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Was aus Smalltalk alles werden kann (7)

von Mellimi


Noch immer sprachlos über das, was gerade passiert ist, liege ich regungslos da und mache keine Anstalten sie davon abzuhalten. Sie ist dabei ihre Sachen zu packen, um dieser für sie scheinbar peinlichen Situation möglichst schnell zu entfliehen.
Mit einem "Bitte verzeih mir" schnappt sie ihre Kamera und huscht durch die Tür. Und weg ist sie. Und ich sitze hier mit all meinen Fragen. Was sollte das ? Wie geht’s jetzt weiter ? Wird das unser Verhältnis belasten ? Ich weiß einfach nicht weiter. Mir kommt das immer noch vor wie ein schlechter Scherz.
Ich bin schuld. Ich hätte ihr nicht anbieten sollen, dass sie bei mir übernachtet. Das war von Anfang an eine dumme Idee. Ich hätte es wissen müssen. Und jetzt ist sie weg. Wahrscheinlich wird sie kein Wort mehr mit mir wechseln wollen. Ich würde am liebsten im Erdboden versinken oder noch besser: Alles einfach rückgängig machen. Leider hab ich da keine Chance. Es ist passiert. Und daran kann ich nichts ändern.
Ihr Kuss brennt immer noch auf meinen Lippen. Langsam fahre ich mit meiner Zunge über meine Unterlippe und versuche mich in die Lage, in der ich noch vor ein paar Minuten war, zurückzuversetzen. Es gelingt mir nicht. Traurig sitze ich da und seh noch einmal unsere erste Begegnung vor meinen Augen ablaufen. Jetzt ist es aus. So leicht ist es also, eine Freundschaft zu zerstören.
Unschlüssig, was ich jetzt machen sollte, sitze ich noch immer bewegungslos da.
Und so bleibe ich einfach sitzen. Beobachte wie sich der Sekundenzeiger meiner Uhr in Zeitlupe zwischen den Zahlen bewegt. Hypnotisiere gelegentlich das Telefon, als ob ich deinen Anruf erzwingen wollte. Ich wünsche mir, du würdest anrufen, mit der gleichen Entspanntheit mit mir reden, wie bei unserer ersten Verabredung und wie gestern. Ich wünsche mir, dass einfach alles wieder so ist wie vorher. Aber nichts ist wie vorher. Wir haben uns geküsst. Und du hast es bereut.
Die restlichen Weihnachtsferien verbringe ich gedankenverloren und blass wie ein Gespenst. So lange ist mir die schulfreie Zeit noch nie vorgekommen.
Schließlich kommt der erste Schultag im neuen Jahr doch, ich hab schon fast nicht mehr damit gerechnet. Auf der einen Seite spüre ich eine gewisse Freude in mir, ich will dich wieder sehen, aber ich hab auch Angst.
Angst davor, dass meine Befürchtungen berechtigt sein könnten. Und das sind sie wirklich.
Die ganzen Ferien seit ihrem überstürzten Aufbruch hab ich nichts mehr von ihr gehört und mich auch selbst nicht bei ihr gemeldet. So fällt auch unsere erste Begegnung ziemlich kalt aus.
Mich bemerkt sie zunächst gar nicht. Zur Begrüßung umarmt sie erst mal alle Anderen, die in meinem Umfeld rumstehen. Dann entdeckt sie mich, bleibt in einiger Entfernung direkt vor mir stehen und sieht mir in die Augen. In ihren dunklen Augen spiegelt sich unser Kuss in einer eisigen Ausgabe wider. Ihr Blick fordert von mir eine Erklärung, ruft meine Schuldgefühle wieder hervor. Ich kann ihn nicht mehr ertragen, muss ihm seitlich nach unten ausweichen. Aus mir quält sich ein leises "Hallo" hervor, dann wende ich mich ab und gehe ziellos in eine Richtung davon.
Ich hab es gewusst, es war falsch.
Erste Stunde, es war ja wieder Montag, Kunst. Kunst neben dem wundervollsten Mädchen, meiner großen Liebe, die mich geküsst hat. Und die es bereut hat.
