von brasi_89
Ich stand vor der Eingangstür des Reviers. Voller Spannung und Angst. Gleich würde ich Tanja begegnen. Ich bin viele Möglichkeiten im Kopf durchgegangen, wie es mit Tanja jetzt sein würde. Eine sehr gewünschte Vorstellung war, dass wir uns entschuldigten und ausgiebig unterhielten und uns dann in die Arme fallen. Phantasie eben und wenn ich schon mal welche hatte, sollten es wenigstens Happy- Ends sein. Noch eine beliebte Vorstellung war, dass sie mir ihre Liebe gestand und ich nur so dahin schmolz vor Rührung. In der Hinsicht war meiner Phantasie keine Grenzen gesetzt und so verbrachte ich die ganze letzte halbe Stunde damit vor dem Revier hin und her zu laufen und mir alle möglichen Ausgänge auszudenken. Natürlich waren auch schlechte Ausgänge dabei, aber die verloren schnell an Bedeutung oder ich versuchte sie so schnell wie möglich zu verdrängen. Trotzdem hatte ich Angst davor, es würde schlecht ausgehen, denn eigentlich erhoffte ich mir etwas Gutes, Schönes und Neues mit dieser Geschichte. Ich war sehr aufgeregt und angespannt. Eine Art ihr zu sagen, dass ich sie liebte war: „Weißt du noch, als du mir die Geschichte mit deiner australischen Freundin erzählt hast? Da hast du doch auch gemerkt, dass du dich zum ersten Mal in eine Frau verliebt hast? Ich denke, mir geht es genauso bei dir. Ich fand den Kuss so wunderschön und ich werde immer ganz zittrig, wenn ich dich sehe.“ Usw. Ich fand alles aber etwas steif und kitschig, so dass ich mich nicht wirklich darauf vorbereiten konnte. Mir blieb nichts anderes übrig, als intuitiv und spontan zu handeln. Im Moment fehlte mir noch der Mut ihr alles zu gestehen oder ihr gar zu begegnen. Wenn ich sie sah, würde ich wieder nichts zu Stande bekommen und mich hilflos fühlen. Ich sah vorsichtig in das Gebäude, aber Tanja war weit und breit nicht zu sehen. Wieso war sie noch nicht da? Sie wäre schon eine Stunde zu spät zur Arbeit erschienen und das klang sehr ungewöhnlich für sie. Irgendetwas musste passiert sein, denn Tanja verspätete sich nie. Ich wartete noch einen Augenblick und ging hinein. Total aufgeregt und nichts ahnend, was mich jetzt erwarten würde, schlich ich mich so schnell wie möglich in mein Büro.
Ich saß bereits zwei Stunden an meinem Schreibtisch und wartete auf ein Lebenszeichen von Tanja. Ich hatte versucht mich so unauffällig wie möglich zu verhalten, um nicht von Tanja überrascht zu werden oder unabsichtlich mit ihr zusammen zu stoßen, aber ihr gar nicht zu begegnen, kam mir etwas ungewöhnlich vor. Ich erkundigte mich, ob sie sich für den heutigen Tag abgemeldet hatte, aber es war nichts eingegangen. War ihr etwas zugestoßen oder wollte sie nur blau machen? Sie meldete sich immer, wenn sie nicht zu Arbeit kam und schaffte sogar immer unseren Chef zu überzeugen, dass sie arbeitsunfähig war, egal was sie hatte, egal ob sie krank war oder sie keine Lust hatte. Ihre Überzeugungskraft faszinierte mich immer wieder, denn sie erfand nicht einfach etwas, sondern blieb ehrlich und standhaft bis ihr Wille durch gesetzt war. Manchmal war sie sehr anstrengend und damit konnte ich oft nicht umgehen. Sie war oft in Sachen vernarrt, die sie nicht loslassen konnte, wie z.B. beim shoppen. Wenn diese Frau was wollte, bekam sie es auch, egal wie lange es dauern würde. Ich erinnere mich noch ganz genau an einen Shopping- Tag, oder wie ich es nannte <Mein Horror-Tag>. Sie wollte unbedingt ein neues Top haben, aus welchen Gründen auch immer, wahrscheinlich um glücklicher zu sein. Man sagt Frauen immer nach, dass sie glücklich sind, wenn sie einkaufen gingen und dann auch noch bekamen was sie wollten. Das traf