von miezekatzen
Zuhause angekommen, wussten wir zuerst nicht, was denn nun machen. Julia, so betrunken wie sie war, wollte plötzlich Flaschendrehen spielen. „Nicht das auch noch“ dachte ich, musste aber dann doch mitspielen, weil die „Kleine“, wie ich sie immer nannte, darauf bestand. Sie stellte sich einfach rotzfrech vor mich und schaute mich intensiv mit ihren großen Augen an. Irritiert sah ich weg und war überstimmt. Also holten wir eine leere Rotweinflasche, setzten uns im Wohnzimmer auf den Boden und fingen an zu spielen. So`n Blödsinn, dachte ich. Eine Runde voller unangenehmer Fragen und seltsamer Aufgaben folgten. Das ging eine ganze Weile so…bis Markus an der Reihe war und Julia fragte: „Wahrheit oder Pflicht?“. Sie antwortete prompt „Pflicht.“ Dann gib Melanie einen Kuss! Und zwar einen richtigen! Entsetzt sah ich Markus an. „Sonst noch was?“ fragte ich ihn und die anderen lachten. Doch Julia beugte sich bereits in meine Richtung und sah mich erwartungsvoll an. Was war nur mit allen los heute? Wie es aussah hatte ich wieder keine andere Wahl, beugte mich bis zu Julia vor und schloss die Augen. Ich kann nicht sagen, wie die nächste Minute genau verlief, ich spürte nur diesen unglaublich intensiven Kuss. Julia war schon fast fordernd, ihre Lippen warm und weich. Als sie dann plötzlich aufhörte und von mir ließ konnte ich meine Augen nicht öffnen. Ich war wie hypnotisiert. Ich hörte entfernt begeisterten Applaus von den anderen, irgendjemand meinte, es wäre ein wahnsinnig realer Kuss gewesen. Ich glaube, ich wurde rot. Wie lange saß ich denn so da, vorgebeugt mit geschlossenen Augen? Wie peinlich. Mittlerweile konnte ich meine Augen öffnen und sah zu Julia. Doch sie war schon weiter und drehte die Flasche erneut. Die anderen waren immer noch verzückt und sahen nun eifrig auf die Flasche. Gott sei Dank bemerkte niemand, wie es gerade in mir aussah und verträumt sah ich auf dieses sich drehende etwas. Oh nein! Ich konnte es nicht glauben! Sie blieb in meine Richtung stehen.
Ich sah Julchen entsetzt an und überlegte, welche Frage sie nun stellen könnte. Ihre Augen leuchteten, viel mehr als sonst. Was war nur los? Sie hatte mir schon den ganzen Abend diese Blicke zugeworfen. Und dann dieser wahnsinnige Kuss eben. Ein eigenartiges Gefühl. „Ist alles in Ordnung?“ fragte ich sie. Lächelnd nickte sie: „ Ja. Mir fällt nur keine Frage mehr ein.“ „Puh“ dachte ich und war erleichtert. Sie sah mich weiter an. Ich wurde unruhig. „Wer hat Lust auf eine Zigarette?“fragte ich schnell in die Runde. Der Gruppenzwang war stark ( ) und so standen auch alle sofort auf und folgten mir vor die Tür. Julia kuschelte sich aufs Sofa und meinte sie würde warten. Übermüdet fragte ich draußen meine Leute, ob sie es stören würde, wenn wir den Abend nun beenden könnten. Nachdem sie gegangen waren, setzte ich mich zu der bereits eingenickten Kleinen aufs Sofa. Sie wurde kurz wach, umarmte mich und kuschelte sich nahe an mich. Dies hatte sie schon oft gemacht, nur heute hatte ich ein seltsames Gefühl dabei, sie streichelte mich sanft am Arm. Mein Herz schlug schnell, ich hatte ein seltsames Kribbeln im Bauch. Aber warum nur? Schnell stand ich wieder auf und sagte, ich würde mich bettfertig machen. Irgendetwas war anders als sonst. Fühlte ich mich da gerade zu meiner Freundin hingezogen?? Ich putzte meine Zähne und sah mich im Spiegel an. „Melanie, Du brauchst dringend einen Freund“ dachte ich bei mir, schüttelte den Kopf und zog mich um. Was hatte ich da für komische Gedanken? Als ich wieder kam, war sie schon im Schlafzimmer und kuschelte sich in mein Bett, die Augen geschlossen. Ich legte mich mit dem Rücken zu ihr und wollte einfach nur schnell einschlafen, da mich meine Gedanken und ihr Verhalten verwirrten. Ich