Alle gehen gleich geschäftig an ihre Arbeit, haben Kameras dabei und ihre Objekte, die sie anpreisen sollen. Nur wir beide sitzen da wie zwei begossene Pudel, ohne auch nur irgendeinen Ton von uns zu geben oder einen Seitenblick zu riskieren. Wir starren nur vor uns hin und tun so, als wäre das genau das, wozu wir hergekommen sind. In dieser Art und Weise schaffen wir es, die erste Viertelstunde zu überbrücken. Keinem fällt bis dahin etwas auf, doch dann erinnert uns unser Lehrer daran, dass wir nicht unbegrenzt Zeit haben.
Endlich. Gleichzeitig drehen wir unsere Köpfe zueinander. Ich schaue sie aber nicht direkt an, das kann ich nicht. Mein Blick ist auf einen Punkt in der Luft gerichtet.
"Gehen wir mal raus?" Oh, jetzt sagt sie mir gleich, was Sache ist. Jetzt will sie mit mir über das Geschehene reden. Aber ich möchte nicht, und dennoch willige ich ein und verlasse mit ihr das Klassenzimmer.
Ohne ein Wort zu sagen, legen wir den Weg bis zur Hausaufgabenecke zurück und setzen uns dort auf einen der vielen unbelegten Tische. Zunächst warte ich darauf, dass sie anfängt zu reden, aber es tut sich nichts. Sie gibt keinen Ton von sich und so macht sich stattdessen mein Mund selbstständig. "Es war ein Fehler, können wir nicht ..." Doch sie hört mir gar nicht zu, denn genau im selben Augenblick sprudelt es auch aus ihr hervor. Ich hab nicht exakt verstanden, was sie gesagt hat, sie meint, dass unsere Dessous-Bilder wunderschön sind und dass sie mir eine Cd davon brennen will. Sie sähen wirklich klasse aus. Wirklich ? Naja. Das muss sie jetzt ja sagen. Es wäre verletzend, wenn sie die Wahrheit sagen würde. Die Wahrheit, dass es keinen Spaß gemacht hat, sondern Zeitverschwendung war und dass die Bilder einfach nichts geworden sind, was man in eine Kunstarbeit einbringen könnte.
"Ich glaube, die sollten wir aber trotzdem nicht für unsere Kunstarbeit verwenden. Die sind zu besonders." Na hab ich‘s doch gesagt ! Die Bilder sind einfach zu hässlich, zumindest meine. Mit denen kann man keine Kunden anlocken. Niemals. Ich hab’s gleich gewusst. Mürrisch stimme ich ihr zu und frage, ob sie denn eine andere Idee hätte. Wieder Schweigen. Ich höre nur ihr regelmäßiges Atmen.
Zwischendurch entlockt ihr das angestrengte Nachdenken ein Seufzen. Wie süß sie doch ist. Sie überlegt wirklich. Im Gegensatz zu mir ist sie wohl ernsthaft an einem guten Ergebnis unserer Partnerarbeit interessiert. Ich möchte diese Arbeitsphase nur so schnell wie möglich über mich bringen. Ihr so nahe zu sein und doch so entfernt ist die Hölle. Kaum auszuhalten eben.
Sie zieht mich an wie ein Magnet. Ein starker Magnet, und ich muss genauso stark sein, um den nötigen Abstand zu wahren. Meine Kraft reicht aber bald nicht mehr aus, um ihr entgegenzuwirken. Deswegen sollte es auch in ihrem Interesse liegen, möglichst schnell fertig zu werden.
Ich schaue vorsichtig zur Seite. Die Versuchung war zu groß. Betrachte jede ihrer Mimikfältchen. Sie ist einfach wunderschön. Sie ist schlau und fantasievoll. Und sie hat mich geküsst. Und bereut. Nein. Schnell wieder geradeaus schauen. Nicht in diesen Graben von Depressionen verfallen. Nicht schon wieder.
Mit aller Kraft versuche ich meine Gedanken von ihr zu lösen und wieder nach Ideen für unser Projekt zu suchen. Für einen kurzen Moment gelingt mir das auch. Dann dreht sich mein Kopf wie von selbst wieder in ihre Richtung, doch zum Glück rettet sie mich mit einem Hops von der Tischkante. "Ich hab‘ eine Idee!"



copyright © by Mellimi. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


und dann??
jetzt interessiert mich noch wie die geschichte weitergeht!
dein schreibstile gefällt mir! sehr flüssig
biDragon - 10.06.2006 23:41
weiter...
Shiningstar2005 - 08.06.2006 19:04
Super!!!!!
Traumfaenger24 - 08.06.2006 12:21
Toll
piper - 08.06.2006 07:50

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