von XxMEDUSAxX
„Das Pferd ist wieder vollkommen gesund!“ Berichtete mir Friedrich, als wir am nächsten Abend am Tisch saßen und zusammen das Essen einnahmen. Es freute mich, dass es dem Tier wieder gut ging. Aber andererseits war ich traurig darüber, weil ich nun keinen Grund mehr hatte, weiter in dieser Stadt zu bleiben. „Schick doch bitte einen Boten voraus, dass er Bescheid gebe, wir würden in den nächsten Tagen eintreffen. Morgen Mittag werden wir abreisen.“ Gab ich Friedrich tonlos zurück, stand auf und ging ohne ein weiteres Wort nach oben, um zu schlafen. Friedrich sah mir nachdenklich nach, doch es interessierte mich nicht. Leider konnte ich nicht schlafen und legte mich von einer Seite zur anderen. Dann beschloss ich, mich ein wenig auf die Bank vor dem Fenster zu setzen und hinauszuschauen. Das hatte mir schon immer geholfen. So tat ich es. Und in dieser Nacht leuchtete der Mond besonders hell. Er trohnte hoch am Himmel und ich hatte das Gefühl, er würde hämisch grinsen. Lachte er mich aus, oder wollte er mich milde stimmen? Es war wohl eher so, dass ich sogar schon dem Mond Schuld gab, dass ich nicht erreichen konnte, was mir so nah war. Plötzlich vernahm ich leise Stimmen durch das angewinkelte Fenster und als ich vorsichtig hinab in den Hof schaute, sah ich zwei dunkle Gestalten sich unterhalten. Leider konnte ich nicht erkennen wer es war. Und da das Fenster nur angewinkelt war, konnte ich auch nicht verstehen was sie sprachen. Jedoch hatten sie meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil ich es sehr seltsam fand, dass sie sich im Hof unterhielten und dazu noch so leise. Aber ich scheute mich davor, dass Fenster zu öffnen, da sie mich sonst wohl bemerkt hätten. Angestrengt lauschte ich, konnte aber nichts verstehen. Dann drehten sie sich auch schon wieder um und gingen ins Haus. Als die eine Person dabei kurz in den Kegel der kleinen Stalllaterne kam, erkannte ich Julia. Mein Herz bebte wieder und ich sprang von der Bank auf. Doch bevor ich noch das Fenster öffnen konnte, war sie auch schon wieder weg. Ich überlegte kurz, ob ich nach unten gehen sollte um sie zu suchen und zu fragen, was sie mit wem geredet hatte. Doch dann dachte ich daran, dass es mich doch gar nichts anging und sie dann nur denken könnte, ich hätte sie absichtlich belauscht. Nachdem ich mich kurz gefasst hatte, ging ich wieder zu Bett. Mein Herz war so schwer, dass es mich nach unten, in die Matratze zog und dann schlief ich doch irgendwann ein.
Sehr früh am Morgen war ich wach und so ruhelos, dass ich nicht wusste, wie ich damit umgehen sollte. Meine Koffer hatte ich bereits gepackt und nun gab es nichts mehr zu tun. Mein Herz bebte, meine Hände zitterten und meine Beine wollten nicht stillstehen. Julia! Julia! dachte ich nur die ganze Zeit. Ich würde abreisen und sie nie wiedersehen. Und sie wusste nicht einmal, dass ich so für sie empfand. Doch, wie sollte ich ihr das sagen? Wenn sie nicht so wie ich empfand, dann hätte ich nicht gewusst, was ich hätte tun sollen. Was würde sie dann von mir denken? Eine Frau sagt ihr, dass sie in sie verliebt ist. Vielleicht würde sie mich dann hassen? Aber ich konnte doch nicht einfach so gehen, ohne sie es wissen zu lassen. Ich wollte nur, dass sie es wusste. Denn, ich hatte auch wiederum Angst, sie würde darauf eingehen. Früher oder später, wäre es wieder zu Ende und ich hätte mein Herz ein weiteres mal umsonst verschenkt. Diese Gedanken benebelten mich. Als ich das Papier auf dem Schreibtisch liegen sah, kam mir ein Einfall und ich schrieb:
Halt mich hier,
halt mich dort,
wo will ich sein,
an welchem Ort?
Fehlt mir das zu Hause,
die ewige Ruh´
fehlt mir doch
das liebende DU!