vollkommen auf Tanja zu. Wir sind insgesamt sechs Stunden in der Innenstadt herum geirrt, damit sie ihr Top fand. Wenn sie es wenigstens gefunden hätte, hätte ich nichts gesagt, aber sie kaufte andere Dinge und war immer noch nicht zufrieden. Ich bin eigentlich eine geduldige Person und genoss es die Zeit mit ihr zu verbringen, aber an diesem Tag war ich nur noch genervt. Was shoppen anging, bin ich nicht sehr anspruchsvoll. Ich gehe in einen Laden, schaue, ob mir was gefällt und wenn nicht gehe ich wieder. Tanja geht grundsätzlich in jeden Laden, egal ob sie was fand oder nicht, aber ihr Prinzip war es immer nach etwas Brauchbarem Ausschau zu halten. Was auch immer sie damit meinte, aber an diesem Tag war ich nicht sehr erfreut gewesen mit ihr Shoppen gewesen zu sein. Der Tag endete unschön, was mich daran erinnert wie unmöglich ich mich verhalten hatte und welche schlechte Eigenschaft in meinem Charakter vorhanden war. Ich gab ihr an diesem Tag ganz deutlich zu spüren, dass ich genervt war und die Shopping- Tour erst gar nicht hätte antreten sollen. Ich zeigte dementsprechend Desinteresse in allem was sie sagte und tat und stellte mich auf stur und rücksichtslos. Ich weiß nicht, warum ich so ein Verhalten an den Tag legte, aber so war ich leider. Wenn mir etwas nicht gefiel, blieb ich still und zeigte ein trotziges Verhalten. Mir kam es sinnvoller vor stumm zu bleiben als das Problem anzusprechen. Manchmal gab es gar kein Problem, aber trotzdem störte mich etwas. Oft war es nicht fair gegenüber den Menschen, die mein Verhalten mitbekamen. Wenn es jemand versuchte anzusprechen, winkte ich ab und wollte nichts mehr davon wissen. Ich konnte gut vor Problemen weg laufen. Egal welcher Art, ich ertrug es einfach nicht und versuchte mich davon zu lösen. Wenn ich mich mit jemandem stritt und ich wusste, dass ich keine Chance hatte dagegen zu halten, unterbrach ich das Gespräch und ging meistens. In der Hinsicht bin ich sehr labil und ordne mich sofort unter, wenn ich merke, dass meine Sichtweise nicht erkannt wird. Ganz besonders bei meinen Eltern kann ich mich nicht durchsetzen. Viele rieten mir konsequent zu bleiben, aber was soll ich denn gegen meine Eltern unternehmen? Sie sind meine Eltern, ich darf sie nicht meinetwegen bestrafen oder ihnen Vorwürfe machen. Sie waren bzw. sind immer so gut zu mir und ich war kein guter Mensch, zumindest nicht bei meinen Eltern. Dank mir kamen Probleme auf, die es eigentlich nicht geben sollte. Dennoch gab es einen Zwischenfall, den ich meinen Eltern nie vergessen werde. Ich erinnere mich noch genau an den Tag meiner ersten Abiturprüfung. Ich weiß nicht, was da los war, aber meine Eltern hatten den Termin vergessen und machten mir wegen unwichtigen Dingen wie Haushalt oder Verpflichtungen Vorwürfe. Da dies ein paar Stunden vor dem Abitur statt fand, wollte ich mich in meiner Konzentrationsphase nicht stören lassen und zeigte keinerlei Interesse und war stumm. Als es mir jedoch zu viel des Guten wurde, unterstellte ich ihnen eine miserable Unterstützung und schrie sie an. Mein Vater, der die Kunst besitzt mich immer aufzuregen, egal was er sagt, brachte mich damals so zum kochen, dass ich schon vor Wut weinte und mich nicht wehren konnte. Wenn ich weine, bin ich hilflos und schwach. Ich wollte nicht schwach sein und wenn doch, dann es nicht so offensichtlich zeigen. Mein Vater wusste, dass er mich somit provozieren konnte und nutzte es schamlos aus. Als er fertig war und ich nur kühl antwortete: „Ich hatte gehofft viel Glück von euch zu bekommen. Ich schreibe heute nämlich meine erste Abiturprüfung und zwar in Deutsch.