von AJ_Fox
Am nächsten Tag stand Jo schon sehr früh auf. Die ganze Nacht konnte sie kaum schlafen, da ihre Aufregung viel zu groß war. Nach dem sie gefrühstückt hatte, packte sie noch die letzten Sachen in ihre Tasche und ging raus in den Flur zu der Eingangstür. Dort warteten schon ihre Erzieherinnen Uli, Andrea und Judith auf sie. Mit letzten Umarmungen verabschiedete sie sich von ihnen, hörte sich noch die letzten Anweisungen von Uli an und versprach dass sie so bald es möglich ist sich auf jeden Fall bei ihnen melden würde. Auf dem Weg zum Bahnhof blickte Jo noch ein letztes Mal durch die Gegend, wo sie Tag für Tag vorbei ging. Sie wusste immer, dass es nie leicht ist Abschied zu nehmen aber, dass es so sein würde, hätte sie sich nie vorgestellt. So lange schon wollte sie weg aus dieser Gegend. Wie lange hatte Jo schon auf diesen Tag gewartet und nun wo er endlich da war, hatte sie plötzlich so ein komisches Gefühl, welches sie nirgends einordnen konnte. War es Angst, Unsicherheit, Trauer oder doch die Aufregung? So tief in ihren Gedanken versunken, merkte Johanna gar nicht, dass sie schon den Bahnhof erreicht hatte. Nachdem sie sich ihr Ticket geholt hatte, setzte sich Jo auf einen freien Platz am Gleis und wartete ungeduldig auf ihren Zug. „In kürze fährt der Regional-Express von Berlin nach Magdeburg am Gleis 14 ein. Die Abfahrt ist wie geplant um 9:13“, ertönte es plötzlich durch den Lautsprecher, neben dem Jo sich befand. „Wow also da kann man ja glatt taub werden!“, dachte sich Jo und ging sicherheitshalber ein paar Meter vom Lautsprecher weg. Als der Zug endlich ankam, stieg Johanna ein und suchte sich einen Platz am Fenster. Wenige Minuten später hielt sie schon ein Buch in der Hand, welches sie von Sandra zum Geburtstag bekommen hatte. Endlich hatte sie mal Zeit das Buch zu lesen. Jo wollte es sich schon vor mehreren Wochen kaufen aber Sandra hielt sie jedes Mal davon ab. Der Grund dafür war, dass sie es schon sehr lange vor Jo´s Geburtstag gekauft hatte. Da die Beiden nicht direkt in Berlin wohnten, hatten sie nicht oft die Möglichkeit dahin zu kommen und schon recht nicht in einen Buchladen mit lesbischer Literatur. Nach und nach vertiefte sich Jo in die Story. Der Text verwandelte sich in ihren Gedanken zu Personen und Umgebungen. Alles spielte sich wie ein Film in Jo´s Kopf ab. „Guten Tag. Die Fahrkarten bitte“ Erst als sich der Mann wiederholte, merkte Johanna, dass eine Person neben ihr stand. Verwirrt blickte sie den Mann an und erst nach einigen Sekunden verstand sie, dass es sich um einen Kontrolleur handelte. Rasch zog sie aus ihrer Hosentasche ihr Ticket und gab es dem Herrn. Er stempelte es ab und gab das Ticket Jo mit einem Lächeln wieder zurück. „In wenigen Minuten erreichen wir Magdeburg Hautbahnhof. Der Ausstieg ist Fahrtrichtung links. Hier endet der Zug. Im Anschluss haben sie die Möglichkeit…“ weiter hörte Jo der Durchsage nicht zu. Sie bevorzugte an dieser Stelle ihren mp3 Player, schaltete ihn ein und schon ertönte Pink mit ihrem neuem Album in den Kopfhörern. Nachdem sie ausgestiegen war, holte Jo ihren Zettel raus und schaute zu welchem Gleis sie nun musste. Anschließend schlenderte sie langsam durch die Unterführung zum Gleis 8. Erst nach mehr als einer Stunde warten, erreichte ihr nächster Zug den Bahnhof. Nach einigen Minuten fand Johanna endlich einen freien Platz neben einem älteren Herrn. Sofort griff sie in ihre Tasche nach dem Buch. Die Neugier hatte mal wieder über Jo gesiegt. Sie schlug das Buch auf und begann zu lesen. Doch bereits nach wenigen Minuten wurde Jo´s Kopfkino von dem älteren Mann, der neben ihr saß unterbrochen. „Wie ich merke, lesen sie gerade ein wohl sehr spannendes Buch, oder?“ fragte er Johanna. „Ja, ich finde es auf jeden Fall spannend.“ Antwortete sie ihm und dachte, dass dieses Gespräch nun beendet sei. „Wie heißt den das Buch?“, fragte der Mann erneut. „Geschrieben für dich“ war Jo´s kurze Antwort. „Hmm sagt mir leider nichts. Ich kenne zwar sehr viele Bücher aber dieser Titel ist mir leider nicht bekannt.“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. „Als meine Frau noch lebte, liebte sie es immer abends vorm warmen Kamin im Winter oder, wenn es heiß war draußen auf unserer Veranda Bücher zu lesen. Ich habe ihr extra dafür noch ein Regal selber gebaut, weil der Platz für ihre Bücher nicht mehr ausreichte. Am liebsten las sie Romane. Ist das auch einer?