WAR / Bis gleich, my love

von jools


Die toten Schwäne treiben wie Eisschollen auf dem dampfenden Fluss. Dertrügerischen Illusion dieses Bildes fällt niemand mehr zum Opfer. Wer könnteauch noch fallen? Längst liegen wir am Boden. Opfer unserer selbst wissen wir,dass die brütende Hitze, die seit den Bomben unsere Atmosphäre füllt, nie wiedereinen Winter zulassen wird. Dennoch weiden sich die Augen am Trugbild auf demFluss. Für einen kurzen Moment lebe ich in der Erinnerung des letzten Schnees.Und in dieser Ewigkeit bist du wieder bei mir. Dein Lächeln, dein Lachen, deineArme um mich und deine Wärme auf meiner Haut. Für die Ewigkeit eines Augenblicksdarf ich noch einmal unser Glück auf dieser Welt spüren.

Die Schwäne treiben vorbei und hinterlassen neben dem silberweißen Echo derVergangenheit nur deine tote Hülle in meinen Armen. Nie habe ich mich so alleingefühlt. Wahrscheinlich war ich noch nie so allein. Die Stadt um mich herumschweigt. Jedes Lebewesen ist verstummt seit die letzte Welle uns auf unsererSuche nach den letzten Lauten überrascht hat. Wir haben sie heranrollen sehen,beobachtet, wie in ihrer giftigen Hitze ein Vogel vom Himmel fiel und die Luftsich füllte mit Tod. Mehr Tod. Du hast mich hinter eine Mauer gezogen, mich indeine Arme genommen und mir durch den Schild deines Körpers weitere Atemzügegeschenkt. Es fällt mir schwer, nicht undankbar zu sein. Wie viel lieber hätteich gemeinsam mit dir die grüne Tablette geschluckt und mich mit dir in d i eEwigkeit geatmet, die länger als einen Augenblick dauert. So aber habe ich dichgehalten, als du gegangen bist, und ich bin dankbar, dass ich dir dabei in dieAugen sehen und dir meine Liebe als Wegbegleiter mitgeben konnte. Ich weiß, dassdu auf mich wartest. Ich weiß, dass es nur die grüne Pille ist, die unsvoneinander und mich von großen Verstehen trennt. Das hast du mir versprochen,wenn ich nach dem Sinn fragte. Noch quält mich das Nicht-Begreifen. Wie oftsaßen wir fassungslos vor der Informationsmaschinerie, die uns in immer neuenSuperlativen von der Notwendigkeit und dem Sinn dieses Wahnsinns zu überzeugenwollte. Wessen Entscheidung war es gewesen? Bis zu welchem Gedanken in wessenKopf hätte es noch ein Zurück gegeben? Wann hatte die Automation des Untergangsbegonnen? Ich ziehe deinen Körper näher an mich. Ich weiß genau, was du jetzttun würdest. Du würdest mich anlächeln und mir sagen, ich solle aus meinemGedankenhamsterrad herauskommen. Ich habe Sehnsucht nach dir.

Die Spucke sammelt sich nur langsam in meinem Mund, während ich dir dieverschwitzten Strähnen ein letztes Mal aus der Stirn streichle. Ich werdeungeduldig und will doch sicher sein, dass mir der Tod nicht im Hals steckenbleibt. Also warte ich. Warte. Und schlucke schließlich die Erlösung. Ich legemich hin, bette deinen Kopf an meine Schulter, dein Gesicht an meine Brustgelehnt. Ich weiß, wie gerne du hier gelegen hast. Ich liebte es, so mit direinzuschlafen. Ich wende mein Gesicht nach Westen, wo die Sonne durch dasgrünlich-gelbe Gift Richtung Horizont sinkt. Ich bin mir sicher, dass die Sonneheute zum letzten Mal über der Menschheit untergeht. Und ich bin mir sicher,dass ich dein Lachen von drüben hören kann. Ich weiß, was du mir sagen willst: "Du kannst ja so pathetisch sein, Geliebte!" Ich weiß.