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War es das?

von prophecy


Die Arme hinterm Kopf verschränkt, starrte ich an die Decke. Draußen war es schon dunkel und die Uhr zeigte auch schon eine Uhrzeit an, zu der viele Leute ins Bett gehen. Bei uns aber nicht. Bei uns beiden in diesem Zimmer nicht. Ich weiß nicht genau, was wir hier machten. Wir hatten einen Film angesehen, da war noch alles okay gewesen, doch jetzt herrschte eisige Kälte zwischen uns. Und der Auslöser? Ich weiß es nicht. Auf einmal war sie da. Diese Kälte. Vielleicht waren es ihre Scherze, gepaart mit meiner Anspannung, sodass ich sie nicht wirklich mehr verstand. Oder wollte ich sie nicht verstehen? Habe ich sie absichtlich falsch gedeutet?
Ich weiß, was sie damit meinte, wenn sie sagt, ich kann doch gehen. Aber wenn sie dies innerhalb weniger Minuten um die zehnmal zu dir sagt, glaubt man es doch irgendwann. Wenn man jemanden tausendmal innerhalb weniger Minuten erzählt, dass eine runde Kugel Ecken hat, glaubt man dies auch. Ich war ernsthaft am überlegen, ob ich nicht wirklich gehen sollte.

Zu dieser Anspannung kam auch noch die Erinnerung von dem Abend zwei Tage vorher dazu.
Bin ich ihr fremdgegangen, nur weil ich mit ihm getanzt hatte? Weil ich seine Hand gehalten hatte? Weil er sich von hinten an mich gepresst hatte? Weil er mein Oberteil bis zum BH-Ansatz nach oben geschoben hatte? Mir kam es nicht wie fremdgehen vor, doch meine Freundinnen hatten mir diesen Gedanken ins Gehirn gepflanzt. Und ich zweifle schnell. Bin ich ihr fremdgegangen?
Ich hatte ihn jedes Mal zurück gewiesen, bevor es zu weit ging. Hatte ich ihn zu spät zurück gewiesen?

Ich hatte ihr am frühen Abend davon erzählt. Auch, dass ich mir vorgestellt hatte, dass ich mit ihr getanzt hatte. Nicht mit Matze, sondern mit ihr. Doch sie konnte an dem Abend nicht mitgehen, deswegen habe ich mich mit anderen amüsiert.
Nicht in der Art amüsiert. Ich habe nur getanzt, mehr nicht. Er wollte mich auch küssen, doch ich habe ihm gesagt, dass ich nicht fremdgehe. Der Gedanke bereitet mir Magengrummeln. Fremdgehen. Für mich ist das ein Zeichen, dass einem die Gefühle nicht so wichtig sind wie Triebe.
Jedenfalls hatte sie selbst gesagt, dass ich ihr nicht fremdgegangen war. Sie meinte, dass ich wüsste, wo meine Grenzen seien. Dass sie mir vertraue. Dennoch kann ich diesen Abend nicht einfach vergessen. Immer und immer wieder muss ich daran denken und jedes Mal habe ich wieder ein schlechtes Gewissen. Auch wenn nichts passiert ist.

Ich konnte einfach nicht mehr ruhig liegen bleiben. Ich sprang auf und rannte aufs Klo. Mehr wegen der Bewegung als dem Drang meiner Harnblase, obwohl diese sich auch schon zu Wort gemeldet hatte.