“ Mit diesen Worten verließ ich das Haus und wusste nicht, wie ich in diesem Zustand Abitur hätte schreiben sollen, aber es ging anscheinend, denn ich bekam eine ganz gute Note dafür. Meine Eltern hatten sicherlich nicht mit Absicht den Termin vergessen, aber sie hätten mehr Interesse zeigen können. Ich warf ihnen vor mich nicht zu kennen und sie gaben es zurück, in dem sie argumentierten ich würde sie nicht an meinem Leben teilhaben lassen. Beide Seiten hatten Recht, waren aber auch stur, so dass sich keiner für irgendetwas entschuldigte und Probleme nicht ausdiskutiert wurden. Bei uns heilt die Zeit alle Wunden und das konnte die Zeit gut. Ein dummes Sprichwort, was ich finde, aber es stimmt leider. Egal wie groß die Trauer, Einsamkeit oder Verletzung ist, nach einer gewissen Zeit hört sie auf zu schmerzen. Ich will nicht sagen, dass es dann vorbei ist, aber man gewöhnt sich an die neue Lage und erhärtet. Egal was durchzustehen ist, es wird sicherlich genug Zeit brauchen, aber es sollte einem das Leben nicht verderben, auch wenn das jetzt so einfach dahin gesagt ist. Bei uns waren es aber Probleme, die immer wieder auftauchten und so die alten Wunden aufrissen. So kam es, dass sich nie jemand für sein Verhalten entschuldigte und an nahm es wäre aus der Welt geschafft. Meine Eltern entschuldigten sich nicht für ihre mangelnde Unterstützung bei dem Abitur, aber ich wusste, dass es ihnen Leid tat und es ihnen zu peinlich gewesen war. Ich weiß nicht, warum ich sie am Vortag nicht hätte daran erinnern können, dass das Abitur an stand, aber ist es denn zu viel verlangt, dass Eltern solche Dinge im Kopf behielten? Ich war sehr enttäuscht gewesen und wenn Christian nicht gewesen wäre, wäre ich von zu Hause abgehauen. Meine Eltern hatten auch ohne uns Kindern schon genug Probleme und das wussten wir drei und versuchten uns dementsprechend zurück zu halten, aber davon auszugehen, dass ihre Kinder keine Probleme hatten, fand ich nicht richtig und so kam es, dass das Verhältnis zwischen meinen Eltern und mir nicht mehr so gut war, wie vor dem Abitur. Meine Eltern waren immer Vorbilder für mich gewesen, denn sie schafften alles zusammen und ihre Liebe zueinander war so stark, dass man glatt neidisch wurde. Sie machten viel durch und wir Kinder waren nicht immer eine große Hilfe gewesen, aber dieser Morgen gab mir den Rest. Mir ging es nicht gut dabei, aber ich hatte immer ein schlechtes Gewissen wegen jedem Ärger gehabt, den ich verursacht hatte und fühlte mich schlecht bei dem Gedanken daran meinen Eltern Kummer zubereiten. Doch damals hatte ich genug und konnte kein Verständnis aufweisen. Christian war so gut zu mir gewesen. Er hatte mich immer beruhigen können und schaffte es, dass ich nach den Gesprächen mit ihm immer gute Laune hatte. Wenn er nicht gewesen wäre, hätte ich das Abitur nicht geschafft. Mein Kopf war so voll, dass kein Platz mehr für die Schule war. Ich hatte ihm so viel zu verdanken und konnte es ihm in diesem Ausmaß nicht zurück geben. Er beschwerte sich nie, wenn ich ihn um etwas bat, sondern war immer verständnisvoll. Er konnte alles so gut analysieren und abwägen. Er half mir immer und wollte nie eine Gegenleistung. Er sagt immer: „Du bist meine Schwester, wie kann ich von dir etwas verlangen? Ich habe dich, dass reicht vollkommen!“ Ich hatte oft das Bedürfnis nach diesen Worten zu weinen, denn so ein Bruder ist sehr selten und deswegen schätze ich ihn sehr. Ich habe sehr hohen Respekt vor ihm und würde sterben ohne ihn. Ich wünschte ich hätte eine ähnliche gute Schwester abgeben können, aber da ich für Probleme und Durcheinander nicht geschaffen war, blieb dies aus.