Schnell setzte ich noch meine Unterschrift darunter, rollte es zusammen und lief damit in den Stall. Die frühe Morgenluft war kalt und schnitt mir ins Gesicht, als ich über die Wiesen galoppierte. Endlich hatte ich die Lichtung erreicht, wo ich Julia tanzen gesehen hatte. Dort band ich mein Pferd an einem Busch fest und suchte den umgefallenen Baumstamm, wo Julia an dem Tag ihr Tuch abgelegt hatte. Es sah damals für mich so aus, als würde sie es immer dort ablegen und es schien einen besonderen Wert für sie zu haben. Der Baumstamm hatte ein Loch in der Mitte, über das ein halb abgebrochener Ast wie ein Schirm ragte. Ich nahm mein Schriftstück und steckte es hinein. Da es so nicht zu sehen war und ich Bedenken hatte, sie würde es so nicht finden, brach ich eine wilde, weiße Rose, von einem der umstehenden Büsche. Dabei stach mir ein dicker Dorn in den Finger und sofort begann er zu bluten. Ich war unvorsichtig gewesen. Eine Rose zu pflücken, erfordert nicht nur Geschick, sondern auch Vorsicht und Behutsamkeit. Und das war meine Strafe dafür. Ich nahm mein Taschentuch und wickelte es um den blutenden Finger. Dann steckte ich die Rose mitsamten Blattwerk, dass noch am Stiel war, in das Loch. Jemandem der nur zufällig hier vorbei kam, würde dieses Zeichen nicht auffallen, so kunstvoll wie ich es versteckt hatte. Doch Julia, würde es bemerken. Ganz sicher. Denn, ich konnte bei meiner Beobachtung ganz deutlich spüren, dass es einer ihrer Lieblingsplätze war, wo sie sich alleine fühlte. Mit pochendem Herzen, berührte ich die Rosenblüte zart und dachte dabei kurz an Julia. Dann sagte ich ganz leise: „Lebe wohl, du schönste Blume im Garten Eden.“
Nachdem ich wieder am Wirtshaus angekommen war, band ich nur das Pferd vor dem Stall an und ging ohne ein Wort zu sagen, an Friedrich vorbei, der dort stand und mich erstaunt ansah. In der Wirtsstube bezahlte ich die Wirtin und dankte ihr für ihre Freundlichkeit. Erst wollte ich ihr noch sagen, sie solle Julia von mir grüßen, doch dann lies ich es lieber. Es hätte keinen Sinn gehabt. Es lag mir fern mich aufzudrängen. Es war bestimmt besser so wie es war. Friedrich benötigte noch ein wenig Zeit, um die Pferde einzuspannen. Er hatte mir mitgeteilt, dass er mich schon gesucht hatte und niemand wusste, wo ich war. Doch, ich gab ihm keine Antwort. Ich vermochte es nicht. Ein dicker Kloß saß in meinem Halse. Er sagte mir auch, dass der kleine Johannes nach oben gegangen wäre um mein Gepäck zu holen. Auch daraufhin sagte ich nichts. Ich nickte ihm nur kurz zu. Da kam der Kleine auch schon angelaufen. Schwer bepackt. Ich saß auf dem Rand der Tränke und sah Friedrich und Johannes zu, wie sie ihre Arbeit taten. Es erschien mir, als wäre ich nicht wirklich anwesend. Und ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Einige Zeit später, stieß Friedrich mich sanft an der Schulter an, da ich wohl nicht gehört hatte, dass er zu mir gesprochen hatte. „Ich wäre dann fertig zur Abreise!“ Sagte er und sah mich mit einem mitfühlenden Blick an. „Oh!“ Zuckte ich ein wenig zusammen. Ich erhob mich, klopfte mein Kleid noch ein wenig aus und schritt zur Kutsche. „Wollt ihr euch nicht noch verabschieden?“ Fragte Friedrich, der sich keinen Schritt gerührt hatte. „Ich habe mich schon von der Wirtin verabschiedet!“ Gab ich ihm leise zurück. Er stand noch einen Moment da und blickte mich an. Dann sprach er weiter: „Gibt es nicht noch jemand?“ Ein Stich fuhr in mein Herz. Ich wusste wen er meinte. Jetzt kam er ein paar Schritte auf mich zu und sah mich erwartungsvoll an. Als ich im nichts entgegenbrachte, sagte er: „Ich weiß wo sie ist!“ Und damit nickte er in Richtung Waschküche, im Keller des Wirtshauses. Jetzt spürte ich den Stich noch tiefer und schmerzender als zuvor. „Nein!“ Das war alles was ich herausbrachte, bevor ich die Türe der Kutsche aufriss und mich schnell hineinsetzte. Friedrich schaute mich noch einmal mitfühlend an, wie ich dasaß, mit einer Hand vor dem Mund und versuchte meine Tränen zurück zu halten. Dann schloss er die Türe und ich hörte, wie er auf den Kutschbock stieg und sich das Gespann langsam vorwärts bewegte. Durch das kleine Fenster hinter mir, schaute ich noch einmal zurück zum Wirtshaus. Ein Knacken durchbrach meine eisige Stille. Es knackte abermals und abermals. Als das Wirtshaus fast nicht mehr zu sehen war, begriff ich erst, dass das Knacken mein Herz war.
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XxMEDUSAxX. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.