Als ich wieder das Zimmer betrat, war alles unverändert. Sie lag immer noch auf dem Bauch, Kopf auf dem Kissen, und starrte ihren Kleiderschrank an.
Ich kletterte wieder ins Bett und lehnte mich nun an die Wand. Ich sah sie an, doch sie bewegte sich nicht. Insgeheim wünschte ich mir, dass sie was sagen würde. Irgendwas wie „Warum sind wir so leise?“ oder „Tut mir leid wegen diesen doofen Witzen“ oder ganz einfach „Lass uns ins Bett gehen“.
Doch sie sagte Garnichts. Dies war der Normalzustand. Ihr Normalzustand. Und ich wusste es, kannte es. Trotzdem verfluchte ich ihre Sturheit in diesem Moment. Wie so oft.
Ich musste an ein Gespräch an vorherige Woche zurück denken. Wir hatten Streit mit einer Freundin und sie hatte an dem Abend davor mit ihr im Chat geschrieben. Sie meinte, sie war ihr ein wenig in den Arsch gekrochen. Darauf habe ich nur gemeint, dass sie bei mir immer stur war. Dass immer ich diejenige war, die nachgab. Sie lachte deswegen und ich hatte dann nur grinsend gemeint, dass sie mich wohl gerne vor ihr auf den Knien hat. Dafür erntete ich ein verzweifeltes Stöhnen und einen belustigten Seitenblick von ihr.
Es war immer so, dass ich nachgab, egal wo, ich konnte Schweigen nicht ausstehen. Oft redete ich mit der Wand, wenn es mir zu leise war. Nur damit ich Stimmen hörte. Und wenn es meine eigene war, die über die Schule redete.

Wieder regte sie sich. Sie wandte sich mir zu, eingekugelt und starrte auf ihre Hand, die vor ihr auf dem Kissen lag. Ich bezweifle, dass sie sehen kann, dass ich sie beobachte. Schließlich war es zu dunkel. Ich konnte auch nur die Lichtreflexe derLeuchtkette in ihren Augen erkennen.
Dann war wieder alles ruhig. Man konnte nur die Uhr hören, die in ihrem Schrank war. Die Uhr, die ich schon so oft verflucht hatte, weil sie immer zeigte, dass ich schon wieder zu spät nach Hause kam.
Nicht selten ließ ich die Frage fallen, ob die Uhr nicht falsch ginge. Ich hatte oft das Gefühl, dass es viel früher sein musste, als die Uhr anzeigte. Bevor man sich versah, war es schon elf Uhr nachts oder zwei Uhr am nächsten Nachmittag. Und eigentlich sollte man etwa zwei Stunden vorher schon daheim sein.
Doch irgendwie liebte ich diese Uhr. Sie war nicht besonders, weiß, wie jede zweite Wanduhr. Und rund, mit schwarzen Zahlen und einem Sekundenzeiger.
Doch ich liebte sie. Vielleicht weil sie wie ein Messgerät war.
Es heißt doch immer, dass die Zeit schneller verging, wenn man sich gut verstand, wenn man sich amüsierte. Schon bei unserem ersten Treffen hatte ich das Gefühl, dass die Uhr einen Schlag hatte. Ich war nervös gewesen, war unsicher gewesen, worüber wir reden könnten. Doch die Unsicherheit war unnötig gewesen. Sechs Stunden hatten wir durch geredet und mir kamen diese Stunden nur wie zwei vor. Wenn überhaupt. Ist das nicht damals schon ein Zeichen gewesen?

Und nun diese Kälte zwischen uns. Und diese Stille…

„Warum schweigen wir uns an?“, fragte ich endlich nach einer halben Ewigkeit.

Sie antwortete nicht sofort, sondern setzte sich an das Fußende ihres Bettes und fuhr sich mit der Hand über ihre Augen. Sie vermied den Augenkontakt mit mir und fixierte lieber den Boden.

„Wir sind einfach nur müde. Wir sollten schlafen gehen.“

Ihre Worte versetzten mir ein Stich ins Herz. Glaubte sie wirklich, dass wir nur müde sind? Die Tränen brannten mir schon in den Augen, doch ich blinzelte sie zurück. Es war vielleicht nicht der richtige Moment, um loszuheulen.

Wir saßen nun beide etwas untätig auf dem Bett. Schließlich deutete ich mit meinem Kopf zur Tür.

„Geh du zuerst ins Bad.“

Sie lauschte kurz, ob jemand im Bad war und verließ dann das Zimmer. Noch immer sah sie mich nicht an.