Als ich mich damals mit Tanja stritt, flogen nur so die Fetzen. Es fielen Vorwürfe und Unterstellungen, die nicht gerechtfertigt waren. Sie warf mir vor, mein Leben zu ernst zu nehmen und ich lieber alleine in einer Höhle verrotten sollte. Ich warf ihr genau das Gegenteil vor. Sie nahm das Leben viel zu leicht und fand keinerlei Schwierigkeit darin. So etwas konnte ich nicht. Das Leben ist für mich nicht leicht, sondern eine harte Herausforderung, der man gewachsen sein sollte. Tanja war voll und ganz im Leben integriert und sah meist nur die guten Dinge. Ich dagegen war mir sicher noch nicht für das Leben bereit zu sein, aber dennoch musste ich es meistern, denn es gab kein zurück mehr. Ich fühle mich sicherlich oft einsam, aber genieße die Zeit alleine mit mir. Ich musste mich nicht verstecken und konnte so sein wie ich bin. Ich hielt es nicht lange mit Freunden aus und war froh wieder nach Hause fahren zu können. Auf diese Art konnte ich mich entspannen. Es ist nicht normal, denn Menschen sind Rudeltiere und mochten es nicht alleine zu sein, aber Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. Ich will nicht sagen, dass ich mein Leben nicht mochte oder schätzte, denn das tat ich, aber ich kann es mir besser vorstellen. Wenn meine Mutter dies mitbekommen würde, würde sie mich enterben, denn so durfte ich nicht denken oder mir nicht einmal wünschen. Man ist so leicht unzufrieden mit sich oder seinem Leben, weil man weiß wie es anders und besser sein kann. Es gibt so vieles im Leben was man nicht gut heißt, weil es selbstverständlich ist bis man vielleicht doch merkt, dass es schneller gehen kann als man denkt. Bei Krankheiten oder Todesfällen wird man schnell auf den Boden der Tatsachen zurück geholt und denkt über das eigene Leben nach. In solchen Fällen ist man für sein ach so schlechtes Leben dankbar, denn es gibt Menschen, die es weitaus schlimmer haben und man lernt es zu würdigen, was man im Leben hat. Es sind meistens die banalsten Sachen mit denen man unzufrieden ist, ein alltägliches Beispiel ist die Figur. Jeder kennt die Auseinandersetzung vor dem Spiegel, wenn man etwas zugenommen hat und es so unauffällig wie möglich verstecken möchte. Es ist eine kleine Sache, aber viele machen es zu einem großen Problem, denn es ist unvorstellbar nicht mehr in die Lieblingshose zu passen. Was aber, wenn man krank ist und unkontrolliert zu nimmt ohne Einfluss darauf zu haben? Das ist für mich ein wirkliches Problem, nicht die Tatsache, dass man eine neue Hose braucht. Es sind völlig unwichtige Dinge, die uns teilweise dazu bringen an uns zu zweifeln. Auch ich muss noch lernen mein Leben und mich zu würdigen, damit ich mit Spaß und Freude durch die Straßen gehen kann und nicht über zu viele Dinge nachdenke. Ein altes chinesisches Sprichwort besagt: „Hoffnung ist wie der Zucker im Tee: Auch wenn sie klein ist, versüßt sie alles.“ Ich finde es ein schönes Sprichwort, denn es gibt Kraft und Halt. Hoffnung ist eine Tugend, die wir gebrauchen sollten, um unser Leben leben zu können ohne es ständig in Frage zustellen. Nehmen wir ein neugeborenes Baby. Es ist so klein und unscheinbar. Es lebt ohne Sorgen und Zweifel, denn das Einzige was es will ist leben. Einfach leben, die Welt entdecken, auch wenn dies für einen erwachsenen Menschen unvorstellbar ist, sind die ersten fünf Schritte ein Wunder. Die Eltern teilen diesen Moment mit ihrem Kind und sind vollkommen überwältigt. Wenn mich so ein Neugeborenes mit seinen großen dunklen Augen ansieht, lächelt und vielleicht auch noch die Hand ausstreckt, ist so ein Moment für mich perfekt. Ein Baby strahlt so viel Freude und Zufriedenheit aus, dass ich mich mitreißen lasse. Je älter man wird, desto mehr Bewusstsein erlangt man und geht nicht mehr so stolz und zufrieden die Straßen entlang. Babys sind die besten Beispiele für das sorgenlose Leben. Natürlich kann man von einem Baby nicht verlangen, dass es das selbe Leben führt wie ein Erwachsener und umgekehrt auch nicht, aber die Sorgen unseres Lebens häufen sich von Tag zu Tag, dass man es ganz außer acht lässt, dass man es wert ist zu leben.
