von monstera1171
Whitewater
Ein strahlend heller Tag . Kein Wölkchen war am tiefblauen Himmel zu sehen. Die Zeit war mir lang geworden, darum hatte ich beschlossen eine Fahrt mit einem der Ausflugsdampfer zu machen, die den Mississippi rauf und runter fuhren.
Im Frühling war der Fluss am schönsten. Die unglaubliche Vielfalt der in Blüte stehenden Bäume am Ufer, kündete vom übersprudelnden Leben. Um diese Jahreszeit stand die Sonne noch tief und ihre Strahlen tauchten das Wasser in gleißende Helligkeit.
Ich stand an der weis lackierten Reling, schaute auf die glitzernden Wellen und ließ mir den seichten Wind ins Gesicht wehen.
Die würzige Luft und das sanfte Schwanken des Dampfers machten mich ein wenig schläfrig.
Auf dem Deck standen, großzügig verteilt, bunte Liegestühle. Ich nahm mir einen, schloss die Augen um die Wärme zu genießen und döste eine Weile vor mich hin.
Als ich die Augen kurz aufschlug, stellte ich fest, dass eine junge Frau meinen Platz an der Reling eingenommen hatte. Ihr Haar war goldblond und fiel ihr lockig über die Schultern. Sie trug eine schneeweiße duftige Bluse und eine ebenso lichthelle dünne Leinenhose. Einige Zeit beobachtete ich sie.
Sie stand nur so da, starrte auf’s Wasser und sah furchtbar verlassen aus. Plötzlich sah ich wie eine Träne über ihre Wange rollte, sie weinte! Irgendwie tat sie mir schrecklich leid wie sie so dastand, und ich wollte sie gerne ablenken. Also holte ich kurzentschlossen ein Glas Limonade und ging langsam zu ihr. Vorsichtig legte ich ihr die Hand auf die Schulter. Ein wenig erschrocken drehte sie sich um. Stumm lächelte ich sie an und hielt ihr das Glas entgegen.
Aus tränenverschleierten Augen blinzelte sie mich ein wenig verwirrt an, doch dann zuckte der Anflug eines Lächelns über ihr gerötetes Gesicht. Dankbar nahm sie die Limonade entgegen. Ich fasste ihren Arm und führte sie zu einem der Liegestühle. Dann holte ich mir selber einen, setzte mich neben sie und wartete. Wenn sie reden wollte würde sie schon von selbst damit beginnen und so ließ ich ihr Zeit die Fassung zurückzugewinnen. Doch statt zu reden, fing sie erneut an zu weinen. Leise schluchzte sie vor sich hin, es war herzzerreißend. Ich legte meine Hand auf ihre und streichelte sie um sie zu trösten, doch ihre Haut war so zart und warm…..
Sie musste wohl sehr verzweifelt sein, denn sie weinte noch immer. Ich kramte ein Taschentuch hervor und tupfte ihr die Tränen vom Gesicht. Sanft strich ihr über’s Haar und streichelte ihre Wange, bis sie sich langsam beruhigte, aufhörte zu weinen und mich ansah.
„Danke“, ihre Stimme zitterte noch, hatte aber ein wunderbar weiches Timbre….
Ich meinte, es sei schon in Ordnung, stand auf und ging zurück zur Reling. Mir ging so vieles durch den Kopf. Sie gefiel mir, doch konnte ich mir Hoffnung auf eine solche Frau machen?
Nun war ich diejenige, die ein wenig deprimiert auf’s Wasser hinaus sah. Ein kleiner Schwarm silbrig glänzender Fische begleitete uns. Am Ufer spielten zwei Kinder aus einem der im Sumpf liegenden Dörfer und ein großer Reiher überflog den Fluss. Allerlei Geräusche erfüllten die Luft und ich fiel wieder in einen dämmerigen Zustand.
Im selben Moment als einer der Fische einen Sprung machte, stand sie plötzlich neben mir. Ich lächelte sie an. „Besser jetzt?“
„Ein wenig, danke, dass Du für mich da warst.“ „Ich konnte doch nicht einfach zusehen.“
Sie hatte so wunderschöne blaugrüne Augen…..Ich hätte sie am liebsten geküsst.
Allein der Gedanke an ihre Lippen ließ meinen Puls höher schlagen. Um mich nicht zu verraten, blickte ich wieder hinunter in die schäumende Gischt. Der Wind hatte ein wenig aufgefrischt und blies mir die Haare ins Gesicht, als mich ihr gerade wieder zuwenden wollte.
Da hob sie auch schon die Hand und streifte sie zurück. Für eine Sekunde sahen wir uns an und ihre Hand hielt mitten in der Bewegung inne. Ich konnte einfach nicht widerstehen. Mit meinem Blick hielt ich sie gefangen, näherte mich ihr langsam und gab ihr einen zärtlichen Kuss. Kaum mehr als der Flügelschlag eines Schmetterlings. Ihre Hand lag noch auf meinem Haar.
Mit einem Mal wurde mir bewusst was ich getan hatte, doch noch bevor ich mich stammelnd entschuldigen konnte, legte sie mir einen Finger auf den Mund und ich verstummte augenblicklich.
Wieder sahen wir uns an und diesmal erkannte ich ihr Einverständnis in ihren Augen. Und wieder küsste ich sie, ihre Lippen schmeckten nach dem Salz ihrer Tränen. Einen Moment noch zögerte sie, überwand ihre Scheu und erwiderte nun meinen Kuss mit inniger Leidenschaft.
Irgendwann lösten wir uns von einander und schauten, uns an den Händen haltend, schweigend auf den Fluss.
Als der Dampfer kurz vor den Stromschnellen die Pier anlief, wusste ich, dass ich nicht allein nach Hause gehen würde.
Geschrieben 1997
Copyright by Tamara Laux 2009
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monstera1171. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.