Was aus Smalltalk alles werden kann (5)

von Mellimi


"Du liebst sie?", fragt Katja erstaunt. Diesen Satz hab ich bisher noch nie benutzt und ich wollte ihn mir für einen ganz besonderen Moment aufbewahren. Scheinbar ist dieser Augenblick jetzt gekommen. Derartige Gefühle hatte ich bis jetzt noch für niemanden. Sie sind einfach unbeschreiblich.
Wie ein Schatten laufen immer Hirngespinste über Sarah neben mir her. Morgens mein erster Gedanke: Sarah. Sie ist nicht da. Ich kann sie nicht haben. Ich hasse das. Ich hasse das mehr als Rotwerden. Mehr als den Winter. Mit ihr zusammen könnte ich den Sommer vergessen, ein Rothäuter werden und Spinat essen, bis ich umfalle. Ich würde alles tun, nur um zu sehen, dass sie glücklich ist.
Das Allerbeste wär es natürlich aber, wenn ich ihr dieses Glück schenken könnte und mit ihr zusammen erleben könnte. Aber es gibt nur 7 Weltwunder und mehr werden’s auch nicht.
Von daher sollte ich das alles vergessen. Ich habe mir immer gewünscht, die große Liebe zu finden und jetzt? Jetzt, wo ich meine, daran geschnuppert zu haben, will ich wieder zurück zu den einfachen Schwärmereien, oder vielleicht sogar meinen Sinn für die Liebe und für Romantik ganz ausschalten.
Die wahre Liebe ist ja schön und gut, aber wenn du sie nicht erreichen kannst, sitzt der Schmerz um so tiefer.
Aber halt. Wahre Liebe ? Kann wahre Liebe auch nicht wahr werden ? Oder bedeutet das, dass wahre Liebe immer wahr wird ? Aber dann ist das ja gar keine wahre Liebe ? Oder hab ich eventuell doch eine Chance ? Hilfe !! Ich kann nicht mehr. Möchte mich einfach in mein Bett verkriechen und auf bessere Zeiten warten.
Ich bin ein Angsthase. Ich kann keine Schmerzen aushalten. Ich weiß. Aber ist es denn so schlimm ? Wäre es nicht schlimmer, wenn man das alles an sich vorbeiziehen lassen könnte ohne davon Notiz zu nehmen ? Oder wenn man gar keine Gefühle hätte ?
Ich bin jetzt wieder im Unterricht. Kunst mal wieder. Das ach so tolle Fach, in dem ich ihre Nähe spüren muss, nach der ich eigentlich süchtig bin und die doch so weh tut.
Heute bekommen wir einen Arbeitsauftrag. Gruppenarbeit ist angesagt. Werbefotografie ist das Thema und wir müssen immer in Pärchen ein Verkaufsobjekt bearbeiten. Aber zuerst werden Gruppen eingeteilt. Von der hinteren Reihe kommen gleich mehrere Anfragen an meine Banknachbarin, aber sie kümmert sich nicht darum und fragt mich, ob ich ihre Partnerin sein will. "Aber sicher will ich!" Schade, dass es bei dieser Frage nur um das Spiel geht, aber dennoch kicher ich in mich hinein. Scheinbar hat sie schon gemerkt, was an denen dran ist. Macho nach außen, unsicherer Kerl nach innen und beides nicht das, was frau will. Denke ich jedenfalls. Ich weiß ja nicht, was die richtigen Frauen wollen. Also die Frauen, die auf Männer abfahren. Mit mir kann man das ja nicht vergleichen. Oder doch ?
Um die Gruppenarbeit fairer zu gestalten, entscheidet das Los über den Gegenstand, für den man die Werbung erstellen soll. Hm. Mir wäre alles recht gewesen. Ob Butter, Autos oder Jamba-Klingeltöne, ich hätte mit allem umgehen können, aber Dessous ? Irgendwo eine versteckte Kamera ? Muss denn unser Thema genau darauf gelenkt werden ? Und was soll man bitte dabei fotografieren ? Was denkt sich der Lehrer bitte dabei, ein solches Thema zur Aufgabe zu stellen ? Ich glaube, nichts. Oder er will sich daran erfreuen. Am Ergebnis. Vielleicht schlägt er uns demnächst auch noch vor, Fotos in Unterwäsche zu machen. Wirksam wär’s. Auch wirksam für mich. Ich könnte das nicht heil überstehen.
Ich glaub, ich würde ausflippen, wenn ich sie nackt sehen würde, oder auch nur fast nackt. Ich hab vor einigen Tagen schon absichtlich die ersten beiden Stunden geschwänzt, nur um sie im Schulschwimmen nicht sehen zu müssen. In ihrem Bikini würde sie mir den Rest geben.
Und jetzt das. "Schönes Thema, findest du nicht ? Wollen wir uns nicht mal in den Weihnachtsferien treffen, und schon mal damit anfangen?" So reisst sich mich aus meinen Überlegungen und ich kann nur noch ein "Jaja, schönes Thema..." vor mich hinmurmeln. Ein bisschen irritiert schaut sie mich an, schlägt aber trotzdem, das Ziel im Auge behaltend, ihren Kalender auf, um zu schauen wann sie Zeit hat. "Eigentlich immer.", fährt sie fort und ich lasse mich endlich dazu motivieren, einen "Termin" auszumachen.
Dieser besagte Termin war ein verschneiter Traum-Wintertag zwischen Weihnachten und Silvester.