„Rrrrrrrrr“, klingelte das Telefon in meinem Büro. Dieses Geräusch ist schrecklich. Ich fahre bei diesem Geräusch immer hoch als würde jemand mit voller Wucht gegen mein Fenster schlagen. Ich hob ab und erkannte die Stimme am anderen Ende sofort. Es war Tanja. Stille! Ich sagte nichts und wartete nur: „Bevor du jetzt auflegst, können wir uns treffen?“ „Ich habe gleich Pause. Dann können wir uns sehen. Ich warte dann bei mir auf dich.“ Ich antwortete sehr kühl, denn ich wollte mir die Nervosität nicht anhören lassen. Was sollte ich nur tun? Ich musste so schnell wie möglich nach Hause und war eigentlich nicht darauf vorbereitet, aber ich war gespannt was Tanja zu sagen hatte. Ich kam bei dieser Frau einfach nicht mit. Sie war mir eine Nummer zu groß, aber dennoch hatte sie etwas anziehendes, dass ich nicht beschreiben konnte. Mir gingen so viele Dinge im Kopf herum, dass ich keinen einzige richtigen Gedanken ausführen konnte. Ich war zu aufgeregt, um mir schnell etwas zu überlegen und verließ mich voll und ganz auf mein Gefühl.
So unruhig war ich noch nie zu mir nach Hause gegangen. Ständig schaute ich mich um, ob Tanja irgendwo zu sehen war, aber selbst vor meiner Wohnung war sie noch nicht. Ich hatte also noch etwas Zeit mich zu beruhigen. Nach kürzester Zeit läutete es.
Tanja stand vor meiner Tür. Hübsch wie immer, aber nicht gerade glücklich. Ich bat sie herein und wir schwiegen uns eine Weile an. Ich sah sie an und spürte, dass ihr etwas auf der Seele lag. Am Liebsten hätte ich sie gleich in den Arm genommen, aber ich wollte ihr die Chance geben sich mir preis zu geben und wusste, dass sie sehr gründlich nach dachte. Ihr schien es schwer zu fallen, denn sie konnte mir nicht direkt in die Augen sehen. Ich wollte ihr alle Zeit der Welt lassen, denn sie würde schon wissen, wann die richtige Zeit war. Sie hatte mich vor ein paar Minuten angerufen und mich um dieses Treffen gebeten, also musste sie sich etwas überlegt haben und war entschlossen und bereit dazu. Es wunderte mich, dass ich mich so ruhig verhielt. Ich hätte mir vorstellen können ungeduldig herum zulaufen und alles noch schlimmer zumachen, aber mir ging es gut. Ich wusste, was ich sagen wollte und war darauf vorbereitet. Plötzlich sah sie mich angestrengt an, öffnete ihren Mund und fing an zu stottern. „Also, ähm, danke, dass ich kommen durfte. Ich kann verstehen, also wenn der Abend für dich eine einmalige Sache war und du ähm.. erstmal Abstand haben möchtest, denn es muss nicht sehr leicht sein für dich.“ Sie sah wirklich sehr angestrengt aus, fast so als wäre sie einen Marathon gelaufen und hatte nicht genug Luft zum atmen. „Ich weiß nicht so recht, wie ich mit dir umgehen soll, denn ich finde dich wirklich klasse und bin so froh dich zu kennen. Es tut mir Leid, das ich dich so schlecht behandelt habe. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass dir der Kuss etwas bedeutete. Ich dachte, wenn ich es nicht anspreche, würde es von selber an Bedeutung verlieren und es würde helfen. Ich hatte mir sehr gewünscht, dass du darüber nachdenkst, aber konnte es mir nicht vorstellen, zumal ich eine Frau bin.... Ich musste es noch los werden, bevor du mir die schlechte Nachricht überbringst.