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Das Gegenteil von "sich verstecken"

08.07.2013 23:55

HiddenNickname

War grad übers Wochenende in Berlin, hübsche Lesben küssen sich da in Cafés, niemand zuckt auch nur mit einer Wimper, hach...

Wo ich z.Z. wohne, halten sich im Vergleich dazu alle eher bedeckt und unauffällig. Aber das gab mir zu denken, und ich würde gerne Eure Meinung zu folgendem hören:

In meiner Familie (traditionell katholisch) wurde uns Kindern wiederholt gesagt, dass "SOLCHE..." unmöglich akzeptiert oder toleriert werden. Nenn das nicht Liebe, zwei Homos haben doch offensichtlich nichts gemeinsam mit einem Ehepaar, denn alle Lesben sind hässliche feministische fette frigide Mannweiber, die aus Verbitterung echte Frauen zu Scheidung und Abtreibung anstiften, und alle Schwulen haben AIDS, sind sexsüchtig, und springen in Frauenkleidung aus Büschen, verführen echte Männer, und fressen Kinder, alles mit dem Ziel, die Zivilisation zu zerstören... Oder wie war das gleich?!?!

Mit so ner Definition von Homosexuell kann man sich als Teenager natürlich nicht identifizieren. Aber wenn mich ein Junge (bzw heutzutage ein Mann) ansprach, war ich immer kurz davor "Bah Alder biste schwul oder was?!" zu antworten, obwohl das keinen Sinn ergibt. Ich hab mich dann damals einfach 100% auf die Schule konzentriert, mit dem Plan, dass ich (mit finanzieller Unterstützung der Eltern) eine Ausbildung machen, wegziehen, und unabhängig sein kann, und dann wird alles besser. Sozusagen mein eigenes kleines "it gets better project".

Auf den ersten Blick ist der Plan gelungen: Ich lebe seit 15 Jahren unabhängig, habe Bekannte aller Couleur, und kann machen, was ich will. Nur erinnere ich mich nicht mehr, was ich machen wollte... Ich kann sozusagen nicht aufhören, mich zu verstecken, weil ich nicht weiß, wie ich unversteckt bin, weil ich nie unversteckt war.

Z.B. hab ich alle Gelegenheit, Lesben kennen zu lernen, aber sogar bei beiderseitigem Interesse geht's nie weiter (weiter womit?). An der Arbeit und im Freundeskreis wären die Reaktionen wahrscheinlich neutral bis positiv, aber ich bin trotzdem nicht "out" (out als was?). Ich war schon auf CSDs, aber als mich einmal eine vermutete Lesbe darauf ansprach, sagte ich aus Gewohnheit ausweichend "war bloß mit Freunden in der Stadt" (wozu leugnen?). Ich zögere Freundschaften zu schließen, "weil ich die Freunde ja eh verliere, wenn ich dann wegziehe" - aber ich bin doch schon weggezogen! Ich oute mich nicht vor Freunden, "weil das ja meine Familie erfahren könnte" - aber meine Familie ist doch meilenweit weg! Und auch wenn sie es hören würden, was sollten sie groß tun? Mit dem Zeigefinder wedeln?

Ihr seht, welche Art widersinnigen Gedankenblockaden ich meine. Wodurch ersetze ich die?

Es geht mir nicht ums Coming Out vor der Familie, dass die "Homos" tolerieren werden, kann ich abschreiben. Wir sind recht distanziert, und ich hab nicht vor, ihnen etwas über mein Privatleben zu erzählen. Was sehr simpel ist, da es nichts zu erzählen gibt, und womöglich auch nie was zu erzählen geben wird. Ich hatte (trotz Freiheit, und Gelegenheit mit Frauen wie auch Männern) bisher nie den Drang, eine Beziehung anzufangen. Ich hatte sozusagen noch keine Emotion, die durch die Anwesenheit einer Person besser würde, oder durch die Abwesenheit der Person schlechter. (Nicht mal bei Freunden.)

Dazu würde ich jetzt gerne Eure Erfahrung hören: Ist das einfach "niedrige Libido"? Eine vergallopierte asexuelle Phase? Chronische Emotionslosigkeit? Akute Doofheit? Ein zeitweiliger aber korrigierbarer Nebeneffekt einer christlichen Erziehung? Hat es jemand schon mal geschafft, fehlende Emotionen zu reaktivieren? Sollte man das überhaupt versuchen? Vielleicht bin ich einfach eine geborene Einzelgängerin und sollte nicht Zeit und Liebesmüh anderer Lesben verschwenden? (Warum sonst würde mir Alleinsein so leicht fallen?) Andererseits, warum beeindrucken mich dann zufällige Lesben auf der Straße?

Und warum guck ich drei Staffeln Rizzoli & Isles??

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