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Stories » Detail

Von einem Abend am Meer

von Taishi


Es ist Pfingsten genau ein Jahr her und irgendwie bekomme ich Lust, die Geschichte mal aufzuschreiben.
Vor fast anderthalb Jahren hat mir eine Freundin von dem Lesbenfrühlingstreffen, dem LFT, erzählt, von dem sie von Kommilitoninnen erfahren hatte. Ich hab nicht lang überlegt und obwohl ich von der Nordsee zur Ostsee musste, gleich zugesagt, mit ihr und noch anderen Freundinnen von ihr nach Rostock zu fahren.
Parallel dazu lernte ich im Internet auch ein ganz nettes Mädchen aus Berlin kennen, in das ich mich einbildete verliebt zu sein. Sie begann schon nach den ersten Tagen mir zu sagen, wie sehr sie mich mochte und ich hielt mich anfangs noch zurück doch mehr und mehr merkte ich, dass ich einfach nicht mehr allein sein wollte und ließ sie darunter leiden.
Wir haben uns nie gesehen und da sie vormittags Schule und ich meistens bis abends noch Uni hatte, blieb uns nur der Chat bis spät in die Nacht. Sie sagte ständig, dass sie mich lieben würde und jedes Mal bekam ich Bedenken, wie sie so etwas nur sagen könne, ohne mich richtig zu kennen. Vielleicht habe ich sie auch wirklich geliebt, zu mindest glaube ich, dass es doch ein Zeichen von Gefühlen für jemanden ist, wenn man weinend vor dem Chat sitzt, wenn man erfahren hat, dass sie sich wieder ins Bein geschnitten hat. Sie war Borderlinerin und hatte schon so einiges erlebt und vermutlich hatte ich auch deshalb Angst, sie wieder zu verlassen.
Dann kam das Wochenende des LFT in Rostock. Zu dem Zeitpunkt wusste noch keiner meiner Familie, dass ich lesbisch bin. Also was sage ich meinen Eltern? Offiziell habe ich meine Freundin in ihrer Unistadt besucht – was auch gar nicht ganz falsch war. Vor der Fahrt nach Rostock habe ich immerhin eine Nacht bei ihr übernachtet.
Am nächsten Morgen wollten wir um 7:04 Uhr im Zug nach Rostock sitzen, also wurde der Wecker auf sechs Uhr gestellt. Noch im morgendlichen Halbschlaf merkte ich auf einmal hektische Bewegungen auf der Matratze neben mir: „Nina! Es ist viertel vor sieben!“ Und schon war ich hellwach. Wir sprangen beide einfach nur noch aus dem Bett, stopften unsere Sachen in den Koffer und rannten los. Der Bahnhof war etwa eine viertel Stunde Fußweg entfernt.
Als wir es endlich zum Gleis geschafft hatten, sahen wir den Zug gerade wegfahren. Gemächlich schlenderten wir zurück zu ihrer Wohnung, der nächste Zug fuhr erst in zwei Stunden – immerhin genug Zeit zum Duschen und Frühstücken.
Anderthalb Stunden später saßen wir nun endlich im Zug und auf ging’s nach Rostock. Ein bisschen aufgeregt war ich ja schon, wen würde ich alles kennen lernen, was würde ich alles erleben ...
In Rostock angekommen waren unsere Mitreisenden, die im ersten Zug saßen, schon lange auf dem Unigelände, auf dem das LFT veranstaltet wurde. Wir mussten nun erst einmal unser Hostel suchen, an dem wir natürlich prompt vorbeigelaufen waren. Kaum waren die Taschen verstaut noch schnell frisch machen und auf geht’s, das Unigelände suchen – was sich als komplizierter herausstellte, als gedacht. Doch auch das sollte uns nicht davon abhalten, gerade noch rechtzeitig zu den Kennenlernspielen der Junglesben zu kommen. Alleine unter so vielen Gleichgesinnten zu sein, war für mich vom Land schon eine Erfahrung wert und einfach nur toll.
Über den Tag verteilt haben wir uns nach dem Kennenlernen verschiedene angebotene Workshops angesehen, die alle super interessant waren. Am besten kann ich mich noch an das Lachyoga erinnern. Ich hatte so was vorher noch nie gemacht, wollte ich aber schon immer mal ausprobieren, und es war einfach nur lustig und befreiend.