“ Jo bejahte seine Frage in der Hoffnung, dass der Herr keine weiteren mehr stellen würde. Doch zu ihrer Enttäuschung fing der alte Mann erst recht an über sich und seine verstorbene Frau zu erzählen. Am Anfang fand es Johanna nicht so schlimm, auch wenn sie nicht mehr in der Lage war weiter zu lesen, was sie wirklich sehr gern getan hätte. Da sie aber dem Herrn aus Höflichkeit nicht gestehen wollte, dass sie eigentlich lieber in Ruhe lesen wollen würde, hörte sie ihm fast die ganze Fahrt über zu und erfuhr in der halben Stunde wo er wohnte, dass er im 2 Weltkrieg mitgekämpft hatte, gefangen genommen wurde und so seine Frau kennen lernte, sie später verloren hatte und nach 5 Jahren sie durch Zufall auf der Straße traf, dass er mit ihr, nach dem sie geheiratet hatte aufs Land zog, dass………es war sehr schwer Jo zum „austicken“ zu bringen, doch dieser Herr hätte es an diesem Tag beinahe geschafft, denn sein Lebenslauf interessierte Johanna eigentlich gar nicht aber jedes mal, wenn sie versuchte ihr Buch weiter zu lesen unterbrach der alte Mann sie mit einer Geschichte aus seinem Leben. Zum Schluss ärgerte sich Jo furchtbar über sich selbst, warum sie ausgerechnet sich zu diesem Mann setzten musste und warum sie ihm nicht gleich am Anfang auf einer nette Art zu verstehen gegeben hatte, dass es sie nicht wirklich interessierte aber sie war sehr froh darüber, als ihr Zug endlich in Braunschweig ankam. Trotz ihrer schlechten Laune wegen dem lästigen Mann, verabschiedete sich Jo höflich und verlas fluchtartig den Zugabteil schon 10 Minuten früher, bevor der Zug den Bahnhof erreichte. Sie hatte nichts gegen ältere Menschen und vielleicht hatte ja Dieser sonst keinen mehr zum reden aber an diesem Tag hatte Jo wirklich nicht die Geduld oder die Lust irgendwelche Lebenserzählungen von Fremden Personen sich anzuhören. Deshalb war sie sehr glücklich darüber, am Gleis ungestört sich wieder ihrem Buch widmen zu können. Erst eine laute Durchsage unterbrach sie erneut. „ Na toll jetzt kommt auch noch mein Zug 10 Minuten später. Das heißt noch länger warten.“, murmelte Jo vor sich hin und schaute wieder in ihr Buch. Die Minuten zogen sich nur sehr langsam dahin. So kam es auf jeden Fall Johanna vor, die sehr ungeduldig dasaß und sich noch kaum stillhalten konnte. Viel zu viele Gedanken und Fragen schwirrten in ihrem Kopf. Sie machte ihr Buch zu, da sie so wieso nicht mehr weiter lesen wollte. Eine unerwartete Aufregung stieg in ihr hoch. Was würde sie in wenigen Stunden erwarte? Würde sie überhaupt mit Allem zurechtkommen? Doch eine viel wichtigere Frage machte Jo große Angst. Diese Frage verfolgte sie schon sehr lange, viel zu lange. „Am Gleis 5 fährt nun der Regional-Express von Braunschweig nach Bielefeld Hauptbahnhof.“ Rasch schnappet Jo ihre Tasche und stieg in den Zug ein. Sofort bemerkte sie, dass der Zug verdammt voll war. Auch in den anderen Abteilen sah es nicht anders aus. Egal wo man hinsah, alle Plätze waren besetzt außer Einem, neben einer Dame, die vertieft ihre Zeitung las. Da Jo Nichts riskieren wollte, beschloss sie sich nicht zu ihr dazu zu setzen. Stattdessen fand sie einen sehr ruhigen Platz in dem Fahrradabteil, wo sie die ganze Fahrt über schlafend verbrachte. Am Bielefeld Hauptbahnhof angekommen stellte Johanna fest, dass ihr Zug eine sehr große Verspätung hatte und da sie nicht unbedingt mehrere Stunden auf den nächsten Zug warten wollte blieb ihr nichts anders übrig als zu rennen, was sich am Ende gelohnt hatte, da Jo es gerade noch rechtzeitig schaffte in den Zug zu gelangen, bevor Dieser losfuhr. Schnell fand sie einen freien Platz in einem Abteil, der so gut wie leer war. Da es ebenfalls sehr ruhig war konnte man ein leises Geräusch von Jo´s Magen hören. In der ganzen Eile war es ihr natürlich nicht aufgefallen. „Mist jetzt hatte ich nicht mal Zeit mir am Bahnhof was zu Essen zu kaufen.“ Nachdenkend schaute Johanna auf ihre Tasche, machte sie auf, suchte einen kurzen Moment und holte sich dann einen Apfel raus. „Gut, dass ich ihn doch mit eingepackt hab“, dachte sie sich, biss in den großen roten Apfel und schaute kauend aus dem Fenster. Nachdem sie am Bahnhof angekommen war, bemerkte sie schon vom Weiten das goldene M. Sofort blickte Jo auf ihre Uhr. „Super ich hab noch genügend Zeit um im Mäci vorbei zu schauen und endlich was Richtiges zu essen. Der Apfel hat nicht wirklich viel gebracht.“ Gesagt, getan. Wenige Minuten später saß Jo bereits im McDonald's und genoss ihre letzten Pommes mit Süß-Sauer-Sauce. „In wenigen Minuten fährt der Regional-Express nach Köln Hauptbahnhof, am Gleis 6 ein.“ Johanna blickte erschrockne auf ihre Uhr. Sie hatte tatsächlich vollkommen die Zeit vergessen. Sofort packte sie ihren Cheeseburger, den sie sich gewöhnlich immer bis zu Schluss aufhob in die Tasche und machte sich auf den Weg zum Gleis 6. .......
copyright © by
AJ_Fox. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.