ich hatte Thomas hintergangen und mit Marie geschlafen. Es hatte sich so gut angefühlt mit ihr. Doch jetzt übermannte mich mein schlechtes Gewissen und die Angst. Was sollte ich Thomas sagen? Er wusste nun, dass ich die Nacht bei Marie verbracht habe. Mit Sicherheit konnte er eins und eins zusammen zählen.
Ich steckte den Schlüssel ins Schloss und sperrte die Tür auf. Unbewusst hielt ich die Luft an und ließ sie erst wieder ausströmen, als ich ein zittriges: „Hallo?" in den leeren Flur rief. Mia war zum Glück noch bis heute Abend bei den Großeltern.
Ich hatte panische Angst, es schien als würde mir erst jetzt richtig bewusst werden, was ich gestern getan hatte. Es war eigentlich überhaupt nicht meine Art. Jemanden betrügen, ihn hintergehen oder anzulügen. Ich dachte immer, so etwas würde niemals in unserer Ehe passieren. Vor allem nicht, das ich diejenige bin. Ich schämte mich für mein Verhalten.
Da sich nichts im Haus rührte, rief ich erneut und etwas lauter: „Hallo? Thomas.. Ich bin wieder zu Hause". Doch auch jetzt bekam ich keine Antwort. Ein ungutes Gefühl beschlich mich.
Nach und nach ging ich alle Räume ab und rief dabei immer wieder nach Thomas. Doch er war unauffindbar. Wo war er? Hatte er sich aus dem Staub gemacht? War er so sauer auf mich, dass er einfach ging? Die Panik, die ich schon vorhin verspürte, steigerte sich.
Mehrmals versuchte ich Thomas auf dem Handy anzurufen, doch jedes Mal ging nur die Mailbox ran. Was hatte ich getan? War es das jetzt? Ist unsere Ehe kaputt, unsere Familie zerstört? Was erzähle ich nur Mia, wenn sie später gebracht wird?
Tränen stiegen mir in die Augen. Tränen der Verzweiflung, der Wut und Angst. Was sollte ich jetzt nur tun?
Ich ging ins Bad und ließ mir eine Badewanne ein. Mich jetzt verrückt zu machen, brachte auch nichts. Ich musste abwarten, bis sich Thomas meldete. Ich hoffte inständig, dass er das tat.
Ich stieg in die Wanne und schloss die Augen. Die wildesten Szenarien schossen mir durch den Kopf. Thomas, der das Sorgerecht für Mia erstreitet und weit weg zieht. Mia, die so unglücklich über unsere Trennung ist, dass sie nicht mehr spricht. Ich schloss meine Augen und versuchte mich zu beruhigen, was mir nicht gelang.
Dann dachte ich wieder an Marie. Auch wenn es ein Fehler war, Thomas zu hintergehen. Marie konnte kein Fehler sein. Mit ihr fühlte es sich alles richtig an. Nicht nur gestern Abend. Die ganze Zeit, wenn ich mit ihr zusammen war.
Mit meinen Gedanken bei Marie, entspannte ich mich allmählich etwas. Mein Verlangen war fürs Erste gestillt. Ich hatte unbeschreiblich schönen Sex mit ihr. Aber was blieb übrig? Wenn ich an Marie dachte, musste ich lächeln. Es kribbelte nach wie vor in meiner Magengegend. Es war diese Sehnsucht nach mehr. Liebevoll und zärtlich dachte ich an sie. Liebe.
Es war keine Verliebtheit mehr. Es war Liebe. Je mehr ich darüber nach dachte, umso sicherer wurde ich mir. Vor langem hatte ich mich in Marie verliebt, auch wenn es dauerte, bis ich mir das eingestehen konnte. Nun war Liebe daraus geworden. Ich wollte mit ihr zusammen sein, so oft es ging. Ich war niedergeschlagen und frustriert, wenn ich sie länger nicht sah. An ihrem schönen Gesicht konnte ich mich nicht satt sehen. Und ihr Lächeln.
Plötzlich wurde ich jäh aus meinen Gedanken gerissen, als Thomas die Tür zum Badezimmer aufriss. Ich erschrak furchtbar und fühlte mich in meinen Gedanken ertappt. Noch bevor Thomas etwas sagen konnte, stieg meine Panik von vorhin ruckartig ins unendliche. Mein Herz schien kurz auszusetzen und ich hielt die Luft an.
„Es tut mir sehr leid Lena", setzte Thomas an. Ich blickte fragend zu ihm auf. „Ich hätte dir Bescheid gegeben, aber ich habe mein Handy verloren". Ich verstand nur Bahnhof. Als er meinen verwirrten Blick sah, setzte er fort: „Ich weiß, ich wollte ja nicht über Nacht weg bleiben. Aber es hat sich so ergeben". Er zuckte entschuldigend mit den Schultern. Als ich immer noch nichts erwiderte, sagte er: „Es war einfach ein lustiger Abend. Obwohl ich ja Fahrer war, bin ich nicht umhin gekommen etwas zu trinken. Aus einem Bier wurden zwei, drei. Also, jedenfalls war ich nicht mehr so ganz in der Lage zu fahren und Johannes hat mir angeboten, bei ihm zu übernachten".
Langsam sah ich Verzweiflung in Thomas aufkommen. Da ich immer noch nichts gesagt hatte, musste er denken, ich wäre sauer auf ihn. Langsam ratterten die Zahnräder in meinem Kopf. Er war nicht zu Hause und hatte sein Handy verloren. Das heißt, er wusste nicht, dass ich ebenfalls über Nacht unterwegs war und hatte vermutlich auch meine SMS nicht mehr gelesen. Ein Lächeln machte sich auf meinem Gesicht breit.
Thomas schien sich zu entspannen, denn auch er lächelte. „Schon in Ordnung, Thomas. Ist doch nicht schlimm", sagte ich und atmete erleichtert aus. Zwar war ein Gespräch mit Thomas unausweichlich, dennoch stand es mir nicht jetzt bevor.
Thomas nickte und ließ mich im Bad alleine. Ich war so erleichtert, das ich hätte jubeln können. Entspannt genoss ich das Bad und widmete mich wieder meinen Gedanken an Marie.
Als wir am Nachmittag gemütlich auf der Couch saßen, bekam ich von Johannes eine Nachricht. Er hatte Thomas Handy gefunden. Innerlich verfluchte ich ihn und sagte Thomas Bescheid. Jetzt würde er die SMS doch noch lesen. Es sei denn, ich kam ihm zuvor und konnte sie löschen, bevor er sie sah. Fieberhaft überlegte ich mir einen Plan. Ich schlug Thomas vor, das Handy morgen nach der Arbeit ab zu holen und ihn anschließend in seiner Arbeit zu besuchen.
Glücklicherweise war er damit einverstanden, schließlich hatte ich ihn schon lange nicht mehr in der Arbeit besucht. Obwohl ich jetzt die Chance hatte, die SMS zu vertuschen, kam wieder Panik in mir auf. Ich musste mit Thomas reden. Wenn es irgendwie heraus kam – und ich war mir sicher, dass es das würde – bevor ich von mir aus alles beichtete, hatte ich keinen leichten Stand. Ich musste es unbedingt hinter mich bringen, auch wenn ich furchtbare Angst davor hatte.
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Any1217. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.