Es dauerte nicht lange, bis sie wieder kam. Gerade genug Zeit, um auf meinem Handy ein Wecker für den nächsten Morgen zu stellen.
Sie setzte sich wieder aufs Bett und wartete. Ich zögerte erst, in der Hoffnung, dass sie was sagen würde, doch sie sagte nichts. Ich griff mir meine Tasche und verließ das Zimmer.
Ich muss zugeben, als ich zum Bad ging, sah ich die Eingangstür. Für einen kleinen Augenblick dachte ich daran, einfach nach Hause zu fahren.
Ich trat in das Bad und zog mich aus. Ich hatte nur leider meinen Schlüssel im Zimmer gelassen. Jedenfalls glaubte ich es solange, bis ich meinen Schlafanzug aus der Tasche kramte und mir meine Schlüssel in die Hände fielen. Ich starrte ihn an und war mir unsicherer denn je. Sollte ich…?
Ich zog mir meinen Schlafanzug an und putzte mir die Zähne. Nein…

Sie lag schon im Bett, es war nur noch die große Lichterkette über ihrem Schrank an. Ich trank noch einen Schluck Wasser, eher um Zeit zu schinden als aus Bedürfnis. Dann kroch ich links neben ihr ins Bett. Ganz im Gegensatz zu meinem normalen Verhalten kuschelte ich mich nicht an sie, sondern hielt wenige Zentimeter Abstand zwischen uns. Was nicht so leicht war mit nur einer Decke.
Sie beugte sich rüber und löschte die Lichterkette. Als sie sich wieder hinlegte, berührte ihr Arm meine Hände. War das Absicht von ihr…?

Die Anspannung in mir war bis ins Unermessliche gestiegen. Ich hasste es, ich zitterte. Ich bin mir nicht wirklich sicher, was über mich gekommen war. Vermutlich war es einfach zu viel gewesen in letzter Zeit. Die Anspannung übermannte mich. Ich konnte mich nicht mehr kontrollieren und zitterte unaufhaltsam. Spürte sie denn garnichts? War es ihr denn egal?

Nach etwa einer Minute hielt ich es nicht mehr aus.

„Muss der Abend denn wirklich so enden?“

Ihre Antwort verstand ich nicht wirklich. Es klang wie ein „Ich weiß es nicht“, aber ich bin mir nicht sicher.
Wieder herrschte Stille zwischen uns. Irgendetwas sagte mir, dass ich etwas sagen musste.

Tränen flossen über meine Nase und tropften ins Kissen. Ich schniefte leicht.
Nach wenigen Sekunden, die mir wie eine halbe Ewigkeit vorkamen, spürte ich leichte Bewegungen und schließlich zwei Hände, die mich zu ihr zogen. Sie positionierte mich halb auf ihr drauf, mein Kopf auf ihrem Schlüsselbein direkt unter ihrem Kinn und hielt mich fest.
Ich weinte weiter, bis ihr Oberteil nass war, doch sie reagierte nicht darauf. Sie strich mir nur immer und immer wieder über den Rücken. Dann schob sie mich leicht von ihr und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.


Ab da lief es wieder besser. Wir redeten die ganze Nacht, erzählten uns Gedanken, die uns beschäftigten oder sagten uns, was wir an unserer Beziehung besser machen sollten.
Die Nacht ist jetzt selbst nach 6 Monaten immer noch genauso präsent wie damals und wenn diese nicht gewesen wäre, würden wir uns jetzt nicht so Nahe stehen wie wir es jetzt tun. Auch wenn wir uns inzwischen getrennt haben.
Wir sind beste Freunde, können uns immer vertrauen und wohnen jetzt auch zusammen. Auch wenn diese Beziehung den Bach runter gegangen ist, ich glaube, ich hätte es mir nicht anders gewünscht, was in unserer Beziehung passiert ist. Ich habe meine Seelenverwandte getroffen und mich das erste Mal einer Person wirklich geöffnet.
Ich danke dir dafür. Du bist und bleibst meine Beste <3




copyright © by prophecy. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.





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