fragte mich, ob das wohl am Alkohol lag. Doch ich konnte einfach nicht einschlafen, fühlte mich irgendwie beobachtet. Julia atmete tief. Ich drehte mich zu ihr um. Sie lag auf der Seite mit dem Gesicht in meine Richtung und hatte ihre Augen geschlossen. Hmm…gerade eben dachte ich noch… seltsam… also schloss ich meine auch wieder. Plötzlich spürte ich eine leichte Bewegung unter der Decke und dann ihre Hand auf meiner Hüfte. Sie zog sich an mich ran und streichelte sanft über meinen Arm. Ich wagte es nicht meine Augen zu öffnen…Gänsehaut, ein warmes Gefühl machte sich in mir breit, ein unbeschreiblich schönes Gefühl. Mein Herz klopfte schneller als zuvor und ich musste mich beherrschen um nicht gleich laut aufzuschreien. Ich spürte, wie sie mit ihrem Gesicht näher kam. Ok… was passierte da gerade?!Aber ich konnte und wollte sie nicht aufhalten, nicht bremsen. Ihre Berührungen waren wahnsinnig schön, so sanft. Sie atmete schneller, ich bemerkte ihre Nervosität. Dann fuhr sie mit ihrer Hand durch meine Haare, streichelte mein Gesicht. Ihre Finger berührten meine Stirn, meine Wangen. Sie kam noch näher und erneut spürte ich diese wahnsinnig weichen Lippen an meinen. Ich konnte nicht glauben, was da gerade geschah. ..
Am nächsten Morgen stand ich früh auf, holte mir einen Orangensaft zum wachwerden und musste zuerst eine rauchen. Ich konnte nicht mehr schlafen und machte mir tausend Gedanken. Wie würde sie reagieren, wenn sie wach war? Julia und ich? Das ging nicht. Was war denn nur passiert? …Es war ein eigenartiges Gefühl. Einerseits ging es mir so gut wie schon lange nicht mehr… ging es mir überhaupt schon einmal so gut?! Ich war nicht verliebt, nein. ..Sie war doch meine Kleine, würde sie auch immer bleiben, überlegte ich… Aber dieses angenehme Gefühl, eine Art Erleichterung … Aber weshalb fühlte ich mich so seltsam befreit? So ein Quatsch dachte ich und hörte wie sie aufstand.
Sie benahm sich wie immer, es war, als wäre nie etwas passiert. Ich war verunsichert. Sie lächelte mir kurz zu, setzte sich an den Esstisch und sah zu, wie ich Frühstück machte. Gott, war ich erleichtert. Ich konnte ihr trotzdem nicht in die Augen schauen und konzentrierte mich aufs Kaffeemachen…Plötzlich begann sie über vergangene Nacht zu sprechen…“oh nein“ dachte ich, nicht das auch noch…
Sie gestand mir, dass es sie schon lange mal gereizt hatte, es mit einer Frau auszuprobieren und das auch am liebsten mit mir. TOLL! dachte ich… Danke für die Vorwarnung. „Hast Du Dich deshalb gestern Abend so seltsam verhalten?“ fragte ich sie. Eine kurze Pause entstand und daraufhin meinte sie: „Ja, kann schon sein.“ Sie sagte, sie habe es unheimlich spannend und aufregend gefunden. OH MEIN GOTT…. HILFE!!! Doch sie sei zu dem Entschluss gekommen, dass obwohl es wahnsinnig interessant und zärtlich mit mir gewesen wäre, es nichts für sie ist. Das habe sie gemerkt. PUH! Erleichterung… Moment mal, klang sie etwas verunsichert? Ich drehte mich schnell um und bestätigte sie vorsichtshalber:“Zwei Heterofrauen, die einfach nur sehr neugierig waren. Aber es wird sich nichts an unserer Freundschaft ändern.“ Sie sah mich strahlend an ... Ich ging zu ihr und musste sie umarmen. Julia und ich… nein, das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Aber sie hatte dieses Gefühl in mir geweckt. Ein Gefühl, das ich zuvor noch nicht kannte. Ich fühlte mich natürlich um eine Erfahrung reicher, irgendetwas hatte sie jedoch in mir entfesselt. Ich umarmte sie fest und war beruhigt sie so strahlend zu sehen. Sie hatte etwas in mir geändert. Aber ich konnte ihr die Wahrheit über meine Gefühle und meine Gedanken nicht erzählen.
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miezekatzen. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.