Auch am Abend wurde ein buntes Programm direkt an der Ostsee angeboten. Neben Theater und Konzerten verbrachte man dennoch die meiste Zeit beim leckeren Bier oder Cocktail in der Blue Lounge bei guter Musik und echt guten DJanes.
Der erste Abend war noch sehr neu für mich, man hat sich erst einmal umgesehen und mit neuen Gesichtern plaudern war an dem Abend leider auch noch nicht so. Vermutlich weil ich auch einfach zu schüchtern war, aber ich verbrachte den Abend mit meiner guten Freundin auf einem der bereitgestellten Sofas bei einem Likör 43 mit Milch.
Wir unterhielten uns über die dritte Lesbe aus unserer Clique zu Hause, und den Abend, bei dem wir uns gut angetrunken einfach mal alle gegenseitig geküsst haben – immer jeweils als die dritte auf Toilette war.
An dem Abend in Rostock fragte mich meine Freundin, wie die andere mich bei diesem Cocktailabend denn angesprochen hätte und meinte, sie hätte mich ganz stumpf gefragt. Das lief dann darauf hinaus, dass auch sie einfach mal fragte: „Darf ich dich küssen?“
Und so saßen wir küssend auf dem Sofa bei unserem Likör 43 mit Milch. So ein Abend wiederholte sich auch zu dritt noch einmal, wieder bei Likör 43 mit Milch – aber wir sind immer noch beste Freunde, Küssen macht einfach Spaß.
Der Abend auf dem LFT neigte sich schon relativ früh dem Ende, weil wir aufgrund der morgendlichen Aktivitäten mit dem Sprint zum Zug noch sehr müde waren.
Auch am nächsten Tag wohnten wir verschiedenen Workshops bei und verabredeten uns mit den anderen Junglesben am Abend an den Strand zu fahren.
Mit einer großen Gruppe von bestimmt 20 jungen Frauen waren wir also schließlich am Strand angekommen und hatten einfach Spaß zusammen, während die einen nackt ins kalte Wasser sprangen, wieder andere eine Frau aus Sand formten oder einfach Muscheln suchten und sich unterhielten.
Mit allen zusammen spielten wir noch einmal ein Kennenlernspiel vom Vortag, das irgendwann von Lachen und knurrenden Mägen gestört und unterbrochen wurde. Während die einen kollektiv zum Imbiss liefen um ihre Bäuche zu füllen, unterhielt ich mit sehr nett mit einem wunderhübschen Mädchen, während ich ihre Füße im Sand vergrub.
Mit einer kleinen Gruppe und ihr fuhren wir zurück zum Hafen, wo sich die Blue Lounge befand. Im Zug saß ich ihr gegenüber und auf dem Weg zu unserem Cocktail liefen wir die ganze Zeit nebeneinander, so dass wir unsere Unterhaltung nicht unterbrechen mussten. Auf dem Weg sagte sie mir irgendwann, ich solle ihr etwas von mir erzählen. Ohne wirklich nachzudenken antwortete ich ihr, ich sei ein Freak. Sie lachte laut auf und meinte nur, das würde ja passen, sie sei auch einer.
Als wir uns immer weiter unserer Abendlocation näherten, meinte sie, sie würde noch kurz in die Turnhalle gehen, in der sie mit ihrer Gruppe übernachtete, wir würden uns ja sicher wiedersehen. Ich weiß nicht wieso, aber ich hatte das Gefühl, dass es nicht so ein sein würde – doch nur eine Minute später trafen wir uns auf der Toilette an den Waschbecken. Ab da verbrachten wir den ganzen Abend zusammen.
Zuerst hörten wir uns noch ein Lied von dem Liveact an, der gerade in der Halle war, doch das war weder ihrer noch mein Musikgeschmack, also gingen wir an die frische Luft. Damit ich ihr auch ja folgte, griff sie im Gehen nach meiner Hand, die sie auch so schnell nicht wieder losließ.