“ Sie drehte sich beschämend weg und wollte aufstehen. Da nahm ich ihre Hand und sah sie an. „Nein, bitte gehe noch nicht.“ Es war wieder Stille. Tanja blieb stehen und machte keine Anstalten zu gehen. Ihre Augen leuchteten und sie wirkte erleichtert als ich sie bat noch zu bleiben. „Eins sollst du wissen und das ist mir wichtig. Ich bereue gar nichts, keine Sekunde. Ich weiß nicht warum ich dich geküsst habe und es ist mir auch egal, aber für mich war dieser Augenblick perfekt dafür. Ich roch deinen Atem und sehnte mich nach deiner Nähe. Der Kuss war, wow, einfach unglaublich und fand es richtig dich zu küssen. Du faszinierst mich. Dein Blick lässt mich schwere los im Raum, deine Art ist toll und deine bloße Anwesenheit macht mich verrückt. Ich glaube genau, dass ist der Grund, warum ich keine Sekunde dieses Abends bereue, obwohl ich mir genug Fragen stelle zu dem was passiert ist, aber mein Verstand ist noch lange nicht so klug wie mein Herz.“ Ich legte ihre Hand auf meine Brust, damit sie mein Herzklopfen spürte. Ich hatte sie noch nie so nah an mir und es machte mich neugierig auf mehr. Mein kleines Liebesgeständnis überraschte mich selber, aber ich spürte eine Erleichterung in mir. „Ich fand den Abend auch sehr schön und wollte nicht so plötzlich gehen. Ich war so durcheinander. Der Kuss hat mich völlig aus der Bahn geworfen und ich wollte nicht, dass du es bereust oder etwas zwischen uns steht. Ich habe dir nicht vertraut, obwohl du kein bisschen Reue gezeigt hast. Ganz im Gegenteil, du wirktest sicher, aber ich wollte unsere Freundschaft nicht kaputt machen. Es tut mir so Leid! Ich glaube, ich sollte jetzt gehen.“ Sie löste sich von mir und ging Richtung Tür. Ich konnte sie jetzt nicht schon wieder gehen lassen. Noch einen Abgang würde ich nicht verkraften. „Ich liebe dich.“ Es sprudelte einfach aus mir heraus ohne nachzudenken, sagte ich das L-Wort und als wäre das nicht genug, fuhr ich fort: „Schau mich bitte an.“ Sie stand nur da und sagte nichts. Sie schien nicht genau zu wissen, wie sie darauf antworten sollte. Ich ging zu ihr und sah ihr in die Augen. „Es ist alles gut. Dir muss nichts Leid tun, glaub mir. Liebe kommt wann sie will und wo sie will, egal ob Mann oder Frau. Es passiert einfach. Ich finde dich toll und zwar so wie du bist, als Frau. Du bist so wunderschön. Ich kann dir gar nicht sagen, was für ein Glück ich habe.“ Sie lächelte und ich wusste, dass ihr ein Stein vom Herzen fiel. Wir musterten uns von oben bis unten. Jetzt spürte ich, dass der Druck weg war. Wir hatten alles geklärt und ich fühlte mich frei. Sie küsste und umarmte mich sehr zärtlich, fast so als würde sie Angst haben mich zu verlieren, wenn sie etwas tat, was mir nicht gefiel und hörte sie leise in mein Ohr flüstern: „Danke, dass es dich gibt.“
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brasi_89. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.