Zwischen den Zeiten

von BlueVelvet87


Tick…tack…tick…tack…
Nur das monotone Tickes des Weckers auf dem Tisch neben meinem Bettrand erinnerte mich daran, nein, ließ mich erahnen das Zeit verging.
Die Tage kamen und gingen, Menschen traten in mein Leben und verließen es wieder, Momente des Glückes, der Trauer und der Erfüllung rauschten an mir vorbei, doch zugleich verspürte ich nicht das Geringste einer Veränderung, sondern sah all die Zeiten des Geschehens wie durch eine dicke, unzerbrechliche Glaswand.
Immer wieder lief ich diesen Momenten hinterher, in der Hoffnung sie zu erhaschen und in mein Gedächtnis einbrennen zu können, doch egal wie sehr ich mich auch bemühte, die Zeit war mir jedes mal voraus.
Ein unbeschreibliches Gefühl der Schwere und des Verlustes, für welches ich keine Worte fand, breitete sich in mir aus, stieg mir vom Scheitel hinab bis zu den Sohlen, und es schien, als ob dieses voll und ganz Besitz über mich ergriffen hatte.
Mir wurde bewusst, dass ich stehen geblieben war in meinem Denken, mich fühlte als ob mir die Hände gebunden wären, was mich unfähig machte, mich dagegen zu wehren.
Stumm wanderte mein Blick zum Fenster, vor dem sich auf dem Ast des fast kahlen, dürren Baumes ein Vogel niedergelassen hatte. Misstrauisch beäugte er mich.
Ja, wie gern würde ich jetzt auch einfach meine Schwingen ausbreiten und von hier wegfliegen, mich einfach fallen lassen, obgleich mich jemand auffing oder nicht.
Wie grelle Lichtblitze am Himmel jagten tausende Gedanken durch meinen Kopf.
Nein, das was ich mir wirklich wünschte, war einfach nur zu vergessen, nicht von den vergänglichen Momenten zu leben, doch mein Gedächtnis war ausgefüllt davon.
Alles im Leben vergeht, zieht irgendwann an uns vorüber, doch nicht die Erinnerung, welche sich wie ein Standbild in meinen Gedanken festkrallte.
Ich schien diese Erinnerungen förmlich in mein Gedächtnis eingeschlossen, den Schlüssel weggeworfen zu haben und nun bin ich nicht mehr in der Lage ihn zu finden.
Doch werde ich die Vergangenheit nicht über mein Leben bestimmen lassen, sondern weiterdenken, leben, lieben und genießen! Ganz ohne jegliche Erwartungen an das, was daraus werden könnte.
Langsam trat ich ans Fenster. Ein Geruch von warmen Sommerregen erfüllte die Luft und zart wehte mir ein Windhauch durch die Haare.
Ja, jetzt spürte ich es, genau das sind die Momente, von denen man leben soll, Momente, die von unsagbarem Wert sind. Am Himmel blitzte die Sonne auf und mit jedem Strahl mehr, der sich durch die Wolken zwängte, tankte ich neue Energie, entfernte mich ganz langsam, immer weiter Schritt für Schritt zurück vom Abgrund meiner Gedanken, bevor ich mich völlig darin verloren hätte.
Im Stillen hab ich eigentlich die ganze Zeit nur auf einen solchen Moment gewartet, denn erst jetzt spürte ich, wie das Blut in meinen Adern langsam wieder anfing zu fließen, ich nach all dieser Zeit das erste Mal wieder begann zu fühlen, wahrzunehmen, meine Umgebung nicht einfach nur als ständig wechselnde Kulisse anssah.
Tick…tack…tick…tack…Nun hörte ich es nicht mehr nur, nein, jetzt fühlte ich es wieder, und zwar mit jedem Ticken mit dem sich die Zeit unmerklich davonschlich.

Denn wer ständig nur wartet, hofft und sucht existiert zwar, aber wird dennoch nie sagen können wirklich gelebt zu haben…