In der Lounge lud ich sie dann auf einen Likör 43 ein, den sie bis dahin noch nie getrunken hatte. Nach zwei weiteren Drinks entfernten wir uns von unserer Gruppe und setzten uns mit einer erschnorrten Zigarette nach draußen – nur leider hatte keiner von uns ein Feuerzeug. Zum Glück zündete sich grad eine Frau vor uns eine an, worauf ich direkt aufsprang um sie zu fragen, ob ich ihr Feuerzeug kurz haben könnte – es war tatsächlich die Frontsängerin von Anatomie Bousculaire, die am Vorabend ein richtig tolles Konzert gegeben hatten. Bei unserer Zigarette saßen wir auf zwei Stühlen und schauten uns das Geschehen auf der Tanzfläche an und unterhielten uns über uns selbst und über Gott und die Welt. Weitere Stunden vergingen und wir setzten uns direkt ans Wasser, weiter weg von der Musik, um etwas ungestörter zu sein. Erst beobachteten wir das Treiben auf einem Bot relativ nah vor uns und schauten in den Sternenhimmel. Beide waren wir der Meinung, dass da ja fast zu lächerlich romantisch sei. Da ich eine kleine Frostbeule bin, begann ich zu zittern, obwohl es nicht sonderlich kalt war – was aber die perfekte Gelegenheit war, dass sie ihren Arm um mich lag. Unsere Unterhaltung unterbrach und wir sahen einfach nur was das dunkle Meer hinaus, in dem sich die Sterne spiegelten. Dann machte sie plötzlich Anzeichen aufstehen zu wollen. Da sie noch keine achtzehn war, musste sie eigentlich bis Mitternacht in der Turnhalle gewesen sein. Mitternacht war nun aber auch schon lange vorbei – wir hatten das Glück, dass wir den letzten Zug vom Strand zurück bekommen hatten, und ihre Aufpasserinnen noch ein paar Stunden auf einen nächsten warten mussten. Nun sollte es aber an der Zeit sein, dass sie unterwegs waren und ich mich scheinbar von ihr verabschieden müsste. Also gingen wir zurück in Richtung Lounge, wo ich den Rest meiner Gruppe, der scheinbar auch langsam den Standort wechseln wollte, schon stehen sah.
Ich weiß nicht, was ich dachte, ich wusste nur, sie ging mir zu schnell auf die Tür zu, von wo an wir nicht mehr alleine gewesen wären, also griff ich nach ihrer Hand und nuschelte, sie sei zu schnell und da drehte sie sich auch schon zu mir um und küsste mich. Es war ein wunderschöner Kuss.
Dann ging sie rein, und ich blieb bei meiner Gruppe stehen, die sich das Konzert in der anderen Halle anhören wollte, ich aber meine Tasche bei ihnen gelassen hatte. Ich entschuldigte mich, hing mir die Tasche um und folgte den anderen durch die Lounge wieder nach draußen in die andere Halle. Auf dem Weg dorthin lief sie mir auf einmal wieder entgegen und erzählte, weil das ihr letzter Abend hier sei, dürfte sie noch ein bisschen wach bleiben und Hand in Hand gingen wir noch was trinken.
Als nun der Verdacht wieder aufkeimte, dass sie sicher bald ins Bett geschickt werden würde, schlichen wir um das nebenstehende Gebäude, damit sie nicht so schnell von ihren Aufpasserinnen gefunden werden könne und wir küssten uns wieder. Sie streichelte mir über die Brust, ich ihr über ihren Hintern, hielt ihren Kopf, ließ meinen Kopf halten und genoss den Moment. Schließlich tauschten wir noch Nicknamen und Handynummern aus, wir wollten uns beide gegenseitig nicht gehen lassen.
Da unsere Verabschiedung nun gelaufen war, konnten wir auch wieder rein gehen und noch ein bisschen feiern, bis sie schlafen musste. Ich setzte mich noch einmal zu meiner Gruppe, die eher gelangweilt dreinschaute und tanzte mit meiner Freundin. Dann wurde noch ein Bier getrunken und sie kam wieder zu mir um mir mitzuteilen, sie müsse jetzt los. Gentlewomenlike brachte ich sie noch bis zu der Turnhalle und hielt sie mit einem langen Kuss davon ab, zu schnell durch die Tür zu verschwinden. Am nächsten Tag würde ich morgens schon wieder abreisen, also musste ich die Zeit nutzen. Wir standen bestimmt zehn Minuten nur eng umschlungen vor der Tür und „verabschiedeten“ uns.
Noch im Kuss hörte ich jemanden rufen: „Nina, wie würden dann los wollen!“ Am andern Ende des Gebäudes standen meine Zimmergenossinnen, die zurück zum Hostel wollten. Noch ein kurzer Kuss, die Treppe hinunter, noch einmal zurückschauen und den ganzen Weg zum Hostel ein ekliges Grinsen im Gesicht, das ich bei anderen Leuten immer so hasste.
Der nächste Morgen kam und ich wollte nicht abreisen, ich wollte noch einmal zurück und sie wiedersehen. Als wir auf den Zug warteten kam eine SMS von ihr: „War schön mit dir, gute Fahrt.“ Die Zugfahrt über schrieben wir uns noch weitere SMS, wie toll der gestrige Abend war, und was sie tat, was ich tat. Wir schrieben uns mehrer Monate lang SMS und über Facebook und Skype. Es war ein tolles Gefühl, vermisst zu werden und sich so sehr nach jemandem sehnen war auch eine Erfahrung wert, wenn auch nicht immer eine schöne.
Zu Hause wurde mir jedoch wieder bewusst, dass ich eigentlich eine Freundin in Berlin sitzen hatte. Das erste, was sie mir schrieb war, dass sie Angst hatte, ich hätte jemand anderes an dem Wochenende kennen gelernt und dass sie mich so sehr vermisst hatte. Ich konnte ihr nicht sagen, dass ich das ganze Wochenende nicht an sie gedacht hatte und dass ich doch nur von dieser einen Person vermisst werden wollte. Es brach mir schließlich selbst das Herz, als ich ihr sagen musste, dass ich mich in jemand anders verguckt hatte. Sie bettelte und fragte, ob das wirklich mein Ernst sein und schließlich war das letzte, was noch von ihr kam: „Keine Angst, ich bring mich nicht um.“
Seitdem habe ich nicht mehr wirklich an sie gedacht, bis ich jetzt diese Geschichte hier schreibe. Ich frag mich, ob ich sie wirklich geliebt habe ...
Nach meiner Bekanntschaft aus Rostock sehnte ich mich immer mehr und immer versuchten wir ein Wochenende zu planen, an dem ich sie doch mal besuchen kommen könnte, doch leider konnte sie mit Bayern nicht weiter weg wohnen von mir. Als sie schließlich nach Mainz zog wurde es doch etwas realistischer doch scheiterten die Planungen immer wieder an ihrer Arbeit und meinem Studium.
Die SMS hörten allerdings nicht auf. Als ich eines Nachmittags mit meinen besten Freundinnen zum Meer gefahren bin schrieb sie mir, dass sie grade Urlaub in Ravensburg machte, und wirklich nette Leute kennengelernt habe. Ich freute mich für sie doch hatte ich die ganze Zeit die Angst, sie hätte jemanden kennengelernt haben können, in den sie sich verlieben könnte.
Eines weiteren Nachmittags ungefähr eine Woche später hatte ich grade Mittagspause in meinem Grundpraktikum von der Uni aus uns saß mit meinen Betreuerinnen in der Küche und aß mein Brot, als ich sah, dass ich wieder eine SMS von ihr hatte. Sie schrieb ganz aufgeregt, dass sie jemanden kennengelernt habe, mit dem es auch ernster werden könne – damit war der Tag für mich gelaufen. Ich hatte noch keine Lust ihr zu antworten. Ich musste nur daran denken, dass ich jetzt mit dieser Stimmung noch vier Stunden mit den Kleinen spielen durfte – ich hatte zu der Zeit ein Praktikum in einer Kinderkrippe gemacht. Doch auch solche Tage gehen vorbei und am Abend schrieb ich ihr, wie sehr ich mich für die freuen würde.





copyright © by Taishi. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


irgendwie
irgendwie, hatte ich beim lesen dieser geschichte, die ganze zeit über, ein trauriges gefühl.
Luxiva - 19.07.2012 18:23

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